Webwecker Bielefeld: Zufluchtstätte sammelt für seine Zukunft (16.08.2006)

Zufluchtstätte sammelt für seine Zukunft (16.08.2006)






Die aus Bielefeld stammende Schauspielerin Paula Kalenberg setzt sich für den Erhalt der Zufluchtstätte ein




Von Manfred Horn

Die Zufluchtstätte des Mädchenhauses Bielefeld bekommt keine Landeszuschüsse mehr. Die Zufluchtstätte bietet Mädchen und jungen Frauen zwischen 12 und 18 Jahren, die sich in einer Krise oder Notlage befinden, eine vorübergehende Wohnmöglichkeit und Schutz vor Bedrohung und Gewalt. Die Adresse der Zufluchtstätte ist daher anonym.

Bis 2005 erhielt die Zufluchtstätte jährlich 102.000 Euro vom Land, diverse Sparorgien der rot-grünen Landesregierung überstand sie unbeschadet. So wollte die damalige Landesregierung schon 2003 den Landeszuschuss streichen, nahm dies aber schließlich zurück. Nun macht die neue schwarz-gelbe Landesregierung ernst: Ab diesem Jahr gibt es keine Landesmittel mehr. Die Folge: Von den drei Zufluchtsstätten die es in NRW gab, haben zwei in den vergangenen Monaten bereits dicht gemacht. In Duisburg und Düsseldorf standen größere Träger hinter den Einrichtungen, die ohne Landesgeld keine Perspektive mehr gesehen haben. Nur das Mädchenhaus Bielefeld als autonomer, gemeinnütziger Verein kämpft um seine Zufluchtstätte.

Die Landesmittel machen rund ein Drittel des Etats aus, erläutert Birgit Hoffmann Reuter, Geschäftsführerin des Mädchenhauses. Den überwiegenden Teil der Einnahmen erzielt die Zufluchtstätte durch Pflegesätze, die die Jugendämter für betreuten Mädchen überweist. Ohne die Landesmittel aber fehlt nicht nur eine Menge Geld sondern auch jegliche Planungssicherheit, denn die Zufluchtstätte weiß nie, wie viele Plätze in einem Jahr auch tatsächlich belegt werden.

Mit einer öffentlichkeitswirksamen Kampagne versucht das Mädchenhaus nun die fehlenden 102.000 Euro zusammenzubekommen. In den vergangenen vier Monaten sind so schon 27.000 Euro eingesammelt worden. Die Spenden kommen von Bielefelder Bürgern. »Die Mitarbeiter der Sparkasse haben zum Beispiel 5.000 Euro gespendet«, erläutert Jutta Fechtelkord vom Vorstand des Mädchenhauses. Durch die Soziallotterie der Sozial-Aktien-Gesellschaft können noch einmal bis zu 10.000 Euro hinzukommen (WebWecker berichtet). Unterstützt wird die Kampagne von Paula Kalenberg. Die Schauspielerin, die in Bielefeld aufgewachsen ist und etwa im Spielfilm ›Die Wolke‹ in den Kinos zu sehen war, ist prominentes Zugpferd. Ansonsten versucht das Mädchenhaus, den Menschen zu zeigen, dass auch kleine Beiträge helfen können: »1.000 mal 100 Euro hört sich anders an als 10 mal 10.000 Euro«, sagt Fechtelkord.


Anonymität besonders wichtig

Zehn Plätze für Mädchen hält die Zufluchtstätte zur Zeit vor. Die Mädchen sind dann zwischen zwei Tagen und drei Monaten im Haus. Den Mädchen, die es zu Hause nicht mehr aushalten, wird aber nicht nur Unterkunft gegeben, sondern auch umfassende Betreuung und Beratung. Rund um die Uhr ist eine Mitarbeiterin für die Mädchen da. Zum Schluss des Aufenthaltes steht die Perspektivklärung: Wie geht es weiter? Rund die Hälfte der Mädchen entscheidet sich dafür, in die Familie zurückzukehren.

Aus der Tradition der autonomen Frauenbewegung kommend, ergibt sich ein besonderer Blickwinkel auf die Mädchen. So arbeiten in der Zuflucht nur Mitarbeiterinnen. So haben die Mitarbeiterinnen einen spezifischen Umgang mit Mädchen mit Migrationshintergrund, die rund der Hälfte der Kurzzeit-Bewohnerinnen ausmachen, oder lesbischen Mädchen. Und die Konzepte der Zufluchtstätte werden landesweit als besondere Kompetenz wahrgenommen.

Damit ein Mädchen unterkommen kann, muss das Jugendamt sein Einverständnis geben. »Das ist in Bielefeld aber unproblematisch«, sagt Hoffmann Reuter. Aber schon im Umland gestaltet sich dies schwieriger: Dort fehlt oft die Einsicht, dass es für Mädchen, die in der Krise sind, besser ist, in einer reinen Mädcheneinrichtung betreut zu werden. In vielen Gemeinden, werden diese Mädchen dann in gemischtgeschlechtlichen Wohngruppen mit Krisenplätzen untergebracht. Dort aber sei es schwierig, weil die Mädchen nicht unter Gleichgesinnten seien, erklärt Hoffmann-Reuter. Auch ist keineswegs gesagt, dass sie nicht auch mit männlichen Mitarbeitern konfrontiert sind. Die Adressen der Wohngruppen sind dort auch nicht anonym. Im Gegenteil, in diesen Häusern kann auch Besuch empfangen werden. Gerade diese Anonymität sei aber wichtig, wenn die Mädchen Gewaltopfer sind, fügt Hoffmann-Reuter an. Ein weiteres Beispiel für den Sinn einer solchen Anonymität: Wenn Mädchen aus Migrantenfamilien von Zwangsheirat bedroht sind.



Die Zufluchtstätte ist telefonisch erreichbar: Tel: 0521/ 21010
Weitere Informationen auf der Seite des Mädchenhauses: http://www.maedchenhaus-bielefeld.de/

Spenden für die Zufluchtstätte: Förderverein Mädchenhaus Bielefeld e.V., Konto Nr. 47 00 32 15, Blz 480 501 61, Sparkasse Bielefeld