Cars
Von
Harald Manninga
Dies wäre jetzt der letzte Film gewesen, den die
Pixar-Studios vertragsgemäß an den Disney-Verleih hätten abliefern müssen, wäre
Pixar nicht Anfang des Jahres einfach vom Disney-Konzern aufgekauft worden. Was
immer das nun für die Zukunft heißen mag. Für diesen Film jedenfalls hieß und
heißt das, dass man ihn noch in relativer Unabhängigkeit produzieren konnte.
Und wie seit »Findet Nemo«, »Monster AG« und dergleichen Knüllern kaum anders
zu erwarten, kommt mit »Cars« wieder ein Animationsfilm von Qualität in die
Kinos.
Die Erwartungen an den Film waren ja nicht eben niedrig.
Insbesondere nachdem Pixars letzter Film, die Superhelden-Geschichte um »Die
Unglaublichen«, doch ein bisschen hinter den Erwartungen, zumindest in der
Publikumsgunst, zurückgeblieben war. »Cars« versprach allein wegen der auch für
Pixar-Verhältnisse ungewöhnlichen Idee, diesmal völlig ohne quasi
natürlicherweise »beseelte« Wesen auszukommen, sondern die Welt allein von
Autos belebt sein zu lassen, etwas gänzlich Neues. Das sorgte hie und da im
Vorlauf für Skepsis: Sowas kann eigentlich nicht funktionieren... Denn
so sehr Autos, gerade auch Rennautos, für manche Leute ein Lieblingskind sind,
an die Knuddeligkeit von plüschigen Monstern oder die abenteuerliche
Faszination, die von Fischen im Ozean oder von einem Ameisenstaat ausgeht,
reichen Autos nicht so leicht ran. Eine große Herausforderung für Regisseur
John Lasseter und vor allem die Drehbuch-Crew um den relativ unbekannten Dan
Fogelman.
Aber doch, das kann gehen! Wenn man daraus sowas wie ein
Roadmovie macht. Was ja bei Autos als Darstellern nahezuliegen scheint, aber
darauf muss man trotzdem auch erstmal kommen.
Die Geschichte
Lightning McQueen ist ein rotglänzender Neuling unbekannter
Marke im Renngeschäft, der es sich zum Ziel gesetzt hat, als jüngstes Rennauto
in der Geschichte den »Piston Cup« und damit ohne Ende Ruhm, Mädels und
Sponsorengelder für sich zu gewinnen. Es sieht auch sehr gut für ihn aus, die
Herzen des Publikums hat er als ehrgeiziger Außenseiter jedenfals schon mal auf
seiner Seite, wenn er auf der Rennbahn auftaucht. Auf dem Weg zum alles
entscheidenden Rennen gerät er in die Irre und vom »Interstate Highway 40« ab
auf die zwar immer noch legendäre aber inzwischen sehr runtergekommene »Route
66«. Dabei landet er im noch runtergekommeneren Städtchen Radiator Springs,
also wirklich ganz, aber auch ganz mitten im Nichts. Bei dem
spektakulären Crash, den er bei seiner Ankunft dort hinlegt, zerstört er die
ohnehin schon löchrige Hauptstraße des Örtchens auf mehrere hundert Meter
komplett und wird vom Dorfrichter Doc Hudson dazu verurteilt, diese Schäden
wieder zu reparieren.
Natürlich schmeckt das diesem verwöhnten, arroganten
Star-Jüngelchen überhaupt nicht, denn hier in der hinterletzten weltvergessenen
Ecke der amerikanischen Wüste leben ja außerdem nur blöde Hinterwäldler (sofern
man in der Wüste von Wald sprechen kann). Abgesehen vielleicht von der
Anwältin, der hübschen, geradezu mondän wirkenden Sally Carrera, ein Porsche
911, der/die sich hierher zurückgezogen hat, um ein Motel zu betreiben. Und der
Dorfmechani- äh: Dorfarzt Doc Hudson, der ja zugleich der Dorfrichter
von Radiator Springs ist, hat auch mehr unter der Haube, als es zunächst
scheinen will.
Eine Woche in einer für ihn ganz unbekannten Umgebung und
mit völlig erniedrigenden Aufgaben macht aus Lightning McQueen ein ganz neues
Auto, das fürderhin weiß, worauf es im Leben wirklich ankommt.
Durchaus, aber...
So gelungen der Film aufs Ganze gesehen sein mag, hat er
doch einiges an Schwächen zu zeigen. Die o.g. Skepsis nach den ersten
Ankündigungen war also nicht ganz unangebracht, wenn auch aus teilweise anderen
Gründen.
Denn die Geschichte, die hier erzählt wird, ist soweit wirklich
sehr hübsch, und es mangelt auch nicht an guten Pointen. (Darunter viele
Selbstzitate: So sind etwa die Autoreifen und irgendwelche Werbezeppeline hier
von »Lightyear«... Diese Dinge muss man aber nicht unbedingt zur Gänze
verstehen, selbst solche Witze wirken meist gut genug für sich, man muss also
nicht alle Pixar-Werke auswendig kennen, um sich dadurch amüsiert zu fühlen.)
Die Charaktere sind sehr liebevoll ausgearbeitet und meist sogar recht
glaubhaft. So recht fesseln will das Ganze aber nicht.
Auch die Technik ist mal wieder auf höchstem Stand. Z.B.
haben die Pixar-Leute hier zum ersten Mal mit einer Methode namens »ray
tracing« gearbeitet, die es erlaubt, Lichtwirkungen und Spiegelungen besonders
realistisch darzustellen. Daher glänzt dann der Autolack besonders glänzend und
es spiegelt und blitzt auch sonst immer wieder sehr beeindruckend. Jedenfalls
an den polierten Boliden, aber es gibt ja auch reihenweise Rostkutschen,
deren mangelnder Glanz durch diesen Kontrast nur umso deutlicher zu Tage tritt.
Nicht zu reden von Tiefen und Schärfen, die durch diesen Kniff auch mal einer
simplen Straßenfunzel und einer eigentlich an der einzigen Dorfkreuzung
herzlich überflüssigen Verkehrsampel verliehen wird. Oder von
Schattenwirkungen, die wahrscheinlich ihresgleichen suchen.
Trotzdem zieht sich manches in diesem Film einfach zu sehr.
Das äußert sich vor allem in unschönen Längen, die durch die Darstellung der
Autorennen erzeugt werden. Man könnte ja argumentieren, dass Liebhaber von
Autorennen eben ohne Ende Vergnügen an langwierigem Imkreisfahren ihrer Helden
haben! Und die vielen »gefährlichen« Kameraeinstellungen im Blick von vorne auf
die heranrasenden Rennwagen haben durchaus was. Aber irgendwann ist es eben für
Leute, denen das nicht soviel Spaß macht, auch mal genug mit dem Lokalkolorit
vom Rand der Rennbahn. Vor allem: Die Geschichte wird durch solche Rennszenen
nicht vorangebracht.
Und so sehr man sich offensichtlich bemüht, aus diesem
Animationsstück nicht allzusehr eher was für Jungs zu machen
was ohnehin schwer ist, denn Mädchen fanden immer schon Trickfilme nicht
ganz so attraktiv wie Jungs gelingt hier der Schritt zum »Film für die
ganze Familie« nicht so gut, wie er etwa bei »Findet Nemo« oder auch der
»Monster AG« herzustellen war. Dafür fehlt es den animierten, also belebten
Autos am Ende doch etwas zu sehr an Seele.
Nicht zuletzt die Wandlung des Helden vom ziemlichen
Quadrata*schloch hin zu einem geläuterten Rennauto, das die gutnachbarliche
Beschaulichkeit der amerikanischen Provinz zwischen gescheiterten Rostlauben
und entsprechende Hilfsbereitschaft und dergleichen zu schätzen lernt, statt
auf Geld, Ruhm und sowas gesteigerten Wert zu legen, ist denn doch ein bisschen
dicke und auch in dieser Fantasiewelt nicht recht glaubwürdig. Das spielt schließlich alles in den USA, gelle?! Die Pixar-Leute waren
früher auch schon mal frecher, was sowas angeht, und der Mangel an solcher Frechheit trübt in diesem Fall das Bild denn doch ein bisschen.
Ein echtes Glanzstück dagegen sind in der deutschen Version:
Die deutschen Stimmen
»Doc Hudson« z.B. wird gesprochen von Friedrich Schoenfelder
(im Original von Paul Newman). Und das allein ist ein Schmuckstück besonderer
Art, denn Schoenfelder hat nicht nur am 17. Oktober Geburtstag und wird dann dies Jahr 90 (!)
Jahre alt. Seine grandiose Stimme klingt zudem so satt, sonor, humorvoll und väterlich wie
eh und je. Einfach groß, der Friedrich! Immer schon und immer noch!
Nicht ganz so großartig sind zwar einige nach »Typ« besetzte
Stimmen, etwa die von Michael Schumacher, Niki Lauda oder Mika Häkkinen. Anders als
bei »Chicken Little« stört diese Variante des type casting allerdings
nicht weiter: durch die jeweilige Kürze ihres Auftritts gibt das dem Film eher
ein liebenswertes I-Tüpfelchen, wie sich das für Cameos gehört.
Andere Stimmen, wie die von Bernhard Hoëcker, Oliver
Kalkofe, Franziska van Almsick, Nadja Tiller oder Christian Tramitz zu
erkennen, ist nicht immer ganz einfach. Doch auch das wird man unter
»liebenswert« verbuchen müssen: schließlich ist das hier kein heiteres
Stimmenraten nach dem Motto »Wer bin ich?«, sondern die Stimmen sollen vor
allem die Figuren darstellerisch unterstützen und sich nicht selber
profilieren. Diese Forderung erfüllen sie in diesem Film durch die Bank so gut
wie hervorragend. Mit Ausnahme vielleicht von Rick Kavanian, der sein (sonst
wirklich großes!) Talent für ausländische Akzente in seiner diesmal
italienischen Rolle dursse einne paare allezu-e tiiipisse Kunstegriiffe
ettewasse überereizet. E.
Daniel César Martín Brühl González Domingo oder kurz:
Daniel Brühl in der Hauptrolle als »Lightning McQueen« soll nicht unerwähnt
bleiben. Neben Friedrich Schoenfelder eine herausragend gute Leistung in diesem
Spektakel.
Fazit:
Erfüllt die Erwartungen an »Pixar«-Produktionen nicht ganz, dennoch recht
sehenswert.