Webwecker Bielefeld: Princesas

Bordsteinschwalben lernen fliegen



Princesas

Von Harald Manninga

 

Das Geschäft auf dem Straßenstrich in Madrid ist schwer geworden, seit die Billigkonkurrenz aus Übersee die Preise und die Regeln verdirbt. Bei Cayetana, die von allen Caye genannt wird, ist es schon so weit, dass sie nur noch halb so viele Freier hat wie früher. Ihren Kolleginnen, mit denen sie sich in Glorias Frisiersalon trifft, geht es kaum anders, und entsprechend schimpfen sie über die andern. Zumal die auch noch illegal im Land sind.

Zulema ist so eine Illegale, sie kommt aus der Dominikanischen Republik. Dort lebt ihr kleiner Sohn bei den Großeltern. Zulema selbst wohnt in einer kleinen Wohnung schräg über der von Caye. Aus dieser Wohnung dringt eines Tages durchdringend laute Musik, und Caye geht hin, um sich mal so ordentlich zu beschweren. Doch sie findet Zulema zusammengeschlagen im Bad. Sie wird von einem Mann erpresst, der versprochen hat, ihr Papiere zu verschaffen. Natürlich nutzt er sie nur aus, doch Zulema hat keine Wahl; oder glaubt das zumindest. Die beiden Frauen freunden sich an, und der Film erzählt die Geschichte dieser Freundschaft.

Der Regisseur dieses Streifens, Fernando León de Aranoa, gehört zur ersten Garde der spanischen Filmemacher, spätestens seit Montags in der Sonne (2002), seinem ersten Millionenerfolg, der auch in Deutschland die Kritik begeisterte. Leóns Filme spielen meist in den Milieus der von den Weltläuften Niedergewalzten am Rande der Gesellschaft. Seine Haltung und Intention wird dabei manchmal mit der von Ken Loach (The Wind that Shakes the Barley) verglichen. Das mag man tun, wenn man sich auf den »Realismus« beschränkt, auf den beide in ihren Inszenierungen bedacht sind. León geht mit seinen Figuren jedoch wesentlich sensibler um und lässt ihnen eine ganz andere Bandbreite an Gefühl und Ausdruck.

Eine Bandbreite, von der der Zuschauer manchmal überrascht wird. Denn das Leben einer Hure, so könnte man meinen, lässt wohl z.B. eher wenig Raum zum Lachen. Aber ganz falsch, auch dort gibt es die grotesken Momente, die den Betrachter vor Gelächter laut aufgrölen lassen, und das mit den Mädchen und nie über sie. Princesas hat aber natürlich viel mehr zu bieten, es gibt Tränen, Tragik, manchmal Abscheuliches, daneben ganz normalen Alltag, niemals aber irgendwelche Betroffenheits-Rührseligkeit. Also quasi alles dabei, was ein Film braucht, um eine hinreißende Tragikomödie zu werden.

Das macht auch vor der Musik nicht halt, die hier von Alfonso de Villalonga und Manu Chao (der Manchem in Deutschland bekannt sein dürfte) stammt. Manu Chao bekam für seinen leicht beschwingten und wortspielerischen Titelsong »Me llaman calle« den größten spanischen Filmpreis, den »Goya«. Die Hauptdarstellerinnen Candela Peña (Caye) und Micaela Nevárez (Zulema) erhielten ihn als Beste Schauspielerin bzw. Beste Newcomerin.