Von Manfred Horn
Der Förderverein der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher
Arbeitslosengruppen (KOS) feiert seinen 20. Geburtstag. Lange hat es gedauert,
bis die Gewerkschaften in Arbeitslosen eine Zielgruppe entdeckten und die
Wechselwirkungen zwischen der Zahl der Arbeitslosen und den Möglichkeiten der
Gewerkschaften, bessere Tarife durchzusetzen, begriffen. Heute vernetzt die KOS
460 gewerkschaftlich-orientierte Arbeitslosengruppen bundesweit.
Am vergangenen Mittwoch bei der Jahrestagung der KOS im
Jugendgästehaus in Bielefeld wurde dann auch ein bisschen gefeiert. Dass die
Tagung in Bielefeld stattfand, war nicht ohne Grund: Denn bis vor drei Jahren
war KOS im DGB-Haus in der Marktstraße angesiedelt. Die Geschichte der KOS
beginnt 1982. Zwei Millionen Arbeitslose hatte die damalige Bundesrepublik.
Haberbeck, eine große Druckerei in Lage, machte dicht. 270 Leute werden
entlassen, nur 80 Beschäftigte landen in einer Auffanggesellschaft, der große
Rest steht auf der Straße. Die damalige IG Druck und Papier, die später zur IG
Medien wurde und heute in ver.di aufgegangen ist, machte mobil: In Lage
demonstrierten die Beschäftigten, trugen gar einen Sarg durch die Straßen vors
Rathaus. »Am Tag der Demonstration gründeten wir eine gewerkschaftliche
Arbeitsloseninitiative«, erinnert sich Holger Menze, damals Leiter der IG Druck
Bildungsstätte in Lage-Hörste und heute Referatsleiter bei der ver.di
Bundesvorstandsverwaltung.
In der Friedenseiche wuchs die Unruhe
Viele Familien in Lage waren damals betroffen, neue
Arbeitsplätze waren rar. Wöchentlich traf man sich in der in der Dorfkneipe
Friedenseiche. Die Unruhe nahm nicht ab. Schnell kam die Frage auf: Wie gehen
eigentlich andere damit um? Damals gab es bereits um die 100
Arbeitsloseninitiativen bundesweit. Der Grad der Vernetzung allerdings war
gering, 1983 fand immerhin ein erster Bundeskongress statt. Gewerkschafter waren
dabei, Gewerkschaften als Organisationen aber zeigten wenig Interesse. »Ganze
Belegschaften sind auf die Straße gesetzt worden. Aus den Arbeitseinheiten
wurden dann Erwerbsloseninitiativen«, erinnert sich Menze. Häufig mit den
ehemaligen Betriebsräten an der Spitze. Der DGB hingegen hielt daran fest, die
Interessen derjenigen zu vertreten, die noch in Lohn und Brot waren. »Der
letzte Erwerbslosenkongress der Gewerkschaften datierte auf 1951«, weiß Menze.
Die Erwerbslosengruppe in Lage war die Keimzelle für eine
gewerkschaftliche Vernetzung. Menze trieb sie von der Bildungsstätte in
Lage-Hörste aus voran. Er lud bundesweit ein. Von 50 Initiativen erschienen
Mitglieder, das Haus war mit 120 Gästen überbelegt. »Die schliefen damals sogar
im Keller«, erinnert sich der ehemalige Hausleiter. Eine Woche lang wurde
heftig diskutiert, und die Koordinierungsstelle geboren. Wie damals üblich,
ging es erst mal darum, eine ABM-Stelle zu bekommen. Uwe Kantelhardt, damals
frisch mit seinem Soziologiestudium an der Uni Bielefeld fertig, wurde als
Zivildienstleistender des Hauses in Lage-Hörste damit beauftragt, die Struktur
zu entwickeln. Das wichtigste Ergebnis war der Förderverein, der 1986 ins Leben
gerufen wurde.
Heute finanziert sich die Koordinierungsstelle neben
Mitgliedsbeiträgen und Spenden vor allem durch DGB-Geld. In den 1980ern waren
es vor allem die IG Druck und Papier und die IG Metall, die als erste Geld
gaben. Die Finanzierung blieb über all die Jahre wackelig, 2002 kam es gar zu
einer ausgewachsenen Krise, als die öffentlichen Mittel ausliefen. 2003 dann
zog das Büro von Bielefeld, wo es von 1991 bis 2003 angesiedelt war, nach
Berlin. Die Themen sind KOS auch in Berlin nicht ausgegangen der Glaube an
Vollbeschäftigung, der noch in den 1980ern existierte, zwischenzeitlich
vollkommen verloren gegangen. Seit 2003 ist das Arbeitslosengeld-II (Alg-II)
ein Dauerbrenner. Aktuell plant die KOS eine Kampagne mit dem Titel »Einkommen
zum Auskommen«. Ein deutlich höheres Alg-II soll durchgesetzt werden, das
»wirksam vor Armut schützt«.
»Bei jeder Tarifrunde sitzt die Arbeitslosigkeit mit am Tisch«
Neben Holger Menze gratulierte Annelie Buntenbach am
vergangenen Mittwoch der KOS. Die Bielefelderin im DGB-Bundesvorstand steht für
die Verbindung der Gewerkschaften zu sozialen Bewegungen. »Früher wurden in den
Diskussionen Arbeitsplatzbesitzer und Arbeitslose gegeneinander ausgespielt,
als wenn sie nichts miteinander zu tun hätten«, berichtet sie. Dabei könne
jeder jederzeit arbeitslos werden. Jedes zehnte Gewerkschaftsmitglied ist heute
arbeitslos.
Politisch sitzt die Arbeitslosigkeit bei jeder Tarifrunde
mit am Tisch, sagt Buntenbach. Mehr Arbeitslose bedeuteten mehr Möglichkeiten
zum Lohndumping, da die Arbeitgeber mit den Arbeitslosen drohen können, die für
weniger Geld das gleiche machen könnten wie die Beschäftigten. »Die
Notsituation der Arbeitslosen wird da missbraucht«, sagt Buntenbach. Seit Hartz
IV sei das Verständnis in den Gewerkschaften aber größer geworden. Hier leiste
die Koordinierungsstelle eine wichtige Arbeit. Buntenbach weiß, das nur der
Austausch mit den Betroffenen dafür sorgt, dass diese nicht länger als Objekt
sondern als Subjekt wahrgenommen werden.
Mehr Informationen: http://www.erwerbslos.de