Von Manfred Horn
In einer gemeinsamen Sitzung des Hauptausschusses, des Umwelt- und
Stadtentwicklungsausschusses sowie der Bezirksvertretung Heepen ist der
gemeinsam von der CDU und der SPD vorgelegte Antrag auf die Erhöhung
der jährlichen Verbrennungsmenge von gegenwärtig circa 360.000 Tonnen
auf 480.000 Tonnen in der Müllverbrennungsanlage (MVA) beschlossen
worden. Der Antrag wird wahrscheinlich auch am Donnerstag bei der
Stadtratssitzung eine Mehrheit finden. Die Bürgerinitiative Besser
Leben und Wohnen in Baumheide (BIB) hatte sich bereits im Vorfeld
gegen die von der MVA beantrage Erhöhung ausgesprochen (WebWecker berichtete). und verstärkt nun ihre Kritik.
Die gesundheitlichen und ökologischen Belastungen würden künftig um
ein Drittel steigen, führt BIB aus. Die MVA verneint dies: Die
Immissionsbelastung bleibe bei der Erhöhung der Müllmenge »nahezu
unverändert«. Zusätzlich werde die Verkehrsbelastung durch den
zusätzlichen LKW-Verkehr deutlich zunehmen, führt die Bürgerinitiative
weiter aus. Gegenüber dem Zeitpunkt des Verkaufs der MVA vor zehn
Jahren der MVA werde sich das Aufkommen an Müllfahrzeugen um fast zwei
Drittel erhöhen. Damals war die Müllobergrenze auf 300.000 Tonnen
festgelegt worden.
Durch eine gesetzliche Änderung, nämlich das Verbot der Deponierung
unbehandelter Abfälle, hat sich Mitte 2005 die Lage verändert. Die
Nachfrage nach Verbrennungskapazitäten hat seitdem angezogen. Laut
einer Verwaltungsvorlage hat aber die MVA bis heute die Entsorgung von
Hausmüll aus ganz OWL sicher stellen können. Die MVA, an der auch die
Stadtwerke Bielefeld und damit die Stadt selbst beteiligt ist, will
künftig 20 Prozent mehr verbrennen. Dabei steht dann gewerblicher Müll
im Vordergrund. Durch »gezielte technische Optimierungsmaßnahmen« soll
diese höhere Auslastung möglich werden, unter anderem soll eine neue
Turbine angeschafft werden. 15 Millionen will die MVA dafür ausgeben.
Für ganz OWL rechnet die MVA einen Müllberg von 720.000 Tonen im Jahr
2006 aus, Haus- und gewerblicher Müll zusammen gerechnet. Gesichert
sind die Daten nicht. Auch verrät die MVA nicht, um wieviel Prozent sie
ihre Gewinnerwartungen durch die Kapazitätsausweitung nach oben
steigert.
NRW-Umwelt-Ministerium von Erhöhung überzeugt
Das NRW-Ministerium für Umwelt und Naturschutz jedenfalls macht
keine Anstalten, sich dem Erweiterungsvorhaben entgegen zu stellen. Im
Gegenteil, der Darstellung der MVA wird ohne jegliche Prüfung geglaubt
und das Vorhaben sogar ausdrücklich unterstützt. Alexander Schink,
Staatssekretär des Ministeriums, teilt in einem Schreiben von Anfang
April mit, Rainer Müller, Geschäftsführer der MVA habe seinem Haus
seine Überlegungen erläutert. »Dabei wurde zugesichert, dass die
verschiedenen Maßnahmen die erreichten beispielhaft niedrigen
spezifischen Emissionswerte nicht antasten«, heißt es in dem Schreiben,
und weiter: »Darüber hinaus sind ein transpartentes
Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung,
Umweltverträglichkeitsuntersuchung und Gutachten zu speziellen Fragen
vorgesehen«. Das Verfahren sei auf »Transparenz und Konsens« angelegt.
Nach dem Gespräch mit dem Geschäftsführer steht für den Staatssekretär
fest: Es handelt sich um eine »auch aus entsorgungspolitischer Sicht
positiv zu beurteilende Maßnahme«. Schink hält es für »sachdienlich«,
seine Sicht der Dinge an die Stadtverwaltung mitzuteilen.
Da die geplante Erhöhung rechtlich nur aufgrund einer Änderung des
beim MVA-Verkauf abgeschlossenen Eckpunktevertrags möglich ist, könnte
die Stadt Bielefeld die geplante Änderung verhindern. Gegenüber der BIB
hätten Vertreter aller Parteien zugesichert, erst die Gutachten
abwarten zu wollen, welche die MVA im Zusammenhang mit dem
erforderlichen Genehmigungsverfahren für die Erhöhung der
Durchsatzmenge in Auftrag gegeben hat. Diese Gutachten liegen
gegenwärtig jedoch überhaupt noch nicht vor.
Die MVA-Geschäftsführung hat der Verwaltung lediglich eine entsprechend
ihren Bedürfnissen wertende Zusammenfassung ihrer Sicht der Dinge
vorgestellt. In den Ausschüssen stimmten CDU, SPD und FDP für die
Erhöhung der Verbrennungsmenge.Die Bitte der BIB, zunächst die noch für
Ende dieses Monats angekündigten Gutachten abzuwarten, wurde dabei
ignoriert. Die Bürgerinitiative hatte auch angekündigt, diese Gutachten
von selbst beauftragten Gutachtern gegenprüfen zu lassen. »Damit haben
die genannten Parteien deutlich gemacht, dass sie sich für die Inhalte
der Gutachten und um die Einschätzung von uns Anwohnern der MVA nicht
interessieren«, erklärt Ludwig Heuwinkel von der Bürgerinitiative.
In den von den Grünen, der Bürgernähe und der Linken/PDS
vorgebrachten Argumenten für eine Verschiebung der Abstimmung auf die
Zeit nach den Sommerferien gingen diese jeweils auch auf die politische
Stilfrage ein. Sie forderten, dass vor einer Entscheidung die Argumente
der betroffenen Bürger zu hören und zu bewerten seien. Ralf Schulze von
der Bürgergemeinschaft, der sich zunächst nachdrücklich für eine
Verschiebung der Abstimmung eingesetzt hatte, hat sich schließlich bei
der entscheidenden Abstimmung im Ausschuss der Stimme enthalten. »Aus
unserer Sicht wird hier seitens der CDU, SPD und FDP ein den Bürgern
gegenüber arrogantes Verhalten an den Tag gelegt, das wir aufs
Schärfste kritisieren. Das Vertrauen in ein verantwortliches
politisches Handeln dieser Parteien wird durch dieses Vorgehen
nachhaltig erschüttert«, erklärt die Bürgerinitiative.
Die aus Sicht der BIB übereilten Beschlussempfehlungen vom 13. Juni
könnten noch in der Ratssitzung am 22. Juni korrigiert werden. Die
Bürgerinitiative fordert, dass sich die politisch Verantwortlichen zu
einer gründlichen inhaltlichen Prüfung »zwei bis drei Monate« Zeit
einräumen.
Grüne nennen Bedingungen
Dies ist aber unwahrscheinlich. Die Grünen bringen in die
Ratssitzung aber einen Änderungsantrag ein. Darin wird die Erhöhung der
Verbrennungsmenge an Bedingungen geknüpft., So soll die erhöhte
Verbrennungsmenge zunächst auf fünf Jahre befristet werden. Und die
Rauchgasreinigung müsse so optimiert werden, »dass trotz der Erhöhung
der Verbrennungsmenge die absolute Menge der Schadstoffe, die bei einer
Verbrennung von 360.000 Tonnen im Jahr emittiert werden, nicht
überschritten wird«. Zudem soll sich die MVA verpflichen, die jeweils
aktuellen Emissionsdaten online zu veröffentlichen.