- Musikalische Einstimmung für die Erstis. Foto: Norma Langohr
Von
Mario A. Sarcletti
»Same procedure as every year«, könnte das Motto der
Erstsemester-Begrüßung am vergangenen Montag in der Universität Bielefeld
gelautet haben. Der Oberbürgermeister warb wieder einmal für die Stadt, in die
es die Studienanfänger verschlagen hat: »So schlimm ist Bielefeld eigentlich
gar nicht«, schrieb Eberhard David den neuen Studierenden ins Stamm-
beziehungsweise Studienbuch. Davor hatte die Uni-Big-Band jazzige Rythmen zum
Besten gegeben, ein ziemlich sinnfreier Trickfilm schwor die Erstsemester wie
schon im vergangenen Jahr auf die Teutostadt ein. »Bielefeld, Bielefeld«,
sangen da die lustigen Trickfiguren. Auch ein Studiengangsraten bei drei
Studierenden stand wie schon im vergangenen Jahr - auf dem Programm.
Nachdem Eberhard David die neuen Studierenden für die
Teutostadt zu begeistern versuchte, übte sich Rektor Dieter Timmermann darin,
ihnen die spröde Architektur der Universität schmackhaft zu machen. »Wir
befinden uns hier eher in einer Denkfabrik«, erklärte Timmermann den
Erstsemestern und lobte vor allem die zentrale Halle. »Wir nennen sie auch
Halle des Volkes«, sagte der Rektor. Er pries auch die umstrittenen Bachelor-
und Masterstudiengänge, die den Studierenden sehr genau Stundenpläne mit
Anwesenheitspflicht vorgeben: »Von
Kritikern wird gesagt, das sei ein verschultes Studium, ich sage immer: Es ist
ein strukturiertes Studium«, erklärte Timmermann den Erstsemestern.
Timmermann ging im Gespräch mit Moderator Andreas Liebold
auch auf das Thema ein, das der Hochschulleitung im Vorfeld der
Erstsemesterbegrüßung Sorgen bereitet hatte, die Studiengebühren. Sie
befürchtete, dass Gebührengegner die Veranstaltung für Proteste nutzen könnten.
Denn eigentlich war die Veranstaltung eben nicht »same procedure as every
year«. Schließlich sind diejenigen, die sich am Montag im Audi Max der Universität
versammelten, die erste Studierendengeneration seit den 60er Jahren, die für
ein Studium tief in die Tasche greifen muss. 500 Euro pro Semester müssen die
Erstsemester dafür bezahlen, eine akademische Ausbildung zu bekommen. »Wir
werden mit dem Geld eine ganze Reihe von Dingen verbessern«, versprach
Timmermann und die Neustudenten schwiegen.
AStA redet Klartext
Erst als die Vorsitzenden des Allgemeinen
Studierendenausschusses (AStA), Inga Müller und Jan Binder, erklärten, dass der
Kampf gegen die Gebühren auch nach der Senatsentscheidung für die Gebühren vom
12. Juli weitergeht, regte sich zurückhaltender Protest gegen die Gebühren in
Form von zögerlichem Applaus. »Der Kampf gegen Studiengebühren ist in eine neue
Phase getreten«, erklärte Jan Binder den Erstsemestern, berichtete von den
Klagen zweier studentischer Senatoren gegen die Senatsentscheidung, zu der sie
von Mitarbeitern des Wachdienstes nicht zugelassen wurden (WebWecker
berichtete).
Binder wies im Zusammenhang mit der Klage auch darauf hin,
dass gegen den Gebührenbescheid Widerspruch eingelegt werden muss. Ansonsten
gibt es auch dann kein Geld zurück, wenn die Klagen Erfolg haben. Denjenigen,
deren Widerspruchsfrist von vier Wochen bereits abgelaufen ist, erläuterte der
AStA-Vorsitzende, dass der AStA ihnen gerne Widerspruchsformulare nach Hause
geschickt hätte. »Aber das wurde uns vom Rektorat untersagt mit der Begründung,
dass das schlecht für das Image der Uni wäre«, beschrieb Jan Binder
diesbezügliche Gespräche mit der Hochschulleitung. Die hatte sich immerhin dazu
bewegen lassen, den Erstsemestern einen Hinweis zukommen zu lassen, der über
die erforderliche Rechtsbelehrung hinausging.
Angesichts der passiven Haltung der neuen Studierenden zu
dem Thema, das sehr direkt in ihr Leben eingreift, dürfte der Appell Inga
Müllers für Engagement in der Universität wohl eher ungehört verhallen. Die sei
auch ein Lebensraum, der mitgestaltet werden könne, hatte die AStA-Vorsitzende
den neuen Kommilitonen mit auf ihren akademischen Weg gegeben. Vielleicht liegt
der Mangel an Protest auch daran, dass diejenigen, die sich wegen der
Studiengebühren gegen ein Studium entschieden haben, naturgemäß gar nicht bei
der Veranstaltung zugegen waren. Denn die Zahl der Erstsemester sank an der
Universität um sechshundert gegenüber dem Vorjahr. Nur 1900 Erstsemester gibt
es in diesem Jahr, und die scheinen die Studiengebühren hingenommen zu haben.
Der Rückgang der Neueinschreibungen liegt über dem landesweiten Trend. Zum
Wintersemester brach die Zahl der Studienanfänger in Nordrhein-Westfalen »nur«
um 5,3 Prozent ein.