Von Manfred Horn
Die
Stadtbibliothek am Jahnplatz ist ganz schön in die Jahre gekommen. An der
Fassade des Verwaltungsteils bröckelt der Putz, viele Räume strahlen den Charme
der 1970er Jahre aus. Eine moderne Bibliothek würde anders aussehen.
Nachdem
der Umzug in eines anderes Gebäude, angedacht war das ehemalige Haus des
Paritätischen Wohlfahrtsverbandes an der Alfred-Bozi-Straße, geplatzt ist,
waren einige führende Sozialdemokraten der Stadt in der vergangenen Woche bei
einem Ortstermin, um sich von der Bibliotheksleitung die Lage erklären zu
lassen.
Bibliotheksleiter
Harald Pilzer nutzte die Gelegenheit, um vor allem auf die mangelnde Fläche
hinzuweisen. In anderen Städten mit ähnlicher Einwohnerzahl gebe es
Stadtbibliotheken mit 6.000 bis 8.000 Quadratmeter, in Münster sind es gar
9.700 Quadratmeter, die in einem 1993 erstellten Neubau untergebracht sind. Die
Bielefelder Zentralbibliothek bringt es gerade mal auf 3.000 Quadratmeter. Viel
zu wenig, findet Pilzer. »Wenn wir hier Veranstaltungen machen, finden die
praktisch zwischen den Büchern statt«.
Folge
von Geld- und Platzmangel sind auch die Fünffach-Regale, in denen die Bücher
stehen. Das unterste Regalbrett findet sich gerade mal 25 Zentimeter über dem
Boden sicherlich nicht demografiewandelfest. Zu den Hauptnutzern zählen heute
allerdings noch Jugendliche, rund die Hälfte ist unter 18 Jahren. Für die aber
steht nicht genug Fläche zur Verfügung. »Ein großer Kommunikationsraum wäre
wichtig, auch um die jugendlichen Migranten miteinbeziehen zu können«, sagt
Pilzer.
Im
Prinzip handelt es sich bei der Zentralbibliothek immer noch um ein auf die
Bedürfnisse des Geldverkehrs zugeschnittenes Gebäude. Denn früher, vor 1978,
war die Kreissparkasse in dem Gebäude untergebracht. Vieles ist noch erhalten,
vom Tresor bis zu den dezenten, in dunkelbraun gehaltenen Stauräumen in den
ehemaligen Büros. Helmut Steiner hat früher selbst in der Kreissparkasse
gearbeitet, heute ist er Vorsitzender des Fördervereins der Stadtbibliothek.
Der ehemalige Sparkassenchef kann noch heute problemlos sein Büro
wiedererkennen, nur die Waschgelegenheit wurde demontiert.
Dabei
hat sich die Stadtbibliothek in den vergangenen Jahren gut entwickelt. Trotz
voranschreitender Indivudualisierung und Digitalisierung es kommen wieder
mehr Menschen, um sich Medien auszuleihen. Pilzer geht von 1,3 Millionen
Entleihungen für 2006 aus, ein deutlicher Anstieg. 2004 waren es nur gut eine
Millionen Entleihungen. Rund zwei Drittel der Ausleihen entfallen dabei auf die
Zentralbibliothek, der Rest entfällt auf die Bibliotheken in den Stadtteilen.
In den vergangenen Jahren nur leicht gestiegen ist die Zahl derjenigen, die über
einen Bibliotheksausweis verfügen: 2005 waren es gut 23.000 Bielefelder,
weniger als noch in den 1990er Jahren. Praktisch bedeutet dies, dass vor allem
die Zahl der Ausleihen pro Nutzer deutlich steigt.
Die
SPD nun will über die Zukunft der Stadtbibliothek beraten. Vom Tisch scheint
dabei der Umzug der Zentralbibliothek. Ansonsten ist alles offen, bis hin zur
völligen Entkernung des Gebäudes. Auch möglich: Die Stadtbibliothek wird
größer, indem freie Geschäftsflächen in der benachbarten Arkade dazugemietet
oder gekauft werden.
Gefährlicher Rost hinter der Fassade
Der
Immobilien-Service-Betrieb (ISB) der Stadt seinerseits sieht enormen
Investitionsstau. Als im vergangenen Jahr über dem Eingang an der Wilhelmstraße
anlässlich des 100-jährigen Jubiläums eine Reklame mit dem schönen Slogan Lesen,
lernen, leben aufgehängt wurde, wurden enorme Schäden an der Aussenfassade
festgestellt. Die führt nämlich inzwischen ein Eigenleben durch Korrosion: Die
Marmorplatten sind allesamt aufgehängt. Doch zwischen Marmor und Wand ist
Wasser gelaufen, die Aufhängungen sind kräftig am rosten.
Eine
Grundrenovierung veranschlagt die Architektin Monika Melchior vom ISB auf rund
3,3 Millionen Euro. Damit würden aber nur die nötigsten Dinge an der
Bausubstanz ausgebessert, wie etwa neue Stromleitungen. Weitere 1,2 Millionen
Euro würde es kosten, auch die sichtbare Bibliothek als solche aufzuwerten.
RFID für mehr Platz und weniger Personal
Pilzer
schlägt vor, künftig auf ein Selbstausleihverfahren zu setzen. Die Kunden
würden mittels RFID-Technik ihre Bücher selbst ausleihen und zurückgeben, indem
die Daten per Funk ausgelesen würden. Personal wäre dort nicht mehr nötig und
die Fläche, die für die Buchungen nötig ist, könnte erheblich verkleinert
werden. Damit wäre mehr Platz für die eigentliche Bibliothek vorhanden.
»Inzwischen gibt es akzeptierte Modelle, die nicht gleich Big Brother is
watching you bedeuten«, sagt Pilzer zur RFID-Technik, wohl wissend, das diese
in der Kritik steht, die Persönlichkeitsrechte der Bürger zu beschneiden.
Eine
moderne Bibliothek würde aber auch dauerhaft höhere Kosten nach sich ziehen.
Der Bestand müsste schließlich dem Gebäude gerecht werden. Schon seit Jahren
hat die Stadtbibliothek viel zu wenig Geld für Neuanschaffungen. Gerade mal 60
Cent pro Einwohnerkopf, viel zu wenig, um auf dem Laufenden zu bleiben. Zwar
sind in den vergangenen Jahren Personalmittel zugunsten des Erwerbungsetats
umgeschichtet worden, die Zahl der Mitarbeiter von 56 auf 50 reduziert. Doch
ohne Drittmittel, Geld das von der Sparkassenstiftung, dem Förderverein der
Stadtbibliothek und anderen Unternehmen und Vereinen kommt, sehe es düster aus.
Ein Drittel der Ausgaben für Medien kommen inzwischen aus Drittmitteln.
Perspektivisch müssten die Ausgaben der Stadt wohl von 60 Cent auf ein Euro pro
Einwohner hochgefahren werden.
Einig
waren sich die Besucher über die enorme Bedeutung der Stadtbibliothek, die
Hiltrud Böcker-Lönnendonker von der SPD-Fraktion gleich auf Platz 2 nach dem
Stadttheater setzte. Eine Frage der Perspektive, für Menschen mit wenig Geld
ist sie sicher wichtiger als das Stadttheater.
Rainer Ludwig, der kurz nach der Visite in der Stadtbibliothek aus dem
Amt schied, hatte noch ein paar allgemeine wie richtige Worte zum Abschluss
parat. Er appelierte an die Politik, das Haus nicht aus den Augen zu verlieren.
Er riet dringend sich auf den bisherigen Standort »zu versteifen« und zügig zu
Werke zu gehen und das Gebäude nicht verkommen zu lassen. Die SPD will in Sachen Stadtbibliothek die Zügel in die
Hand nehmen und Vorschläge in den Rat bringen.