Webwecker Bielefeld: Stille Studienanfänger (18.10.2006)

Stille Studienanfänger (18.10.2006)



Musikalische Einstimmung für die Erstis. Foto: Norma Langohr

Von Mario A. Sarcletti

»Same procedure as every year«, könnte das Motto der Erstsemester-Begrüßung am vergangenen Montag in der Universität Bielefeld gelautet haben. Der Oberbürgermeister warb wieder einmal für die Stadt, in die es die Studienanfänger verschlagen hat: »So schlimm ist Bielefeld eigentlich gar nicht«, schrieb Eberhard David den neuen Studierenden ins Stamm- beziehungsweise Studienbuch. Davor hatte die Uni-Big-Band jazzige Rythmen zum Besten gegeben, ein ziemlich sinnfreier Trickfilm schwor die Erstsemester wie schon im vergangenen Jahr auf die Teutostadt ein. »Bielefeld, Bielefeld«, sangen da die lustigen Trickfiguren. Auch ein Studiengangsraten bei drei Studierenden stand – wie schon im vergangenen Jahr - auf dem Programm.

Nachdem Eberhard David die neuen Studierenden für die Teutostadt zu begeistern versuchte, übte sich Rektor Dieter Timmermann darin, ihnen die spröde Architektur der Universität schmackhaft zu machen. »Wir befinden uns hier eher in einer Denkfabrik«, erklärte Timmermann den Erstsemestern und lobte vor allem die zentrale Halle. »Wir nennen sie auch Halle des Volkes«, sagte der Rektor. Er pries auch die umstrittenen Bachelor- und Masterstudiengänge, die den Studierenden sehr genau Stundenpläne mit Anwesenheitspflicht  vorgeben: »Von Kritikern wird gesagt, das sei ein verschultes Studium, ich sage immer: Es ist ein strukturiertes Studium«, erklärte Timmermann den Erstsemestern.

Timmermann ging im Gespräch mit Moderator Andreas Liebold auch auf das Thema ein, das der Hochschulleitung im Vorfeld der Erstsemesterbegrüßung Sorgen bereitet hatte, die Studiengebühren. Sie befürchtete, dass Gebührengegner die Veranstaltung für Proteste nutzen könnten. Denn eigentlich war die Veranstaltung eben nicht »same procedure as every year«. Schließlich sind diejenigen, die sich am Montag im Audi Max der Universität versammelten, die erste Studierendengeneration seit den 60er Jahren, die für ein Studium tief in die Tasche greifen muss. 500 Euro pro Semester müssen die Erstsemester dafür bezahlen, eine akademische Ausbildung zu bekommen. »Wir werden mit dem Geld eine ganze Reihe von Dingen verbessern«, versprach Timmermann und die Neustudenten schwiegen.

AStA redet Klartext

Erst als die Vorsitzenden des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA), Inga Müller und Jan Binder, erklärten, dass der Kampf gegen die Gebühren auch nach der Senatsentscheidung für die Gebühren vom 12. Juli weitergeht, regte sich zurückhaltender Protest gegen die Gebühren in Form von zögerlichem Applaus. »Der Kampf gegen Studiengebühren ist in eine neue Phase getreten«, erklärte Jan Binder den Erstsemestern, berichtete von den Klagen zweier studentischer Senatoren gegen die Senatsentscheidung, zu der sie von Mitarbeitern des Wachdienstes nicht zugelassen wurden (WebWecker berichtete).

Binder wies im Zusammenhang mit der Klage auch darauf hin, dass gegen den Gebührenbescheid Widerspruch eingelegt werden muss. Ansonsten gibt es auch dann kein Geld zurück, wenn die Klagen Erfolg haben. Denjenigen, deren Widerspruchsfrist von vier Wochen bereits abgelaufen ist, erläuterte der AStA-Vorsitzende, dass der AStA ihnen gerne Widerspruchsformulare nach Hause geschickt hätte. »Aber das wurde uns vom Rektorat untersagt mit der Begründung, dass das schlecht für das Image der Uni wäre«, beschrieb Jan Binder diesbezügliche Gespräche mit der Hochschulleitung. Die hatte sich immerhin dazu bewegen lassen, den Erstsemestern einen Hinweis zukommen zu lassen, der über die erforderliche Rechtsbelehrung hinausging.

Angesichts der passiven Haltung der neuen Studierenden zu dem Thema, das sehr direkt in ihr Leben eingreift, dürfte der Appell Inga Müllers für Engagement in der Universität wohl eher ungehört verhallen. Die sei auch ein Lebensraum, der mitgestaltet werden könne, hatte die AStA-Vorsitzende den neuen Kommilitonen mit auf ihren akademischen Weg gegeben. Vielleicht liegt der Mangel an Protest auch daran, dass diejenigen, die sich wegen der Studiengebühren gegen ein Studium entschieden haben, naturgemäß gar nicht bei der Veranstaltung zugegen waren. Denn die Zahl der Erstsemester sank an der Universität um sechshundert gegenüber dem Vorjahr. Nur 1900 Erstsemester gibt es in diesem Jahr, und die scheinen die Studiengebühren hingenommen zu haben. Der Rückgang der Neueinschreibungen liegt über dem landesweiten Trend. Zum Wintersemester brach die Zahl der Studienanfänger in Nordrhein-Westfalen »nur« um 5,3 Prozent ein.