Thank You
for Smoking
Von Harald Manninga
Wenn man das Buchstabenpaar »PR« englisch ausspricht, ist
der Satz »Wer sich in PR begibt, kommt darin um!» vielleicht ein gelungenes
Wortspiel. Vielleicht auch nicht jedenfalls gehts in diesem Film aber genau
darum: die Wortverdrehungen, Wahrheitsverbiegungen, Verschleierungstaktiken und
was derlei Dinge mehr sind, die uns alle tagtäglich umgeben. Und zwar überall,
in »den Medien«, der Werbung, der Politik, im täglichen Sprachgebrauch. Und das
dann auch noch so, dass wirs oft gar nicht merken, wie uns die ständige
Manipulation das Hirn einbeult, sondern das für ganz normal und natürlich
halten; bis dahin, dass wir fraglos akzeptieren, wenn uns selbst Behörden seit
einiger Zeit dauernd als »Kunden« bezeichnen und behandeln (?) und nicht mehr
als Bürger.
Der smarte Nick Naylor ist Pressesprecher der »Akademie für
Tabakstudien« und damit oberster, jedenfalls prominentester Lobbyist der
führenden Konzerne der amerikanischen Tabakindustrie, von denen diese
»Akademie« betrieben wird. Deren Laborchef forscht seit 30 Jahren an den Folgen
des Rauchens und hat bisher nichts gefunden, das das Rauchen mit Krebs oder
dergleichen eindeutig in Beziehung setzen ließe. (Demnach also ein Genie,
dieser Forscher!)
Nick bringt es mühelos fertig, die Gesundheitslobbyisten in
die Ecke zu reden, die ihm etwa »millionenfachen Mord« vorhalten wollen. Und
fast glaubt man ihm wirklich: Denn welches Interesse sollte die Tabakindustrie
an so vielen Toten haben? Jeder tote Raucher ist ein schlechter Raucher, denn
er schmälert den Umsatz! Die Tabakindustrie hat also ein Interesse an gesunden
Kunden. Im Gegensatz dazu ist es doch wohl die Antiraucherbewegung, die an der
Mehrung der Lungenkrebspatienten und andererTabak-Opfer ein großes Interesse
hat, denn nur aus deren Leid und dessen möglichst dramatischer Darstellung
beziehen diese Lobbyisten doch wohl ihre Präsenz im Fernsehen und den
allgemeinen Erfolg bei der öffentlich veranstalteten Gehirnwäsche.
Oder?
Nein, böse sein kann man aber Nick wirklich nicht. Denn
erstens macht er diesen Job nur, weil er ihn eben kann, zweitens weil er eine
Hypothek auf sein Haus abzuzahlen hat. Genau wie jeder andere Mensch, der eben
eine Arbeit verrichtet. Eine Hypothek für ein Haus übrigens, in dem Nick nicht
einmal wohnt, denn er ist frisch geschieden und seine Ex-Frau lebt darin mit
dem gemeinsamen Sohn und ihrem neuen Lover, einem Arzt. Der Nick einmal
beiseite nimmt, um ihn auf die Gefahren des Passivrauchens aufmerksam zu
machen, denen der Kleine ausgesetzt sei, wenn er zu Besuch bei Nick ist. Aber
Nick wäre nicht Nick, wenn er nicht auch darauf eine Antwort hätte: »Ich
bin sein Vater. Du vögelst nur seine Mutter.« Und damit ist dann auch
wirklich alles gesagt. (Ist nicht auch nach unserem Grundgesetz das
Kinderzeug erstmal das natürliche Recht der Eltern?)
Doch Nick ist ein wirklich liebender Vater. Und einer von
der Sorte, der seinem Sohn wirklich etwas davon beizubringen hat, was
man so braucht, um in der heutigen Welt zurechtzukommen. Die Manipulation macht
ja z.B. auch vor der Schule nicht halt, und eine Aufsatzhausaufgabe mit dem
Titel: »Warum hat Amerika die beste Regierung der Welt?"« wird von Nick im
Handumdrehen in die wesentlichen manipulativen Bestandteile zerpflückt: Hat denn
Amerika die beste Regierung der Welt?! Woraufhin sein Sohn einen entsprechend
subversiven Aufsatz verfasst. Nicht umsonst trifft sich Nick regelmäßig mit
Alkohol- und Waffenlobbyisten am Stammtisch, über dem ein Schild hängt: »Take
pride in America! We have the
best government money can buy«.
Und von Nicks großen Gegenspieler, dem Senator Finistirre,
der statt der bisherigen geschriebenen Warnhinweise gern einen Gift-Totenkopf
auf die Zigarettenschachtel gedruckt haben möchte, und eine entsprechende
Gesetzesinitiative verfolgt, war ja noch gar nicht die Rede...
Wer z.B. »Wag the Dog« (1997, mit Dustin Hoffman und Robert
DeNiro, Regie: Barry Levinson) mochte, wird auch diesen Film lieben. Wer den
nicht kennt, wird dieses Thema vielleicht zum ersten Mal filmisch umgesetzt
sehen. Das macht aber gar nichts, »Thank You For Smoking« ist auch für Ungeübte
mehr als gut geeignet, wenn man sich einen ebenso unterhaltsamen wie
erhellenden (und manchmal erschreckenden: denn das ist ja wirklich alles
wahr! So geht das da zu! Und man mit uns um! Und das ist ja außerdem
noch alles hollywoodmäßig gedämpft...) Überblick über die Funktionsweise der
modernen Wirtschafts- und Politikwelt verschaffen will.
Überhaupt ist dieser Film mehr als voll von sowas wie
»Hintergrundinformationen« über das PR-Wesen, sei es politisch, sei es (vor
allem) wirtschaftlich. Und alles, alles davon ist wirklich wahr! Nur halt nicht
unbedingt so grundkomisch, wie es hier daherkommt. Aber anders wärs auch nicht
auszuhalten. So skurril, wie es hier anmuten mag, ist diese Welt aber eben im
wesentlichen doch. Wenn man von außen draufkuckt. Aber hier kriegt man ja
trotzdem eine Fülle von Innenansichten. Kunststück auch: die (offenbar auch
hochkomische) Romanvorlage stammt von Christopher Buckley, einem ehemaligen
Redenschreiber von George Bush senior.
Voll ist der Film daher auch von Pointen und Überraschungen.
Denn so sehr »realsatirisch« das alles anmuten mag, einen leisen Schuss Hollywood
braucht es eben dann doch, sonst hätte man keinen schönen Film. Nicht zu
schweigen ist auch von jeder Menge bissiger Kleinigkeiten im Hintergrund, wie
etwa die besagte Plakette über Nicks Lobbyisten-Stammtisch oder der Name der
Schule, die sein Sohn besucht (St. Euthanasius), undundund. Oder die Menge der
Figuren und der mit ihnen verbundenen Geschichten... Ein Film, den man sich
durchaus zwei oder drei Mal anschaun kann, um immer nochmal was Neues zu finden.
Dass sich diese Überfülle in diesem Fall aber quasi
ausnahmweise mal nicht störend auswirkt, macht neben dem brisanten und bissig,
nahezu mutig inszenierten Inhalt eine der größten Stärken dieses Films aus.
Hier wird trotz allem straff erzählt, mit der Ünterstützung einer (Nicks)
Stimme aus dem off, die die verschiedenen Fäden gut zusammenhält. Die
Musik von Rolfe Kent (»About Schmidt«, »Fight Club«...) setzt die Akzente genau
dort hin, wo sie zu sein haben. Kamera und Schnitt sind immer auf den Punkt
genau. Und die Schauspieler sind nahezu allesamt mittelmäßig traumhaft gut
besetzt.
Hier stimmt so gut wie alles. Pflichtprogramm.