Webwecker Bielefeld: Erweiterung der Sinne (20.09.2006)

Erweiterung der Sinne (20.09.2006)



Die Infotafel wurde schon mal eingeweiht: (v.l.n.r.) Melanie Plößer (Pädagogische Leitung) Mohammed el Habib Ouali, Gerald Hettmann, Eberhard David


Von Manfred Horn

Hasenweitsprung, Summstein, Barfusspfad: Es geht um Sinneserweiterung. Das passt irgendwie auch thematisch zur Drogenberatung, die normalerweise allerdings eher mit den negativen Folgen von Sinneserweiterung durch Drogen zu tun hat. Nun aber errichtet der Verein Drogenberatung in Bielefeld einen Sinnespfad am Obersee. Am vergangenen Mittwoch wurden die ersten Objekte vor Ort eröffnet.

Im Mittelpunkt des Projektes stehen die Beschäftigten. Allesamt Menschen, die als Konsumenten von harten Drogen bei der Drogenberatung schon mal Hilfe suchten. Im dem Projekt mit dem Namen »Erfahrungswerte« arbeiten zwölf Langzeitarbeitslose, der größte Teil von ihnen wird zur Zeit substituiert. Der geregelte Arbeitstag soll ihnen Struktur geben und sie sollen eine gewisse Freude an der Arbeit entwickeln. Die 25 bis 55-jährigen sollen schließlich in den ersten Arbeitsmarkt reintegriert werden. Ob das nach Ablauf des Projektzeitraums im Juli 2007 gelingt, steht allerdings in den Sternen.

Auch Mohammed el Habib Ouali hat eine Drogenkarriere hinter sich, die sein Leben fast zerstörte. Nun steht er neben Oberbürgermeister Eberhard David und pflückt mit ihm gemeinsam das rote Tuch von der Infotafel, die für künftige Nutzer den Sinnespfad erklärt. Er ist froh, dabei zu sein und fasst neuen Mut: »Vielleicht kann ich nach diesem Projekt mein Studium fortsetzen«. Hergestellt werden die Objekte für den Sinnespfad, der bei seiner Fertigstellung bis zum Juli 2007 zehn Stationen umfassen soll, in einem angemieteten ehemaligen Ladengeschäft in der Petristraße. Dort wird gebohrt und gehämmert. Extra für das Projekt eingestellt wurde Gerald Hettmann, ein Arbeitspädagoge. Er leitet die sechs Männer und Frauen an. Schließlich müssen die Dinge tun, die ihnen vorher fremd waren: Wie macht man aus Baumstämmen ein klingendes Holzxylophon? Die Experten von ›Marimba‹, einem Bielefelder Geschäft, das Musikinstrumente baut, wurden hinzugezogen. Die Töne entstehen, wenn die Stämme an einer Seite in unterschiedlichem Maße ausgesägt werden. Zwei Teilnehmer durften sägen, sie haben jetzt auch einen Motorsägenschein. Weitere Aufgaben warten: Wie bringt man einen riesigen Stein zum Summen?


Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds

Bei dem Projekt handelt es sich nicht um reguläre Arbeitsplätze, sondern um Ein-Euro-Jobs. Das heißt, zu dem Arbeitslosengeld-II kommt nur eine geringe Aufwandsentschädigung. So führt die Drogenberatung das Projekt in Kooperation mit der Rege (Regionale Personalentwicklungsgesellschaft) und Arbeitplus durch, die in Bielefeld für ALG-II-Empfänger von Amts wegen zuständig sind. Die Mittel stammen vor allem aus dem Europäischen Sozialfonds. »Man kann über Hartz IV unterschiedlicher Meinung sein«, gesteht Michael Wiese, Geschäftsführer der Drogenberatung, zu. »Aber wir können Maßnahmen akquirieren, die uns vorher nicht möglich gewesen sind«, fügt er an. Seit einigen Jahren bietet die Drogenberatung immer mal wieder Beschäftigungsprojekte an, angefangen mit einer Kooperation mit BAJ im Jahr 1999. Damals schafften zehn von 20 Teilnehmern Berufsabschlüsse, eine gute Quote.


Wanderführer in Planung

Die Projektteilnehmer arbeiten aber nicht nur an dem Sinnespfad. Zeitgleich soll ein Wanderführer entstehen. Hier sind dann eher redaktionelle Tätigkeiten gefragt. Mit dem sollen Interessierte sagenhafte und mythische Orte rund um den Teutoburger Wald erlaufen können. Für die Vermarktung des Sinnes- und des Wanderpfades will Bielefeld Marketing sorgen. Die Drogenberatung hofft nun, dass das Projekt auch über Juli 2007 hinausgeht. Schließlich muss der Sinnespfad auch gepflegt. Alles in allem ist Michael Wiese zuversichtlich. Er hofft jetzt noch auf weitere Sponsoren: »Wir brauchen vor allem die Materialien für den Sinnespfad billiger«. Oberbürgermeister Eberhard David jedenfalls hat sich schon als Fan geoutet und das Holzxylonphon ausprobiert. Für ihn trägt das Projekt zur Attraktivität des Obersees bei.

 

Die Bielefelder Drogenberatung im Netz: http://www.drogenberatung-bielefeld.de



Über solch bunt bemalte Stelzen sollen künftig Besucher des Obersees balancieren können