Ab dem Wintersemester 2006/2007 werden wohl auch an den Hochschulen
in Ostwestfalen-Lippe Studiengebühren von 500 Euro pro Halbjahr
eingeführt. Auch bei den Entscheidungsträgern der Universitäten und
Fachhochschulen gibt es die Sorge, dass Studieninteressierte »wegen
ihrer sozialen Herkunft« von einer Hochschulausbildung abgeschreckt
werden könnten. Der »Studienfonds OWL«, der in der vergangenen Woche
aus der Taufe gehoben wurde, soll dem angeblich vorbeugen. Bisher
existiert er aber nur als Verein.
Von Mario A. Sarcletti
»Wir machen ihr Studium möglich«, verkündeten die Rektoren von fünf
Hochschulen vollmundig in der vergangenen Woche bei der
Gründungsversammlung des »Studienfonds OWL« in der Musikhochschule in
Detmold. Geht es nach dem nordrhein-westfälischen »Gesetz zur Sicherung
der Finanzierungsgerechtigkeit im Hochschulwesen« können sie die 45.000
Studierenden ab dem kommenden Semester mit bis zu 500 Euro pro
Studienhalbjahr zur Kasse bitten. Studierende besetzten deshalb in den
vergangenen Monaten Rektorate, mancherorts, wie etwa in Köln, waren
massive Polizeieinsätze die Folge.
In Ostwestfalen blieben die Hochschulleitungen eher entspannt und
verzichteten darauf, die Polizei zu rufen. Dabei war vor allem
Bielefeld eines der Zentren der Proteste. Aber auch hier gab es unter
den Professoren Kritiker der Gebühren, die befürchteten, dass diese die
soziale Schieflage an den Hochschulen verschärfen könnten. Die
Hochschulleitungen mussten Wege finden, um die Proteste zu befrieden.
Sie kündigten ein Stipendiensystem an, das auch finanziell schwachen
Studienbewerbern und solchen aus dem Ausland, die kein Darlehen durch
die NRW-Bank erhalten, ein Studium ermöglichen sollte.
In der vergangenen Woche wurde denn auch der »Studienfonds OWL« ins
Leben gerufen. Er will Gelder einwerben, mit denen Studierende in
Zeiten von Studiengebühren unterstützt werden sollen. Beteiligt sind
die Universität und die Fachhochschule Bielefeld, die Universität
Paderborn, die FH Lippe und Höxter sowie die Musikhochschule Detmold.
»Niemand soll wegen seiner sozialen Herkunft oder aus finanziellen
Gründen vom Studieren abgehalten werden«, erklärte Nikolaus Riesch,
Rektor der Universität Paderborn und Vorsitzender der Studienfonds.
Eine andere Aussage Rieschs schränkt dieses Bekenntnis jedoch ein. »Wer
leistungsbereit und leistungsfähig ist, soll an den Hochschulen in OWL
studieren können«, findet Riesch. Und in einer Pressemitteilung
»seiner« Hochschule heißt es, dass »insbesondere begabte Jugendliche«
für OWL gewonnen werden sollen. Der Rektor der Fachhochschule Lippe und
Höxter sagte Radio Lippe, dass »auch die Frage der sozialen
Bedürftigkeit eine Rolle spielen« solle. Wohlgemerkt, auch. Immerhin
wurde ein Schwerpunkt des Studienfonds auf ausländische Studierende
gelegt, sie haben keine Möglichkeit ein Darlehen der NRW-Bank für die
Studiengebühren zu bekommen.
Schecks für Praktika?
Neben Stipendien für einzelne Studierende möchte der Studienfonds
»Praxisschecks« einrichten. Unternehmen sollen Praktika mit der
Bezahlung der Studiengebühren von 500 Euro pro Semester »vergüten«. Ein
dritter Pfeiler des Studienfonds sollen »Studienförderliche Jobs« sein.
»Die Hochschulen finanzieren über die Einnahmen aus den
Studienbeiträgen studienförderliche Jobs, die die Qualität der Lehre
verbessern«, heißt es in einem Flyer des Studienfonds. Die Verbesserung
der Lehre durch Studiengebühren ist aber nichts Neues, das »Gesetz zur
Sicherung der Finanzierungsgerechtigkeit im Hochschulwesen«, mit dem
die Studiengebühren ermöglicht wurden, gibt diese Verwendung der
Zusatzeinnahmen an den Hochschulen vor.
Finanziert werden soll der Studienfonds durch Spenden. Laut dem
Flyer des Studienfonds »um Privatpersonen und Unternehmen die
Möglichkeit zu geben, sich gesellschaftlich zu engagieren«. Bleibt
abzuwarten, wie viele sich engagieren wollen. Dieter Timmermann, Rektor
der Uni Bielefeld, der nach eigenen Angaben selbst von der Abschaffung
der Studiengebühren in den 60er Jahren profitierte, hat schon mal den
Anfang gemacht. 100 Euro monatlich versprach er laut FH Lippe und
Höxter dem Fonds. Ein recht bescheidener Anfang. Sollen tatsächlich
fünf Prozent der Studierende von dem Fonds profitieren, sind jährlich
mehr als 2 Millionen Euro nötig. Promis wie der Ex-Handballer Volker
Zerbe, Herzspezialist Reiner Körfer und der ehemalige Umweltminister
Klaus Töpfer sollen dabei einem »Fundraiser« bei der Einwerbung der
Gelder zur Seite stehen. Der muss aber ebenso wie ein Büro des
Studienfonds OWL noch gefunden werden.
Heiße Luft (14.06.2006)
Ein Einwurf von Mario A. Sarcletti
Da wurde in der vergangenen Woche mit großem Trara der
»Studienfonds OWL« ins Leben gerufen. Auch das Fernsehen war da, der
Paderborner Rektor Nikolaus Riesch durfte gar ins Studio. Natürlich
haben auch die lokale wie auch die überregionale Presse jubelnd den
großen Wurf begleitet. Der Tenor der Berichterstattung: Ganz toll!
Fraglich ist aber, was der Studienfonds den Studierenden aus den
berühmt-berüchtigten bildungsfernen Schichten bringen soll. Denn
liest man die entsprechenden Verlautbarungen geht es vor allem darum,
den Standort OWL zu stärken, die viel zitierten besten Köpfe in die
Region zu locken. Denn finanzschwache Studierende, deren Leistungen nur
Durchschnitt sind, werden von ihren Professoren wohl kaum für die
Stipendien vorgeschlagen. Sie müssen sich nach wie vor für ein Studium
massiv verschulden. Oder es in Zeiten von Studiengebühren einfach sein
lassen, das Studieren.
Auch von der zweiten Säule des Studienfonds dürften bedürftige
Studierende relativ wenig, dafür die Unternehmen in der Region relativ
viel haben. Dass die Uni Paderborn in einer Pressemitteilung von
Praxischecks statt von Praxisschecks spricht, ist eine klassische
Freudsche Fehlleistung: Die Praxisschecks ermöglichen den Unternehmen
einen Praxis-Check. Sie können über einen langen Zeitraum für geringe
Kosten überprüfen, ob ein zukünftiger Beschäftigter ihren Anforderungen
genügt und auch für wenig Geld buckelt. Innovativ ist das nicht, die
Praxis von Praktikanten sieht schon jetzt genau so aus: Die Wirtschaft
erhält billige Arbeitskräfte ohne Rechte, wer brav ist, bekommt
hinterher vielleicht - einen Arbeitsvertrag. Nur Zyniker könnten als
Fortschritt werten, dass schwachbrüstige Unternehmen die
Studiengebühren der Praktikanten übernehmen. Statt nix gibt es 100 Euro
pro Monat für ein sechsmonatiges Praktikum.
Fraglos Propaganda ist die dritte Säule des Studienfonds. Da wird
großartig angekündigt, dass studiennahe Jobs durch die Studienbeiträge
geschaffen werden, die die Qualität der Lehre verbessern sollen. Dass
die Gebühren ausschließlich abgesehen von den Verwaltungskosten und
dem Ausfallfonds der Lehre zugute kommen sollen, steht im »Gesetz zur
Sicherung der Finanzierungsgerechtigkeit im Hochschulwesen« und ist
Kernbestand der Argumentation der Gebührenbefürworter wie dem
Bielefelder Uni-Rektor Dieter Timmermann. Der im Übrigen bereits auf
der turbulenten Senatssitzung im Februar ankündigte, nach Einführung
der Gebühren mehr studentische Hilfskraftjobs zu schaffen.
Fraglich ist im Moment noch, ob der Studienfonds überhaupt die
entsprechenden Mittel einwerben kann. Dass er das zum Zeitpunkt der von
den Rektoren geplanten Einführungen der Gebühren zum 1.10.2006 schafft,
ist äußerst unwahrscheinlich. Auch wenn Dieter Timmermann 100 Euro pro
Monat spenden will. Andere Spender präsentierte der Studienfonds OWL
bisher nicht. Ebensowenig gibt es einen Geschäftsführer oder
weitergehende Konzepte, aber immerhin schon sechs verschiedene
Internetadressen auf denen man sich einen bunten Flyer ansehen kann.
Insofern war die Präsentation des Studienfonds vor allem heiße Luft
oder Sand in die Augen der Gebührenkritiker. Denn die sollen jetzt, da
die Senate in diesen Wochen endgültig die Einführung von
Studiengebühren beschließen, mit einem Placebo ruhig gestellt werden.
Damit es nicht wieder zu »Bielefelder Verhältnissen« kommt.