Schwere
Jungs
Von Harald Manninga
Der Bayer Marcus H. Rosenmüller hat letzten
August erst sein großes Regiedebüt, die bissig-köstliche Komödie »Wer früher
stirbt, ist länger tot« mit Erfolg in die Kinos entlassen und sich damit
außerdem direkt den »Förderpreis Deutscher Film« für die beste Regie
eingefangen. Was seinerzeit eine ziemliche Überraschung war, bekommt jetzt mit
der inhaltlich und erzählerisch etwas leichtgewichtigeren aber nicht weniger
komischen Sportlergeschichte »Schwere Jungs« einen würdigen Nachfolger.
»Schwere Jungs« erzählt eine halbfiktive
Geschichte über die Teilnahme zweier deutscher Bob-Mannschaften an den
Olympischen Winterspielen in Oslo 1952. Das waren soviel ist an dem Film echt
historisch die ersten Spiele, bei denen nach dem Zweiten Weltkrieg wieder
eine deutsche Mannschaft dabei war. Die dann auch tatsächlich im Viererbob die
Goldmedaille holte.
Im Film geht es um die Kontrahenten Gamser und
Dorfler aus Garmisch-Partenkirchen, der eine ein scheinbares Weichei und
verarmter Tischler, der andere das reiche und erfolgsverwöhnte Söhnchen eines
Brauereibesitzers. Ihre Feindschaft reicht 16 Jahre zurück: damals sind sie als
Kinder schon einmal bei einem Vierer-Schlittenrennen gegeneinander angetreten,
wobei Gamser mit seinen Mannen aufgrund eines Konstruktionsfehlers bei seinem
selbstgebauten Bob kläglich versagt hat und seitdem von Dorfler bei jeder
Gelegenheit daran erinnert wird. Brauereierbe Dorfler hat nämlich mit dem
Bobfahren weitergemacht und ist gerade erst Weltmeister geworden, während
Versager Gamser es sich im Schmolleckchen mehr oder weniger gemütlich gemacht
hat.
Nu aber: Olympische Spiele! Dass Weltmeister
Dorfler mit seiner Truppe daran teilnehmen wird steht fest, es kann sich jedoch
noch eine zweite Viererbobmannschaft qualifizieren. Gamser wittert seine
Chance, sich für die Schmach von damals zu revanchieren, und setzt alles daran,
sich und seine drei Kumpanen von seinerzeit in wenigen Wochen für die
olympische Teilnahme fit zu machen. Es grenzt an ein Wunder, doch sie schaffen
es wirklich, sich zu qualifizieren. Damit geht allerdings das Drama um all die
komischen Situationen und Verwicklungen und Beziehungskrisen erst so richtig
los, und die Zuschauer kommen aus dem Lachen kaum mehr
heraus.
Krachlederne Tiefgründigkeit
Regisseur Rosenmüller ist Bayer, das merkt man
dem Film sehr deutlich an. Der sieht nämlich an der Oberfläche recht
krachledern aus und lässt kaum ein Klischee, wie es aus dem »Komödienstadl«
kommen könnte, aus. Von der zänkischen Ehefrau über Blasmusikseligkeit bis hin
zur »Halben«, die ein gstandner Bayer ja bekanntlich als erstes vermissen wird,
wenn er sich in Oslo, also bei die Preißn aufhält. Textzeilen, die
klingen wie: »Vi kamm frrom Bavaria, nier Tschöämänni« sind sicher nicht
zufällig ins Buch geraten. Rosenmüller und seine Leute machen aus dem
Krachledernen dann aber echte Hochkomik und aus einem scheinbar banalen
Kindheitskonflikt mit seinen nahezu tragischen Folgen für die bornierten
Erwachsenen, die aus diesen Kindern geworden sind, ein echtes Drama über Liebe,
Freundschaft und Loyalität.
In Komödien wird bei gelungenen Pointen in jedem
Kino gelacht. Das ist auch hier zu erwarten, denn es sitzt nicht nur so gut wie
jede der zahllosen Pointen, glänzend besetzt (Casting: Nessie Nesslauer) ist
Rosenmüllers Film außerdem. Für etwas Star-Appeal sorgt Bastian Pastewka als
urbeamtendeutsch verklemmter Betreuungsfunktionär der deutschen
Olympiamannschaft, der aufs Köstlichste von einem Missverständnis ins nächste
stolpert. Das ist schön gemacht, wenn auch etwas aufdringlich auf Klamauk
gebürstet, aber Pastewka ist eben Pastewka, dazu muss kaum was gesagt werden, außer dass er erwartungsgemäß auch sowas eben einfach kann. Aber
eigentlich ist sein Auftauchen kaum erwähnenswert neben der
Leistung, die die Hauptdarsteller Sebastian Bezzel (»Gamser«, im anderen
Schauspielerleben auch »Tatort«-Kommissar) und Nicholas Ofczarek (»Dorfler«)
abliefern. Oder die vielen andern, die hier unerwähnt bleiben müssen, weil es
einfach zu viele sind. Es gibt wenige deutsche Komödien, die so ansehnlich
wären und den Zuschauer so hübsch mitreißen.
Selten auch ist in einer deutschen Produktion
die Musik so passend gemacht (Gerd Baumann) oder aus alten Schlagern
aus- und zusammengesucht worden. Das Szenenbild von Josef Sanktjohanser ist
ebenfalls sehr sehenswert.
So geistreich wie klamaukig, so rührend wie
banal, Pointen zum einen so absehbar, wie andere völlig überraschend sind
klasse, dieser Film. Und wieder einer, der zeigt, dass man sich um den
Filmnachwuchs in Deutschland zur Zeit keine größeren Sorgen machen muss. Das
ist ja nicht immer so gewesen.