Bielefelder in Petersburg in Haft (12.07.2006)
Sitzen in Petersburg im Gefängnis: Eike Korfhage (links) und Henning Wallerius
Zwei Bielefelder Journalisten wurden am Montagmorgen in Sankt
Petersburg verhaftet. Am Dienstag verurteilte sie ein Gericht zu zehn
Tagen Haft. Der Vorwurf, den beide entschieden zurückweisen, lautet,
dass sie auf ein Auto uriniert hätten. Der wahre Grund dürfte aber der
am Wochenende stattfindende G8-Gipfel sein. Die Fotodesign-Studenten
hatten nämlich eine Fahrradtour dorthin journalistisch begleitet.
Von Mario A. Sarcletti
Anfang Juni waren Eike Korfhage und Henning Wallerius mit dem
Fahrrad in Deutschland aufgebrochen. Die beiden studieren Fotodesign an
der Fachhochschule Bielefeld und wollten für ihr Studium eine
Fahrradtour von G8-Gegnern nach Sankt Petersburg dokumentieren.
Außerdem berichteten sie regelmäßig im CampusRadio Hertz 87,9 über die
Tour.
Die führte sie über Polen und das Baltikum nach Sankt Petersburg.
Bis auf den »Wolf«, den sie sich vom Fahrradsattel holten, lief die
Tour reibungslos. Die Karawane, deren Teilnehmerzahl zwischen vier und
einem guten Dutzend variierte, sorgte vielerorts für Aufmerksamkeit. In
mehreren Städten informierten die globalisierungskritischen Radler über
ihr Anliegen, Korfhage und Wallerius dokumentierten das mit ihren
Kameras.
Da absehbar war, dass die russischen Behörden auf Proteste gegen
den G8-Gipfel mit Repression reagieren würden, hatten sich die beiden
auch mit einem Internationalen Presseausweis ausgestattet. Der nützte
ihnen aber gegenüber der Miliz in Sankt Petersburg nichts. Als sie in
der Nacht von Sonntag auf Montag zur Wohnung ihres Gastgebers
zurückkehrten, wurden sie von Milizionären verhaftet. »Man wirft uns
vor, dass wir wild pinkeln waren, dass wir in der Öffentlichkeit
uriniert hätten«, berichtete Henning Wallerius noch am Dienstagmorgen
Hertz 87,9. »Das haben wir natürlich nicht getan«, bestreitet er den
Vorwurf der Milizionäre. Die verhafteten außerdem den russischen
Gastgeber der beiden Bielefelder, als der ihnen die Tür öffnen wollte.
Kein Wasser, kein Dolmetscher
Am Montag standen die beiden Journalisten begleitet von
Mitarbeitern des deutschen Konsulats in Sankt Petersburg zum ersten Mal
vor Gericht. Bis dahin hatten sie von den russischen Behörden weder
Nahrung noch Wasser erhalten. Bei Temperaturen von bis zu 35 Grad war
die Versorgung durch Unterstützer lebenswichtig. Auch auf eine
Dolmetscherin mussten sie lange warten. »Die Richterin hat dann gesagt,
dass ihr die Beweise nicht ausreichen und den Fall wieder an die Miliz
abgegeben«, beschrieb Wallerius den weiteren Gang der Ding.
Am Dienstagvormittag standen die beiden erneut in einem
Gerichtssaal. »Die drei als Zeugen geladenen Milizionäre haben total
widersprüchliche Aussagen gemacht«, sagte Eike Korfhage nach seinem
Prozess live bei Hertz 87,9. Dennoch verurteilte die Richterin ihn zu
zehn Tagen Haft, der Strafrahmen für eine solche Ordnungswidrigkeit
beginnt bei 500 Rubel, umgerechnet etwa 15 Euro. Doch am Dienstag ging
es nur noch um die Frage, wie viele Tage Haft die Richterin verhängen
würde, fünf bis fünfzehn Tage sind möglich. Zehn waren es schließlich
für beide, auch ihr Gastgeber muss für zehn Tage ins Gefängnis.
Insgesamt neun Personen wurden nach Angaben Korfhages von dem Gericht
am Dienstag rund um den Gipfel ins Gefängnis gesteckt.
Nach seinen Informationen können sie die Strafe immerhin in einem
Gefängnis nahe des deutschen Konsulats absitzen. Das hat so die
Möglichkeit, sie zumindest mit Essen zu versorgen. Denn, so hat Henning
Wallerius erfahren, »da gibt es tagein, tagaus nur Kartoffelbrei«.
Trotz der Zusatzversorgung dürften es zehn harte Tage für die beiden
Journalisten werden, Eike Korfhage bezeichnete die Haftbedingungen als
menschenunwürdig.
Hertz 87,9 hat sich am Dienstag umgehend an verschiedene Institutionen
wie amnesty international und den freien zusammenschluss der
studentinnenschaften sowie die Bielefelder Bundestagsabgeordneten
Rainer Wend, Lena Strothmann und Britta Hasselmann gewandt. Wendt
versprach das Außenministerium einzuschalten. Besondere Sorgen bereitet
den Mitarbeitern des CampusRadios, dass die Dolmetscherin gegenüber den
beiden Kollegen die Befürchtung geäußert hat, die Miliz könne während
der zehn Tage eine weitere Anklage konstruieren. Dabei betont Eike
Korfhage gegenüber Spiegel-online, sich nicht an Protesten beteiligt zu
haben.