Von Harald Manninga
Es fing alles mit einem aufgelaufenen Tanker an. Der lag da
wie die Schildkröte auf dem Rücken am Strand und rührte und rückte sich nicht
mehr. Hatte irgendwer da abgelegt und sich wohl nicht mehr drum gekümmert. Zu
nichts mehr nütze war er aber trotzdem nicht, sondern wurde zur Initialzündung
für eine wie soll man jetzt sagen: »Geschäftsidee«? Geschäftsidee.
Jenem ersten sind inzwischen viele Wracks gefolgt. Relikte
der globalen Konsumgesellschaft, die sich irgendwann eben dann doch
ausgedienter maritimer Transportmittel entledigen muss, wenn sie sogar unter
abenteuerlichsten »Billigflaggen«-Bedingungen nicht mehr dafür tauglich sind,
Güter nicht zu reden von Passagieren oder auch nur Mannschaftsmitgliedern
kostendeckend oder gar gewinnbringend über die Weltmeere zu schippern. Und weil
irgendwelche »fachgerechte Entsorgung« von Öltankern, Containerschiffen und was
es an dergleichen stählernem Giftmüll mehr geben mag, horrend teuer ist, lässt man
solche Schiffe eben heutzutage lieber auf Sand laufen und überlässt sie ihrem
Schicksal. Irgendwer wird sie schon wegräumen.
Am Strand von Chittagong, das liegt in Bangladesh, laufen
immer mehr solche Ozeanriesen auf. Und werden dann ausgeschlachtet, genau nach
diesem Prinzip. Wo früher nichts als weißer Strand war, ein Strand, an dem
Regisseur Shaheen Dill-Riaz vor 20 Jahren als Kind gespielt hat und der sich
sicher auch als Urlaubsdomizil geeignet hätte, zerlegen heute Tausende von
Arbeitern ausgediente Schiffe, die da scheinbar einfach so rumliegen, in ihre
verwertbaren Einzelteile. Mit zum Teil abenteuerlichen Werkzeugen und immer
unter Lebensgefahr.
Ein nicht enden wollender Strom von Wracks sorgt dafür, dass
der Strand dort nicht leer wird. Der einst weiße Strand von Chittagong ist
heute ein Hauptumschlagsplatz für schiffbaren Weltmüll. Und zwar der
Strand dort. Man nimmt zwar gern auch mal das Wort »Werft« in den Mund,
aber von irgendwelchen Anlagen ist natürlich keine Rede. Da ist Strand da ist
Schiff Nunmachmal. So reden die, die daran verdienen, und wohl nicht
schlecht, mit denen, die keine andere Chance mehr sehen, sich einen Lebensunterhalt
zu verschaffen.
Schnitt: Es pflanzt jemand Reis in ein gewässertes Feld. Wir
sind jetzt im Norden von Bangladesch, von wo immer mehr Leute in den Süden,
eben nach Chittagong, zu den Abwrackstränden abwandern, um vor den inzwischen
jährlich auftretenden Dürren und Hungersnöten zu fliehen und woanders ein
Überleben zu finden und sei es noch so dürftig und schwererschuftet: Nicht nur
der Zustrom immer neuer alter Schiffe reißt nicht ab, auch die Zuwanderer
werden nicht weniger.
Was sind das für Leute, fragt Regisseur Dill-Riaz im
Off-Kommentar, die »zu uns«, d.h. in die Heimat des Regisseurs, den Süden des
Landes, nach Chittagong eben, kommen, um sich mit Schneidbrenner, Hammer und
Schraubenzieher durchzuschlagen und Altmetall zusammenzusammeln?
Das findet man am besten einfach selbst raus, indem man sich
diesen Film anschaut! Aber bitte vorher die Nerven stählen. Denn davon hat man
vorher mit ziemlicher Sicherheit nicht gewusst, geschweige denn sich vorstellen
können, dass es das gibt.
Für Leute, denen der Titel oder gar der Film bekannt
vorkommt: Er lief vor einigen Monaten schon auf einigen Festivals in
Deutschland und in kleineren Kinos, der offizielle bundesweite Starttermin ist
jedoch der 12.06.08. Leider auch wieder nur in sehr wenigen Kinos.