Webwecker Bielefeld: Studienfonds OWL gegründet (14.06.2006)

Studienfonds OWL gegründet (14.06.2006)



Ab dem Wintersemester 2006/2007 werden wohl auch an den Hochschulen in Ostwestfalen-Lippe Studiengebühren von 500 Euro pro Halbjahr eingeführt. Auch bei den Entscheidungsträgern der Universitäten und Fachhochschulen gibt es die Sorge, dass Studieninteressierte »wegen ihrer sozialen Herkunft« von einer Hochschulausbildung abgeschreckt werden könnten. Der »Studienfonds OWL«, der in der vergangenen Woche aus der Taufe gehoben wurde, soll dem angeblich vorbeugen. Bisher existiert er aber nur als Verein.


Von Mario A. Sarcletti

»Wir machen ihr Studium möglich«, verkündeten die Rektoren von fünf Hochschulen vollmundig in der vergangenen Woche bei der Gründungsversammlung des »Studienfonds OWL« in der Musikhochschule in Detmold. Geht es nach dem nordrhein-westfälischen »Gesetz zur Sicherung der Finanzierungsgerechtigkeit im Hochschulwesen« können sie die 45.000 Studierenden ab dem kommenden Semester mit bis zu 500 Euro pro Studienhalbjahr zur Kasse bitten. Studierende besetzten deshalb in den vergangenen Monaten Rektorate, mancherorts, wie etwa in Köln, waren massive Polizeieinsätze die Folge.

In Ostwestfalen blieben die Hochschulleitungen eher entspannt und verzichteten darauf, die Polizei zu rufen. Dabei war vor allem Bielefeld eines der Zentren der Proteste. Aber auch hier gab es unter den Professoren Kritiker der Gebühren, die befürchteten, dass diese die soziale Schieflage an den Hochschulen verschärfen könnten. Die Hochschulleitungen mussten Wege finden, um die Proteste zu befrieden. Sie kündigten ein Stipendiensystem an, das auch finanziell schwachen Studienbewerbern und solchen aus dem Ausland, die kein Darlehen durch die NRW-Bank erhalten, ein Studium ermöglichen sollte.

In der vergangenen Woche wurde denn auch der »Studienfonds OWL« ins Leben gerufen. Er will Gelder einwerben, mit denen Studierende in Zeiten von Studiengebühren unterstützt werden sollen. Beteiligt sind die Universität und die Fachhochschule Bielefeld, die Universität Paderborn, die FH Lippe und Höxter sowie die Musikhochschule Detmold.

»Niemand soll wegen seiner sozialen Herkunft oder aus finanziellen Gründen vom Studieren abgehalten werden«, erklärte Nikolaus Riesch, Rektor der Universität Paderborn und Vorsitzender der Studienfonds. Eine andere Aussage Rieschs schränkt dieses Bekenntnis jedoch ein. »Wer leistungsbereit und leistungsfähig ist, soll an den Hochschulen in OWL studieren können«, findet Riesch. Und in einer Pressemitteilung »seiner« Hochschule heißt es, dass »insbesondere begabte Jugendliche« für OWL gewonnen werden sollen. Der Rektor der Fachhochschule Lippe und Höxter sagte Radio Lippe, dass »auch die Frage der sozialen Bedürftigkeit eine Rolle spielen« solle. Wohlgemerkt, auch. Immerhin wurde ein Schwerpunkt des Studienfonds auf ausländische Studierende gelegt, sie haben keine Möglichkeit ein Darlehen der NRW-Bank für die Studiengebühren zu bekommen.


Schecks für Praktika?

Neben Stipendien für einzelne Studierende möchte der Studienfonds »Praxisschecks« einrichten. Unternehmen sollen Praktika mit der Bezahlung der Studiengebühren von 500 Euro pro Semester »vergüten«. Ein dritter Pfeiler des Studienfonds sollen »Studienförderliche Jobs« sein. »Die Hochschulen finanzieren über die Einnahmen aus den Studienbeiträgen studienförderliche Jobs, die die Qualität der Lehre verbessern«, heißt es in einem Flyer des Studienfonds. Die Verbesserung der Lehre durch Studiengebühren ist aber nichts Neues, das »Gesetz zur Sicherung der Finanzierungsgerechtigkeit im Hochschulwesen«, mit dem die Studiengebühren ermöglicht wurden, gibt diese Verwendung der Zusatzeinnahmen an den Hochschulen vor.

Finanziert werden soll der Studienfonds durch Spenden. Laut dem Flyer des Studienfonds »um Privatpersonen und Unternehmen die Möglichkeit zu geben, sich gesellschaftlich zu engagieren«. Bleibt abzuwarten, wie viele sich engagieren wollen. Dieter Timmermann, Rektor der Uni Bielefeld, der nach eigenen Angaben selbst von der Abschaffung der Studiengebühren in den 60er Jahren profitierte, hat schon mal den Anfang gemacht. 100 Euro monatlich versprach er laut FH Lippe und Höxter dem Fonds. Ein recht bescheidener Anfang. Sollen tatsächlich fünf Prozent der Studierende von dem Fonds profitieren, sind jährlich mehr als 2 Millionen Euro nötig. Promis wie der Ex-Handballer Volker Zerbe, Herzspezialist Reiner Körfer und der ehemalige Umweltminister Klaus Töpfer sollen dabei einem »Fundraiser« bei der Einwerbung der Gelder zur Seite stehen. Der muss aber ebenso wie ein Büro des Studienfonds OWL noch gefunden werden.




Heiße Luft (14.06.2006)



Ein Einwurf von Mario A. Sarcletti

Da wurde in der vergangenen Woche mit großem Trara der »Studienfonds OWL« ins Leben gerufen. Auch das Fernsehen war da, der Paderborner Rektor Nikolaus Riesch durfte gar ins Studio. Natürlich haben auch die lokale wie auch die überregionale Presse jubelnd den großen Wurf begleitet. Der Tenor der Berichterstattung: Ganz toll!

Fraglich ist aber, was der Studienfonds den Studierenden aus den berühmt-berüchtigten bildungsfernen Schichten bringen soll. Denn – liest man die entsprechenden Verlautbarungen – geht es vor allem darum, den Standort OWL zu stärken, die viel zitierten besten Köpfe in die Region zu locken. Denn finanzschwache Studierende, deren Leistungen nur Durchschnitt sind, werden von ihren Professoren wohl kaum für die Stipendien vorgeschlagen. Sie müssen sich nach wie vor für ein Studium massiv verschulden. Oder es in Zeiten von Studiengebühren einfach sein lassen, das Studieren.

Auch von der zweiten Säule des Studienfonds dürften bedürftige Studierende relativ wenig, dafür die Unternehmen in der Region relativ viel haben. Dass die Uni Paderborn in einer Pressemitteilung von Praxischecks statt von Praxisschecks spricht, ist eine klassische Freudsche Fehlleistung: Die Praxisschecks ermöglichen den Unternehmen einen Praxis-Check. Sie können über einen langen Zeitraum für geringe Kosten überprüfen, ob ein zukünftiger Beschäftigter ihren Anforderungen genügt und auch für wenig Geld buckelt. Innovativ ist das nicht, die Praxis von Praktikanten sieht schon jetzt genau so aus: Die Wirtschaft erhält billige Arbeitskräfte ohne Rechte, wer brav ist, bekommt hinterher – vielleicht - einen Arbeitsvertrag. Nur Zyniker könnten als Fortschritt werten, dass schwachbrüstige Unternehmen die Studiengebühren der Praktikanten übernehmen. Statt nix gibt es 100 Euro pro Monat für ein sechsmonatiges Praktikum.

Fraglos Propaganda ist die dritte Säule des Studienfonds. Da wird großartig angekündigt, dass studiennahe Jobs durch die Studienbeiträge geschaffen werden, die die Qualität der Lehre verbessern sollen. Dass die Gebühren ausschließlich – abgesehen von den Verwaltungskosten und dem Ausfallfonds – der Lehre zugute kommen sollen, steht im »Gesetz zur Sicherung der Finanzierungsgerechtigkeit im Hochschulwesen« und ist Kernbestand der Argumentation der Gebührenbefürworter wie dem Bielefelder Uni-Rektor Dieter Timmermann. Der im Übrigen bereits auf der turbulenten Senatssitzung im Februar ankündigte, nach Einführung der Gebühren mehr studentische Hilfskraftjobs zu schaffen.

Fraglich ist im Moment noch, ob der Studienfonds überhaupt die entsprechenden Mittel einwerben kann. Dass er das zum Zeitpunkt der von den Rektoren geplanten Einführungen der Gebühren zum 1.10.2006 schafft, ist äußerst unwahrscheinlich. Auch wenn Dieter Timmermann 100 Euro pro Monat spenden will. Andere Spender präsentierte der Studienfonds OWL bisher nicht. Ebensowenig gibt es einen Geschäftsführer oder weitergehende Konzepte, aber immerhin schon sechs verschiedene Internetadressen auf denen man sich einen bunten Flyer ansehen kann. Insofern war die Präsentation des Studienfonds vor allem heiße Luft – oder Sand in die Augen der Gebührenkritiker. Denn die sollen jetzt, da die Senate in diesen Wochen endgültig die Einführung von Studiengebühren beschließen, mit einem Placebo ruhig gestellt werden. Damit es nicht wieder zu »Bielefelder Verhältnissen« kommt.