In einer angesichts der Einführung von Studiengebühren für alle und des drohenden Hochschulfreiheitsgesetzes für Studierendenvertreter schwierigen Zeit, hat das Studierendenparlament der Universität Bielefeld am 20. Juli mit einer breiten Koalition den 33. Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) gewählt. Dessen Doppelspitze besteht aus Inga Müller von der grünen hochschulgruppe*offene Liste, Studentin der Sozialwissenschafts- und Anglistikstudentin, und der Politologiestudent Jan Binder von der UNIted Hochschulgruppe. Mario A. Sarcletti hat sich mit den beiden über ihre Ziele unterhalten. Und darüber, warum Widerspruch gegen einen Gebührenbescheid Sinn macht.
WebWecker: Für den letzten AStA und auch den davor gab es ja mit Studiengebühren und »Hochschulfreiheitsgesetz« noch jede Menge Arbeit. Nun ist das Kind in den Brunnen gefallen, beziehungsweise beide Kinder, gibt es da für euch [da Mario A. Sarcletti selbst Studierender ist, duzt man sich] noch Themen?
Inga Müller: Erstmal ist das Thema noch nicht in den Brunnen gefallen, wir sind da noch ganz stark dran. Wir unterstützen die Klage gegen die Gebührensatzung von zwei studentischen Senatoren [die vom Sicherheitsdienst nicht zur Senatssitzung gelassen wurden, MAS], es dauert da wohl noch ein Jahr, bis es ein Ergebnis gibt. Für uns ist in diesem Zusammenhang jetzt ganz wichtig, dass die Studierenden, vor allem die Erstsemester Einspruch gegen den Gebührenbescheid erheben, damit nachher gewährleistet ist, dass sie das Geld zurück erhalten, wenn die Klage gewonnen wird.
Heißt das, wenn hinterher die Klage gewonnen wird, dass diejenigen, die keinen Einspruch eingelegt haben, kein Geld zurückbekommen?
Inga Müller: Genau, deshalb ist es auch wichtig, dass alle Studierenden das weitertragen, dass man Widerspruch einlegen muss. Sonst gibt es kein Geld zurück.
Jan Binder: Die Formulare für den Widerspruch gibt es beim AStA, wir werden die Studierenden auch entsprechend über die Medien darüber informieren.
»Gesetz sind änderbar«
Jetzt war ja gerade das Anhörungsverfahren zum Hochschulfreiheitsgesetz im Landtag. Gibt es in der Frage noch irgendwas zu retten oder ist der Zug eigentlich auch abgefahren?
Jan Binder: Gesetze sind auch änderbar, es kann jederzeit protestiert werden. Es ist sehr, sehr wichtig, dass weitere Proteste folgen, auch wenn die erste Lesung im Landtag schon gelaufen ist. Es ist wichtig, dass die Studierenden weiterhin auf die Straße gehen und unterschiedliche Kanäle für ihre Proteste nutzen, Hand in Hand mit den Mitarbeitern der Universität Bielefeld. Wir hoffen, dass dieses Gesetz früher oder später abgeschafft wird, dass das keinen Bestand hat.
Inga Müller: Endgültig verabschiedet werden soll das Gesetz ja erst im November. Bis dahin heißt es natürlich auch Protest zeigen und dagegen vorgehen und das auch in der Öffentlichkeit vorzubringen.
Nochmal zu den Studiengebühren: Die Einführung dieser »Studienbeiträge« an der Uni Bielefeld hat für einige Konflikte an der Uni gesorgt, einige in der Studierendenvertretung sehen den »sozialen Frieden« an der Uni gestört. Könnt ihr euch als AStA momentan überhaupt eine Zusammenarbeit mit der Hochschulleitung vorstellen?
Inga Müller: Für uns ist es da ganz wichtig zu trennen: In der Frage der Studiengebühren arbeiten wir auf keinen Fall mit der Hochschule zusammen. Wir haben da unsere eigene Position, die wir auch ganz massiv in der Hochschulleitung vertreten. Bei anderen Themen, wie dem Hochschulfreiheitsgesetz, ist es für uns möglich mit der Hochschulleitung zusammenzuarbeiten, weil wir sehen, dass wir da politisch auf einer Linie stehen. Wir arbeiten da zusammen, um Aussagen auf dieser Linie mehr Schlagkraft zu verleihen.
Auf der Studiengebührenebene ist ja einiges an Porzellan zerschlagen worden. Wie sieht denn das menschlich aus, zwischen euch und dem Rektorat? Gibt es da noch ein konstruktives Gesprächsklima oder hat sich doch einiges geändert, Inga, du warst ja auch schon im letzten AStA aktiv?
Inga Müller: Wir versuchen da menschliche und politische Ebene zu trennen. Wir versuchen sachlich, konstruktiv zu arbeiten und die politischen Angelegenheiten zu sehen und nicht die politischen Probleme auf eine menschliche Ebene überlaufen zu lassen.
Was gibt es denn außer diesen beiden Themen Hochschulfreiheitsgesetz und Studiengebühren sonst noch für euch in der kommenden Legislaturperiode zu erledigen?
Jan Binder: Es gibt eine Menge zu erledigen. Wir haben vom Studierendenparlament die Aufgabe gekriegt, dass der AStA in der kommenden Legislaturperiode an der Verbesserung des Nichtraucherschutzes in der Uni zu arbeiten hat. Da arbeitet speziell das Referat für Ökologie und Gesundheitsschutz dran.
Raucher raus?
Was heißt das denn konkret? Es ist ja jetzt schon das Rauchen in der Unihalle verboten, es darf nur noch in bestimmten Abschnitten der Galerie geraucht werden. Wollt ihr die Raucher ganz aus der Uni hinaustreiben?
Jan Binder: Es gibt Leute in der hochschulpolitischen Landschaft, die genau das fordern. Die Position des AStA ist da ein bisschen differenzierter. Es ist auf der einen Seite sicherlich ganz sinnvoll, den NichtraucherInnenschutz weiter auszubauen, also Raucherbereiche innerhalb der Halle [auf der Galerie, MAS] weiter einzuschränken, sodass es zu einer Verbesserung der Luftqualität kommt. Es wird vom AStA Anfang des Semesters ein Wettbewerb ausgeschrieben, bei dem Studierende die Möglichkeit haben Konzepte einzureichen um den NichtraucherInnenschutz zu verbessern. Da sind mehrere Möglichkeiten denkbar, etwa eine bauliche Abtrennung. Das können wir natürlich fordern, im Endeffekt entscheidet aber das Rektorat darüber.
Was sind weitere Themen für euch?
Inga Müller: Für uns ist es wichtig die Rechte der Verfassten Studierendenschaft zu stärken. Es gibt ja Pläne von verschiedenen Politikern, die zu beschneiden. So kam zum Beispiel vom Landtagsabgeordneten Brinkmeier der Vorschlag, dem Hochschulfreiheitsgesetz noch einen Paragraphen anzuhängen, der die Rechte der Studierendenschaft massiv einschränken würde. Es gibt ja einmal im Jahr Wahlen zum Studierendenparlament, bei der die Wahlbeteiligung leider sehr niedrig ist, weil das Interesse der Studierendenschaft an der Hochschulpolitik sehr gering ist. Der Plan ist, dass die Studierendenschaft erst dann Gebrauch von ihren Geldern machen und die voll einsetzen kann, wenn 25 Prozent Wahlbeteiligung erreicht sind. Das würde für die Studierendenschaft eine Katastrophe bedeuten. Das konkrete Beratungsangebot könnte nicht mehr stattfinden, politische Veranstaltungen könnten nicht mehr stattfinden. Das ist natürlich eine Sache, gegen die wir uns einsetzen müssen.
Jan Binder: Es ist außerdem für den AStA in seiner nächsten Amtszeit sehr wichtig seine Außenwahrnehmung zu verbessern, dass die Studierenden merken, dass der AStA etwas für sie tut. Wir wollen das Beratungsangebot verbessern, etwa, dass man gerade im Hinblick auf die Studienbeiträge, wir sagen Studiengebühren, anständig und kompetent beraten wird, dass genügend Sprechzeiten da sind. Dass genügend kompetente Berater da sind, die eine Beratung anbieten, die darüber hinausgeht: »Geh mal zur Bank und hol dir einen Bildungskredit«. Dafür sorgen wir und wollen wir auch weiter sorgen.
»Hochschulpolitischer Super-Gau«
Es geht auch darum die Arbeitsabläufe des AStA als Organisation weiter zu verbessern und zu professionalisieren und einen Wissenstransfer vorzunehmen, weil es ja eine Reihe von HoPo-Altnasen gibt, die in absehbarer Zeit rausgehen werden. Deshalb geht es auch darum neue Leute anzulernen, dass die das Wissen kriegen um auch in hochschulpolitisch schwierigen Zeiten anständig weiterzuarbeiten. Der Wind bläst uns momentan wirklich ins Gesicht, was aus Düsseldorf kommt, ist schon starker Tobak. Insbesondere, was Herr Brinkmeier von der CDU gefordert hat, wäre für die hochschulpolitische Landschaft in ganz NRW der Super-GAU. Wir sehen das so, dass es nicht zielführend ist, 25 Prozent Wahlbeteiligung zu fordern, bevor Gelder in der uns zustehenden Höhe ausgezahlt werden. Man muss vielmehr die studentischen Vertretungen befähigen, die Arbeit zu leisten, dass sie auch akzeptiert werden. Da sind wir natürlich auch in einer Bringschuld, wir müssen gute Arbeit leisten und das werden wir tun.
Nun ist ja der Herr Brinkmeier nicht irgendjemand, der ist hochschulpolitischer Sprecher der CDU. Und der ist ja die Verfasste Studierendenschaft schon länger ein Dorn im Auge, wie man in anderen Bundesländern sehen kann, wo es gar keine ASten gibt. In NRW ist jetzt auch die CDU an der Macht. Seht ihr denn überhaupt eine Chance solchen Plänen wirksam zu begegnen?
Jan Binder: Es gibt natürlich Möglichkeiten, das Landes-Asten-Treffen hat da schon erste Gespräche mit Herrn Brinkmeier geführt. Und der ist ja auch nicht die profilierteste Person in der CDU-Fraktion. Da muss man seine Rolle schon realistisch einschätzen. Aber das ist natürlich ein Stein, den er ins Wasser geworfen hat und der jetzt seine Kreise zieht. Man muss jetzt sehen, wie weit es kommt. Vielleicht sitzen ja auch in der CDU Menschen, die Verstand und einen Blick für die hochschulpolitischen Realitäten haben und sehen, dass das Nonsens ist.
Inga Müller: Man muss auch sehen, dass die Gesetze, die die CDU in ihrer kurzen Legislaturperiode auf den Weg gebracht hat, eine wirkliche Katastrophe für die Hochschullandschaft sind, einmal die Einführung von Studiengebühren, dann das Hochschulfreiheitsgesetz. Meine Hoffnung ist, dass der Protest irgendwann so groß wird, dass sie sich nicht mehr trauen, einfach noch einen weiteren Schritt zumachen. Ich hoffe, dass irgendwann Schluss ist, zumindest für diese Legislaturperiode. Und ich hoffe, dass die Wähler für die nächste Legislaturperiode einfach wieder richtig wählen und dass es dann wieder besser wird.
Habt ihr noch weitere Projekte für das nächste Jahr?
Inga Müller: Ja, wir wollen im nächsten Jahr einen großen europäischen Kongress an der Uni organisieren wollen, da soll es um das Thema »Politische Partizipation« gehen. Es gibt in Europa ja eine sehr uneinheitliche Hochschullandschaft, wenn man auf die Verfassten Studierendenschaften schaut. Wir möchten da einmal verschiedene Länder beleuchten, was Studierende da für Möglichkeiten an Mitbestimmung haben und sehen, was man gemeinsam für Möglichkeiten hat sich für mehr Mitbestimmung einzusetzen.
Auf politischer Ebene Stichwort Bologna-Prozess gibt es diese Vereinheitlichung ja. Aber der geht ja eher in die Richtung Bachelor-/Masterstudiengänge und Verschulung des Studiums.
Jan Binder: Und das ist ja auch ein ganz außergewöhnliches Problem. Grade durch die neue Bachelor-/Masterstruktur soll ja das Studium gestrafft werden. Die Menschen, die studieren haben weniger Zeit, sich auch hochschulpolitisch einzusetzen und sich im universitären Raum auch ihre Meinung zu bilden und sie zu artikulieren. Da ist unsere Meinung, es muss gewährleistet werden, dass Studierende die Zeit und die Möglichkeit haben, sich politisch zu engagieren. Es gibt ganz sicher Interessensgruppen, denen das gar nicht so gut passt. Die CDU-Fraktion wäre da ein Beispiel, das vor der Haustür liegt.