Von Manfred Horn
Seit
Juni steht fest: Bielefeld bekommt ein Technisches Dienstleistungszentrum,
kurz Technisches Rathaus. Dort sollen die verschiedenen kommunale Dienste aus
den Bereichen Bauen, Verkehr, Umwelt gebündelt werden. Auch der
Immobilienservice-Betrieb (ISB), der die städtischen Flächen verwaltet, soll
dort einziehen (WebWecker berichtete).
Auch
der Standort steht inzwischen fest: Das ehemalige Kreishaus an der August-Bebel
Straße, in dem zur Zeit das Bauamt untergebracht ist. Das heutige Kreishaus
soll bis auf die Grundmauern entkernt werden. Ein Erweiterungsbau hin zur
Victoria-Straße soll den nötigen Platz schaffen. Der Rat der Stadt hatte im
Juni beschlossen, die Verwaltung mit der Prüfung zweier Varianten zu
beauftragen. Die erste sieht vor, dass der städtische Immobilienservicebetrieb
die Sanierung und Erweiterung selbst in die Hände nimmt, in der zweiten
Variante soll dies durch einen privaten Investor geschehen, der die Räume dann
an die Stadt vermietet.
Die
Verwaltung ihrerseits hat die Beraterfirma Ernst & Young mit einem
Gutachten beauftragt, das nun vorliegt. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis,
dass der Um- und Neubau des Technisches Rathauses durch einen privaten Investor
erfolgen sollet. Die Verwaltung hat sich diesem Votum angeschlossen und
empfiehlt diese Variante. In einer großen gemeinsamen Sitzung werden
Immobilienservice-Betrieb, der Hauptausschuss, die Bezirksvertretung Mitte und
der Umwelt- und Stadtentwicklungssausschuss am 9. November darüber beraten, am
16. November kommt die Vorlage in den Rat der Stadt.
Ernst
& Young ist in Sachen Public Private Partnership ein bekanntes
Beraterunternehmen. Die weltweit operierende Gesellschaft mit 108.000
Mitarbeitern erstellt bundesweit Gutachten, in denen es um Kooperationen
zwischen Staat und Privatwirtschaft geht. In deutlicher Mehrzahl empfiehlt die
Beratungsagentur die Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaft. So auch in
Unna: Das dortige Kreishaus, Baujahr 1962, ist so marode, dass sogar schon die
Bauaufsicht vorstellig wurde. Die Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH/Ernst
& Young/Professor Weiss & Partner Projektsteuerungsgesellschaft wurde
mit einem Gutachten beauftragt, welches wie in Bielefeld auch ein PPP-Modell
empfiehlt. Kreisdirektor Rainer Stratmann lobte anschließend: »Nicht zuletzt
hat von Beginn an die kompetente, unabhängige Beratung der
Projektsteuerungsgesellschaft dazu beigetragen, das Know-how des Kreises Unna
in den Bereichen der Immobilienwirtschaft sowie bei den kniffligen Rechtsfragen
der zu vertiefen und zu ergänzen«. In Unna gibt es aber nicht nur Freunde des
Modells. Unter anderem sei die PPP-Variante erheblich weniger günstig wie am
Anfang vorgerechnet, rechnen Kritiker vor.
Kaltmiete an der unteren Grenze
Für
Bielefeld hat das Gutachten, wie in Unna auch, einen Betrachtungszeitraum von
25 Jahren zu Grunde gelegt. Die Kaltmiete wird mit sechs Euro pro Quadratmeter
angegeben, an Wert an der unteren Grenze, den das Bielefelder Baudezernat vorgegeben hat. Die Bauinvestionssumme betrage
eigentlich 25,75 Millionen Euro. Ein privater Investor, so die Ernst &
Young, sei aber in der Lage, die Baukosten um rund ein Viertel »zu
optimieren«, benötige also nur 19,23 Millionen Euro. Auf 25 Jahre gerechnet
ergebe sich so eine Rendite von 5,01 Prozent, der Vorteil gegenüber einem
Modell, indem der städtische ISB federführend ist, liege auf die Zeit
gerechnet bei »circa 20 Prozent«. Die
Stadt müsste für den Bau nichts zahlen, allerdings zunächst 25 Jahre lang
mindestens 1,3 Millionen Euro Miete. Hinzu kommen die Kosten für die Beratung
bis zum Abschluss des PPP-Projektes von rund einer halben Million Euro.
BfB
und FDP haben sich bereits klar für ein PPP-Modell ausgesprochen. Kritische
Stimmen gibt es bei der SPD und auch bei der CDU. Deutliche Ablehnung kommt
hingegen aus der Linkspartei und von den Grünen. Babara Schmidt, Ratsfrau der
Linkspartei, sieht in einem PPP-Modell »Vergeudung kommunalen Vermögens«. Jeder
Bauherr wisse, dass die ersten 25 Jahre die teuersten sind; danach seien in der
Regel die Kredite getilgt. »Dazu hätten wir keine teuren Gutachter beauftragen
müssen«.
Ein
langfristiger Kostenvergleich für den Fall, dass die Stadt selbst investiert
und baut, liege hingegen nicht vor und stehe damit als Alternative auch nicht
zur Diskussion. »Es ist unverantwortlich, auf dieser Basis eine Entscheidung zu
treffen, mit der städtisches Vermögen veräußert wird und die Stadt sich
langfristig von einem nur an Gewinnen orientierten Investor abhängig macht«. Auch
zweifelt sie den im Gutachten gesetzten Baupreis durch einen Privatinvestor von
knapp 20 Millionen Euro an: »Wer billig einkauft, hat entsprechend hohe
Unterhaltskosten«. Das Gebäude könne dann sogar so gebaut werden, dass es »nach
25 Jahren fertig ist«.
Ähnlich
deutliche Kritik kommt aus der Grünen-Fraktion. Die Risiken eines PPP-Projektes
seien nicht kalkulierbar, bundesweit liefe noch kein solches Projekt über 25
Jahre. Erfahrungswerte liegen entsprechend nicht vor. »Wir wollen eine
Eigenrealisierung durch den ISB«, sagt Fraktionsgeschäftsführer Klaus Rees, »Dritte
engagieren sich nur, wenn sie auch eine Rendite erzielen können«. Um an das
Bauprojekt herangehen zu können, sei zunächst eine Bedarfs- und
Optimierungsplanung notwendig. Das bisherige Gebäude soll einer
Bestandsaufnahme unterzogen werden, um böse Überraschungen bei der
Komplettsanierung zu vermeiden. Auch solle der Flächenbedarf ermittelt werden,
damit das umgebaute Gebäude später auch den Bedürfnissen der Verwaltung gerecht
wird. Die Grünen stellen sich weiter vor, dass ein externer Projektsteurer
eingestellt wird. Beim Stadttheater habe man damit gute Erfahrungen gemacht.
Jemand, der darauf achtet, dass alles richtig läuft und auch die Kosten
eingehalten werden. So könne auch sichergestellt werden, dass das lokale
Handwerk von dem Umbau profitiere. Dies sei bei einem PPP-Modell mit eu-weiter
Ausschreibung keinesfalls gegeben.
Was nützt Beratung, wenn das Ergebnis vorher feststeht?
Ein Kommentar von Manfred Horn
Das
Baudezernat behauptet allen Ernstes, das Gutachten von Ernst & Young sei
neutral. Wer auch nur ein bisschen genauer hinschaut, sieht, dass dieses
Unternehmen immer wieder PPP-Realisierungen empfiehlt. Dies dürfte auch dem
Baudezernat bekannt gewesen sein. Unterstellt werden kann: Das gelieferte
Ergebnis für eine PPP-Variante ist das im Baudezernat politisch gewollte
Resultat.
Das
ist schlecht. Denn gerade in einem Kernbereich städtischer Aufgaben, bei einem
Technischen Rathaus, wäre die Stadt gut beraten, ernsthaft über eine
Realisierung des Umbaus in Eigenregie nachzudenken. Dies hätte viele praktische
Vorteile, und das Gebäude würde städtisch bleiben. Zwar ist Neutralität bei
solchen Gutachten eine schwierige Sache: Zu stark gehen die Meinungen über PPP
auseinander, als das dort so etwas wie Objektivität gefunden werden könnte.
Andere, PPP-kritische Institute, hätten garantiert herausbekommen, dass die
Variante, in der die Stadt selber bauen lässt, die günstigere ist. Doch mit der
Vergabe an Ernst & Young wurde nicht einmal der Versuch gemacht, zu
halbwegs neutralen Zahlen zu kommen.
Solche
Gutachten kosten viel Geld, eine Realisierung der PPP-Variante würde Beraterfirmen
noch mehr Geld bringen, bis zu einer halben Million Euro. Das kommt immer
wieder vor, und ist immer wieder mehr als zweifelhaft. Auch beim letztlich
geplatzten Cross-Border-Leasing der Stadtbahn gab es entsprechende, gut
bezahlte Gutachten, die das Geschäft mit einem privaten Investor empfohlen.
Gerade
die Verwaltung ist gehalten, nicht selbst Politik zu machen sondern die
Vorgaben aus der Politik umzusetzen. Die ist nun kein bisschen schlauer als im
Juni, nur aufgeregter. Denn, wie es so schön heißt, »belastbare« Zahlen liegen
nicht vor. Eine Werbebroschüre für PPP hätte man auch deutlich günstiger haben
können.