Von Mario A.
Sarcletti
Der Appell von Mindens Bürgermeister Michael Buhre stieß am Samstag vor
allem bei den Antifas auf offene Ohren. »Wir müssen wachsam bleiben«, hatte
Buhre mittags in Mindens Innenstadt die knapp dreihundert Bürger gebeten, die
sich am Kleinen Domhof bei einer Kundgebung unter dem Motto »Minden ist bunt
nicht braun« des DGB versammelt hatten. Denn die meist schwarz Gekleideten
sorgten noch den ganzen Tag für Proteste gegen Rechts in Minden und machten am
späten Nachmittag eine kurzfristig angemeldete Eilveranstaltung der Kameraden von der Nationalen Offensive
Schaumburg zu einem Desaster für die Neonazis.
Die wollten eigentlich schon mittags vom Bahnhof zur Polizeistation an
der Marienstraße ziehen. Grund für die Demonstration »Gegen Polizeiwillkür und
Amtsmissbrauch« waren die fehlgeschlagenen Naziumzüge in Bielefeld, Gütersloh
und eben Minden Mitte September. Damals mussten die Rechtsextremen ihre
Versuche für einen »Nationalen Sozialismus« zu demonstrieren jeweils nach
wenigen hundert Metern aufgrund von Gegendemonstranten auf der Route abbrechen.
Für die Demo am vergangenen Samstag hatte die Mindener Polizei aber Auflagen
erlassen, die den Rechtsextremen nicht passten. Unter anderem sollte der
mehrfach vorbestrafte Marcus Winter nicht Versammlungsleiter sein, auch für den
Einsatz von Lautsprechern oder Megafon hatte die Behörde Auflagen gemacht.
Winter klagte vor dem Verwaltungsgericht, das lehnte aber ebenso wie
das Oberverwaltungsgericht Münster den Eilantrag ab. Als schließlich auch das
Bundesverfassungsgericht die Auflagen der Mindener Polizei bestätigte, sagte
Winter die Demo ab. Infolgedessen wurden auch die meisten Gegenveranstaltungen
abgesagt, nur die Veranstaltung am Kleinen Domhof wurde abgehalten. Bei der
stellte Michael Buhre klar: »Nazis haben in Minden nichts verloren«. Hatten sie
aber offensichtlich doch, den ganzen Tag über wurden Rechtsradikale in der
Stadt gesichtet, auch Polizeibeamte in Zivil hefteten sich an die Fersen von
Nachwuchsnazis, nahmen Personalien auf.
Ständige Wachsamkeit der Demokraten gefordert
Bei der Kundgebung am Kleinen Domhof sprach neben Bürgermeister Buhre
auch Roland Engels vom DGB. »Nach dem 16. September steht es jetzt 4:0 für
uns«, freute sich Engels. Auch er appellierte an die Wachsamkeit der
Demokraten. »Haben wir genug getan, um die Wurzeln des Rechtsextremismus
rauszureißen, oder reagieren wir nur bei Wahlerfolgen und Aufmärschen, wie er
heute hier geplant war«, fragte Engel die Zuhörer. Er forderte auch Solidarität
mit denjenigen, die Opfer von Nazis werden. »Es sind die Schwachen, die von
ihnen als Opfer zum Täter gemacht werden«, beschrieb er das Vorgehen von
Neonazis, die sich eben Migranten, Obdachlose oder Behinderte vorknöpfen, die
nach ihrer Meinung »ordentlichen Deutschen« die Arbeitsplätze wegnehmen. »Die
werden sicher wiederkommen und das gilt es zu verhindern«, sagte Engel noch.
Das taten sie tatsächlich, wollten trotz des 4:0 eine Verlängerung.
Damit behielt auch ein weiterer DGB-Vertreter bei der Veranstaltung auf dem
Kleinen Domhof unrecht, der sich auch mit Blick auf das milde Wetter eindeutig
zweideutig darüber freute, »dass uns der Winter heute erspart geblieben ist«.
Denn Marcus Winter versuchte in der beginnenden Dämmerung des späten
Nachmittags mit einem Dutzend Kameraden eine Kundgebung vor der Mindener
Polizei durchzuführen. Die wurde aber aufgrund wachsamer Antifaschisten zum
Desaster. Als die Rechtsextremen vor der Polizeiwache ihre Kundgebung starten
wollten, trafen sie auf Widerstand. Anschließend stand gerade einmal ein
Dutzend Neonazis im Zwielicht eines
Schnellstraßenzubringers, ihre Redebeiträge waren noch nicht einmal für die
Gegendemonstranten zu hören.
Die hatten zuvor nach einem Zug zum Mindener Bahnhof - eine
Spontandemonstration durch den Wohnort der beiden Protagonisten, Lindhorst,
durchgeführt und erhielten dabei auch Beifall von Dorfbewohnern. Auch ein
Beamter der Polizei-Hundertschaft vor Ort äußerte seine »persönliche Meinung:
»Ich finde es gut, dass ihr hier Flagge zeigt«, sagte der Beamte. Das sagte er,
obwohl es kurz zuvor ein Handgemenge zwischen seinen Kollegen und den schwarz
Gekleideten gegeben hat, als die zum Wohnhaus von Marcus Winter und Arwid
Strelow ziehen wollten. Die Beamten verhinderten das, auch wenn die beiden gar
nicht zu Hause waren. So zogen die Gruppe von etwa achtzig Personen einmal
durchs Dorf und verteilten Flugblätter in die Briefkästen der Bewohner, in der
sie diese darüber informierten, wer unter ihnen wohnt.
Nazis im Zwielicht
Mit dem nächsten Zug fuhren die Antifas dann wieder zurück nach Minden
um gegen die inzwischen bekannt gewordene Eilveranstaltung der Rechtsextremen
zu protestieren. Das taten sie dann auch recht erfolgreich. Die Schaumburger
Nazis behaupten auf ihrer Internetseite: »Trotz der kurzen Vorlaufzeit und dem
etwas abgelegenen Ort für unsere Veranstaltung war es ein gutes und wichtiges
Zeichen welches wir in Minden setzen konnten«. Tatsächlich werden es Demokraten
als ein gutes Zeichen ansehen, dass gerade einmal ein Dutzend Neonazis unter
Ausschluss der Öffentlichkeit im Zweilicht herumstanden, bewacht von einem
massiven Polizeiaufgebot. Und die Behauptung »Die Straße gehört uns!« auf ihrer
Internetseite sollten die Schaumburger mal schnell umformulieren. Richtig
müsste es heißen: »Der Schnellstraßenzubringer gehört uns«. Und auch das nur
für einen Stunde, die Nazis beendeten das »gute und wichtige Zeichen« nach
einer Stunde vorzeitig.