Von Harald Manninga
Familie kann ja ganz schön sein, macht aber auch viel
Arbeit. Zumal wenn man ein bisschen andere Vorstellungen vom Leben hat als der
Rest der Familie. Also sowas wie das schwarze Schaf ist. Zumal in einer italienischen
famiglia. So wie Stefano, der in jungen Jahren aus der italienischen Provinz
nach Rom ging, um als Punk-Rocker Karriere zu machen.
Karriere kann man das sogar fast nennen, was er da gemacht
hat, er hat in den einschlägigen Kreisen einen ganz guten Namen. Es läuft aber
doch mehr so einigermaßen leidlich. Mittlerweile ist er Mitte dreißig, die
andern in seiner Band sind Anfang zwanzig, und alle zusammen murkeln sie halt
so vor sich hin, der große Durchbruch zeigt sich aber nicht. Selbst das
Stage-Diving wäre verbesserungswürdig.
Leicht desillusioniert fährt Stefano nach Jahren der
Bohème-Existenz mal wieder zu Besuch nach Hause zu Eltern, Geschwistern und dem
Rest der Bagage, die sich unter dem Nachnamen Nardini versammelt. Die sind inzwischen
ohne es zu merken selbst alle zu schwarzen Schafen geworden: Vater interessiert
sich nur noch für Golf, Mutter macht auf esoterisch, die Schwester hat das
Studium geschmissen, um im Delphinarium die Delfine zum Trinklied aus Verdis La
Traviata tanzen zu lassen (was die auch ganz klasse machen!) und
Aquariumsfenster zu putzen, der Bruder schließlich steht vor der Scheidung und
über seinem diesbezüglichen Kummer verkümmert auch die Kirschkonservenfabrik,
die er leitet.
Außer Stefano sind also alle scheinbar ganz normal, und da
kommt ihnen der Heimgekehrte und Außenseiter gerade recht, um ihm ihre Sorgen
und Nöte aufzuhalsen.
So weit, so üblich für eine italienische Familienkomödie.
Regisseur Gianni Zanasi lässt sich dabei auch recht weidlich Zeit, die Konstellationen
vorzustellen, bevor er nach und nach so richtig man erlaube den Kalauer
angesichts einer Konservenfabrik ans Eingemachte geht. Fast unmerklich wird
die Geschichte um die Familie Nardini von einer lässig-leichten (und zunächst
nahezu uninteressanten) Ansammlung einer Riege der vom Schmirgelpapier des
Lebens je nachdem abgeschliffenen oder aufgerauten Charaktere zu einem
immer bissiger werdenden Kommentar auf die Berlusconisierung des Landes, der
sich allem Anschein nach niemand in diesem Land ernsthaft entziehen kann.
Frage aufs Exempel: Wie hieß nochmal der italienische
Ministerpräsident, bevor Berlusconi vor ein paar Monaten schon wieder in dieses Amt »gewählt« wurde? Sehen Sie: Eben! (Romani Prodi wars, aber daran muss man sich auch nicht spontan erinnern.)
Anlässlich eines Besuchs bei einem möglichen Sponsor der
kränkelnden Kirschkonservenfabrik sagt Stefano (fast nicht einmal gespielt
von Valerio Mastandrea) so etwas wie den Schlüsselsatz dieses Films. Wer wissen
will, wie dieser Satz lautet, möge bitte ins Kino gehen. Der Titel des Films
ist zwar, wie sich das für ordentliche Titel gehört, auch schon nicht wenig
anspielungsreich, was etwaige Schlüsselfunktion angeht: Treffend zwar allemal,
aber nur ein Appetithäppchen.
Bleibt noch zu sagen, dass die Musikauswahl bei diesem Film
ans Genialische schrammt. Delfine zu Verdi tanzen zu lassen, das liegt ja
vielleicht noch nahe. Aber z.B. Leute zu Verdi vom Balkon hüpfen zu lassen, auf
sowas muss man erstmal kommen! Und die punk-untermalten Stunt- und sonstigen
mit Musik servierten Szenen stehen dem in nichts nach. Das hätte selbst Quentin
Tarantino nicht köstlicher und treffender hingekriegt.
Nicht dran denken (IT. 2007, 104 Min.) von Gianni Zanasi läuft zur Zeit im Lichtwerk.