Von
Mario A. Sarcletti
Zu den Neonaziaufmärschen in Bielefeld, Gütersloh und Minden
am vergangenen Samstag kann man nur sagen: Dumm gelaufen. Denn so richtig
gelaufen sind die Rechtsextremen nicht. In Bielefeld waren sie vier Stunden
nach Demobeginn gerade einmal zweihundert Meter weit gekommen, in Gütersloh
schafften sie immerhin die Hälfte der bereits von der Polizei halbierten
Marschroute und in Minden gab es einen Umzug um den Block, der dann an einem
Schrottplatz endete.
Dass die Rechtsextremen nicht wie geplant »Gegen Sozialabbau
und Rentenklau, für einen Nationalen Sozialismus« marschieren konnten, lag zum
einen an Blockaden von Demokraten, die die geplanten Aufmarschrouten
blockierten. In Bielefeld blockierten gut fünfhundert Menschen den Weg an der
Ecke Schildescher Straße/Herforder Straße, etwa zweihundert Antifaschisten
machten die Alternativroute Richtung Sudbrackstraße dicht.
Zum anderen sorgte eine besonnene, deeskalierende
Einsatzstrategie des Bielefelder Polizeipräsidiums dafür, dass die Neonazis
nicht wie gewünscht ihre Propaganda in die Städte tragen konnten. Eine Räumung
der Blockaden wäre schwierig und unverhältnismäßig gewesen. Vor allem eine
Räumung der Bahnunterführung an der Schildescher Straße wäre aufgrund der
örtlichen Gegebenheiten sicherlich problematisch gewesen. Darüberhinaus waren
weitere Blockaden von Anwohnern der August-Bebel-Straße zu erwarten, an der
zudem noch das Umweltzentrum, das Welthaus und das Islamische Zentrum liegen.
Dass die Rechtsextremen überhaupt durch die Unterführung
mussten, liegt auch daran, dass um 9 Uhr eine Mahnwache an dem Mahnmal vor dem
Hauptbahnhof für die über Bielefeld deportierten Juden stattfand. »Indem wir
hier auf dem Platz stehen, sorgen wir schon dafür, dass die Neonazis für ihren
Aufmarsch nicht aus dem Haupteingang des Bahnhofs stolzieren können«, erklärte
denn auch Annelie Buntenbach vom DGB-Bundesvorstand in einer Rede. »Jetzt
müssen sie sich durch den Hinterausgang verdrücken«, freute sich die
Bielefelderin. Den Nazis gehe es nicht um soziale Gerechtigkeit, die sei
lediglich ein Vehikel um Rassismus, Deutschtum, Volksgemeinschaft zu
propagieren stellte sie klar. »Wenn sie von Gerechtigkeit reden, gilt: Nur für
Deutsche«, fügte Buntenbach hinzu. »Wir dürfen die Nazis mit ihrer
Sozialdemagogie nicht durchkommen lassen«, forderte sie. Am Samstag gelang das
in Ostwestfalen im wahrsten Sinne des Wortes.
Während sie sprach, versammelten sich die ersten
Rechtsextremen auf Bahnsteig 8 am Bielefelder Hauptbahnhof. Eigentlich war das
Treffen für 10 Uhr geplant, etliche Teilnehmer des rechten Aufmarsches trafen
aber erst eine Stunde später ein. Für eine weitere Verzögerung sorgte die
Tatsache, dass einige der Ordner wegen Vorstrafen von der Polizei nicht
akzeptiert wurden. So standen etwa 150 Neonazis bis kurz nach zwölf vor dem
Neuen Bahnhofsviertel. Unter ihnen der Hamburger Christian Worch, der den
Lautsprecherwagen stellte, und die Bielefelder Kameradschaftsführer Meinhard
Otto Elbing und Bernd Stehmann. Die drei hoben den Altersschnitt der Kameraden
beträchtlich an, die meisten Teilnehmer waren zwischen zwanzig und dreißig oder
jünger.
Werbung für kriminelle Vereinigung
Sie waren großteils männlich und
ohne Haare. Die T-Shirts, oder T-Hemden wie es in diesen Kreisen heißt, zeugten
von ihrer Gesinnung. Ein Teilnehmer zeigte seine Verbundenheit zur Band Landser,
die als erste Musikgruppe wegen »Bildung einer Kriminellen Vereinigung«
verurteilt wurde. Andere wie etwa Stehmann - präsentierten T-Shirts der Band
»Skrewdriver«, deren Sänger die in Deutschland verbotene »Blood and Honor«
Bewegung gründete. Auch ihrer Begeisterung für die Band »Störkraft« verliehen
einige Teilnehmer Ausdruck. Die Rückseite dieses T-Shirts mit einem Textauszug
der Band musste aber mit Jacken beziehungsweise Rucksack bedeckt werden.
Zu Beginn der Demonstration übte
Alexander Hohensee aus Hamburg populistische Rhetorik. Da ging es um
»Politikerdarsteller«, die sich nur selbst bereichern und Kredite in New York
aufnehmen würden, um die Zinsen für Altschulden zu bezahlen. Er sprach vom
»verdummten Volk«, das das zuließe und von verhungernden deutschen Familien.
Zum Schluss seiner Rede machte Hohensee aber klar, worum es ihm und seinen
Gesinnungsfreunden wirklich geht. »Es gibt nur eine einzige Alternative: Das
ganze politische System muss weg, das ganze System BRD muss ausgetauscht werden«,
sagte er. Welches System den Nazis stattdessen vorschwebt, machte bereits das
Motto der Demonstration klar. »Für einen Nationalen Sozialismus« wollten die
Rechtsextremen ja auf die Straße gehen.
Kurz nachdem der braune Haufen losmarschiert war, wurde er
von der Polizei auch schon wieder gestoppt, da eine verbotene Parole skandiert
wurde. Nach weiteren 100 Metern wurde der Zug wegen der Blockaden erneut
gestoppt. Während die Polizeiführung das weitere Vorgehen beriet, warteten die
Rechten auf der Straße zwischen einer Brachfläche und der Bahnlinie in der
prallen Sonne. So manchen Kameraden verließen da die Kräfte, sodass die
Demonstration eher nach einem Sit-in aussah.
Gegen vierzehn Uhr beendete der Versammlungsleiter Christian
Menzer die trostlose Vorstellung, der Demozug machte kehrt und marschierte
zurück zum Hintereingang des Bahnhofs. Auf dem Rückweg vermummten sich noch
einige Neonazis mit ihren Palästinensertüchern, die Polizei wertete dies als
eine Straftat und forderte per Lautsprecher die Nazis auf sich zu entmummen. Am
Ishara traf die Gruppe schließlich noch auf einige Gegendemonstranten, die
lautstark ihre Ablehnung bekundeten. Die ohnehin schon gefrusteten Nazis
wollten die Antifaschisten angreifen, was zu Handgreiflichkeiten mit
Polizeibeamten führte. Schließlich wurden die Neonazis in zwei Gruppen zu den
Zügen Richtung Gütersloh und Minden geführt.
Zielort Schrottplatz
Aber auch in diesen beiden Städten vermasselten ihnen
Demokraten den Tag. In Minden, wo auch die Stadt eine Demonstration gegen
Rechts organisiert hatte, war es Nazigegnern gelungen in das Gebiet des
Naziaufmarschs einzusickern. Da die Polizei so die Sicherheit der rechten
Demonstranten nicht gewährleisten konnte, mussten die auf eine Alternativroute.
Da ging es einmal um den Block, bevor das Aufmärschchen an einem Schrottplatz
endete.
In Gütersloh, auch hier riefen ein breites Bündnis und die
Bürgermeisterin zu Protesten auf, waren es vor allem Schüler, die die
Aufmarschroute blockierten. Auch hier sah es die Polizei als unverhältnismäßig
an, mit Gewalt die Blockade zu räumen. Wie in Bielefeld standen die Nazis
längere Zeit in der Gegend herum, hörten ihre seltsame Musik und schwangen
Reden.
Ein Redner - da er so schrie war er nur schwer zu verstehen
- behauptete »in Bielefeld aufmarschiert« zu sein. Er räumte jedoch selbst ein,
dass der Aufmarsch eher ein Stillstand war und drohte: »Wenn wir unseren
Protest nicht auf die Straße tragen können, dann werden wir die
Saalveranstaltungen von Gewerkschaften, Parteien und Kirchen aufsuchen«. Dort
seien nur um die fünfzig Besucher und keine Polizei. Außerdem werde man
Rechtsmittel gegen das Verhalten der Polizei einlegen. Gegen 18 Uhr gingen die
Neonazis zurück zum Bahnhof, wo sie von Gegendemonstranten lautstark
»verabschiedet« wurden.
Rechtliche Schritte gegen das Verhalten der Polizei will
auch das »Büro für ungewöhnliche Maßnahmen« einlegen. Dass hatte Linke zur
Teilnahme an der Demonstration gegen Sozialabbau und Rentenklau aufgefordert,
da dies doch originär linke Themen seien und den Nazis das Thema »pupsegal«
sei, wie es in einem Aufruf hieß. Die Strategie orientiert sich daran, dass vor
allem in Ostdeutschland immer wieder Neonazis zum Teil mit Unterstützung der
Polizei an Montagsdemos teilnehmen. Der Anmelder der Nazidemo, Christian Menzer,
hatte daraufhin sogar eine Einladung an das »Büro« im Internet publiziert. Die
Polizei wollte die Linken aber nur zur Demonstration lassen, wenn die vorher
ihre Personalien abgeben und diese Christian Menzer vorgelegt werden. Das
wollten die dann aber doch nicht.