Webwecker Bielefeld: Technisches Rathaus soll in städtischer Hand gebaut werden (08.11.2006)

Technisches Rathaus soll in städtischer Hand gebaut werden (08.11.2006)



Von Manfred Horn

Seit Juni steht fest: Bielefeld bekommt ein ›Technisches Dienstleistungszentrum‹, kurz Technisches Rathaus. Dort sollen die verschiedenen kommunale Dienste aus den Bereichen Bauen, Verkehr, Umwelt gebündelt werden. Auch der Immobilienservice-Betrieb (ISB), der die städtischen Flächen verwaltet, soll dort einziehen (WebWecker berichtete).

Auch der Standort steht inzwischen fest: Das ehemalige Kreishaus an der August-Bebel Straße, in dem zur Zeit das Bauamt untergebracht ist. Das heutige Kreishaus soll bis auf die Grundmauern entkernt werden. Ein Erweiterungsbau hin zur Victoria-Straße soll den nötigen Platz schaffen. Der Rat der Stadt hatte im Juni beschlossen, die Verwaltung mit der Prüfung zweier Varianten zu beauftragen. Die erste sieht vor, dass der städtische Immobilienservicebetrieb die Sanierung und Erweiterung selbst in die Hände nimmt, in der zweiten Variante soll dies durch einen privaten Investor geschehen, der die Räume dann an die Stadt vermietet.

Die Verwaltung ihrerseits hat die Beraterfirma ›Ernst & Young‹ mit einem Gutachten beauftragt, das nun vorliegt. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass der Um- und Neubau des Technisches Rathauses durch einen privaten Investor erfolgen sollet. Die Verwaltung hat sich diesem Votum angeschlossen und empfiehlt diese Variante. In einer großen gemeinsamen Sitzung werden Immobilienservice-Betrieb, der Hauptausschuss, die Bezirksvertretung Mitte und der Umwelt- und Stadtentwicklungssausschuss am 9. November darüber beraten, am 16. November kommt die Vorlage in den Rat der Stadt.

›Ernst & Young‹ ist in Sachen ›Public Private Partnership‹ ein bekanntes Beraterunternehmen. Die weltweit operierende Gesellschaft mit 108.000 Mitarbeitern erstellt bundesweit Gutachten, in denen es um Kooperationen zwischen Staat und Privatwirtschaft geht. In deutlicher Mehrzahl empfiehlt die Beratungsagentur die Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaft. So auch in Unna: Das dortige Kreishaus, Baujahr 1962, ist so marode, dass sogar schon die Bauaufsicht vorstellig wurde. Die ›Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH/Ernst & Young/Professor Weiss & Partner Projektsteuerungsgesellschaft‹ wurde mit einem Gutachten beauftragt, welches wie in Bielefeld auch ein PPP-Modell empfiehlt. Kreisdirektor Rainer Stratmann lobte anschließend: »Nicht zuletzt hat von Beginn an die kompetente, unabhängige Beratung der Projektsteuerungsgesellschaft dazu beigetragen, das Know-how des Kreises Unna in den Bereichen der Immobilienwirtschaft sowie bei den kniffligen Rechtsfragen der zu vertiefen und zu ergänzen«. In Unna gibt es aber nicht nur Freunde des Modells. Unter anderem sei die PPP-Variante erheblich weniger günstig wie am Anfang vorgerechnet, rechnen Kritiker vor.

Kaltmiete an der unteren Grenze

Für Bielefeld hat das Gutachten, wie in Unna auch, einen Betrachtungszeitraum von 25 Jahren zu Grunde gelegt. Die Kaltmiete wird mit sechs Euro pro Quadratmeter angegeben, an Wert an der unteren Grenze, den das Bielefelder Baudezernat vorgegeben hat. Die Bauinvestionssumme betrage eigentlich 25,75 Millionen Euro. Ein privater Investor, so die ›Ernst & Young‹, sei aber in der Lage, die Baukosten um rund ein Viertel »zu optimieren«, benötige also nur 19,23 Millionen Euro. Auf 25 Jahre gerechnet ergebe sich so eine Rendite von 5,01 Prozent, der Vorteil gegenüber einem Modell, indem der städtische ISB federführend ist, liege auf die Zeit gerechnet  bei »circa 20 Prozent«. Die Stadt müsste für den Bau nichts zahlen, allerdings zunächst 25 Jahre lang mindestens 1,3 Millionen Euro Miete. Hinzu kommen die Kosten für die Beratung bis zum Abschluss des PPP-Projektes von rund einer halben Million Euro.

BfB und FDP haben sich bereits klar für ein PPP-Modell ausgesprochen. Kritische Stimmen gibt es bei der SPD und auch bei der CDU. Deutliche Ablehnung kommt hingegen aus der Linkspartei und von den Grünen. Babara Schmidt, Ratsfrau der Linkspartei, sieht in einem PPP-Modell »Vergeudung kommunalen Vermögens«. Jeder Bauherr wisse, dass die ersten 25 Jahre die teuersten sind; danach seien in der Regel die Kredite getilgt. »Dazu hätten wir keine teuren Gutachter beauftragen müssen«.

Ein langfristiger Kostenvergleich für den Fall, dass die Stadt selbst investiert und baut, liege hingegen nicht vor und stehe damit als Alternative auch nicht zur Diskussion. »Es ist unverantwortlich, auf dieser Basis eine Entscheidung zu treffen, mit der städtisches Vermögen veräußert wird und die Stadt sich langfristig von einem nur an Gewinnen orientierten Investor abhängig macht«. Auch zweifelt sie den im Gutachten gesetzten Baupreis durch einen Privatinvestor von knapp 20 Millionen Euro an: »Wer billig einkauft, hat entsprechend hohe Unterhaltskosten«. Das Gebäude könne dann sogar so gebaut werden, dass es »nach 25 Jahren fertig ist«.

Ähnlich deutliche Kritik kommt aus der Grünen-Fraktion. Die Risiken eines PPP-Projektes seien nicht kalkulierbar, bundesweit liefe noch kein solches Projekt über 25 Jahre. Erfahrungswerte liegen entsprechend nicht vor. »Wir wollen eine Eigenrealisierung durch den ISB«, sagt Fraktionsgeschäftsführer Klaus Rees, »Dritte engagieren sich nur, wenn sie auch eine Rendite erzielen können«. Um an das Bauprojekt herangehen zu können, sei zunächst eine Bedarfs- und Optimierungsplanung notwendig. Das bisherige Gebäude soll einer Bestandsaufnahme unterzogen werden, um böse Überraschungen bei der Komplettsanierung zu vermeiden. Auch solle der Flächenbedarf ermittelt werden, damit das umgebaute Gebäude später auch den Bedürfnissen der Verwaltung gerecht wird. Die Grünen stellen sich weiter vor, dass ein externer Projektsteurer eingestellt wird. Beim Stadttheater habe man damit gute Erfahrungen gemacht. Jemand, der darauf achtet, dass alles richtig läuft und auch die Kosten eingehalten werden. So könne auch sichergestellt werden, dass das lokale Handwerk von dem Umbau profitiere. Dies sei bei einem PPP-Modell mit eu-weiter Ausschreibung keinesfalls gegeben.

 

Was nützt Beratung, wenn das Ergebnis vorher feststeht?

Ein Kommentar von Manfred Horn

Das Baudezernat behauptet allen Ernstes, das Gutachten von Ernst & Young sei neutral. Wer auch nur ein bisschen genauer hinschaut, sieht, dass dieses Unternehmen immer wieder PPP-Realisierungen empfiehlt. Dies dürfte auch dem Baudezernat bekannt gewesen sein. Unterstellt werden kann: Das gelieferte Ergebnis – für eine PPP-Variante – ist das im Baudezernat politisch gewollte Resultat.

Das ist schlecht. Denn gerade in einem Kernbereich städtischer Aufgaben, bei einem Technischen Rathaus, wäre die Stadt gut beraten, ernsthaft über eine Realisierung des Umbaus in Eigenregie nachzudenken. Dies hätte viele praktische Vorteile, und das Gebäude würde städtisch bleiben. Zwar ist Neutralität bei solchen Gutachten eine schwierige Sache: Zu stark gehen die Meinungen über PPP auseinander, als das dort so etwas wie Objektivität gefunden werden könnte. Andere, PPP-kritische Institute, hätten garantiert herausbekommen, dass die Variante, in der die Stadt selber bauen lässt, die günstigere ist. Doch mit der Vergabe an ›Ernst & Young‹ wurde nicht einmal der Versuch gemacht, zu halbwegs neutralen Zahlen zu kommen.

Solche Gutachten kosten viel Geld, eine Realisierung der PPP-Variante würde Beraterfirmen noch mehr Geld bringen, bis zu einer halben Million Euro. Das kommt immer wieder vor, und ist immer wieder mehr als zweifelhaft. Auch beim – letztlich geplatzten – Cross-Border-Leasing der Stadtbahn gab es entsprechende, gut bezahlte Gutachten, die das Geschäft mit einem privaten Investor empfohlen.

Gerade die Verwaltung ist gehalten, nicht selbst Politik zu machen sondern die Vorgaben aus der Politik umzusetzen. Die ist nun kein bisschen schlauer als im Juni, nur aufgeregter. Denn, wie es so schön heißt, »belastbare« Zahlen liegen nicht vor. Eine Werbebroschüre für PPP hätte man auch deutlich günstiger haben können.