Bestimmen künftig Personen, die nicht mit der Uni zu
tun haben, deren Geschicke? Es diskutierten (v.l.n.r) Neithard Bulst
(Vorsitzender des
Senats der Uni), Michael Stückradt (Staatssekretär), Christoph
Dammermann (Moderator und ehem. Mitlglied des FDP-Landesvorstands),
Janosch Stratemann (AStA-Vorsitzender)
Nachdem das Land Nordrhein-Westfalen mit der Einführung von
Studiengebühren einen ersten radikalen Kurswechsel in der
Hochschulpolitik vollzogen hat, soll zum 1. Januar der nächste folgen.
Denn dann soll das »Hochschulfreiheitsgesetz« in Kraft treten. Aus den
Hochschulen gibt es Widerstand, anders als bei den Studiengebühren sind
sich Hochschulleitungen und Studierendenvertretungen in ihrer Kritik an
dem Gesetzesentwurf einig. Der stellte sich am vergangenen Mittwoch der
Staatssekretär im Ministerium für Innovation, Wissenschaft, Forschung
und Technologie, Michael Stückradt, bei einer Podiumsdiskussion in der
Uni Bielefeld.
Von Mario A. Sarcletti
Was von der liberalen Friedrich-Naumann-Stiftung als
Podiumsdiskussion geplant war, wurde in der vergangenen Woche zu einer
öffentlichen Expertenanhörung. Denn zu der Veranstaltung kamen vor
allem Mitglieder des Senats der Uni Bielefled, Professoren und
Mitglieder von Hochschulgruppen. Auch Rektor und Kanzler der
Universität waren gekommen, um Michael Stückradt, Staatssekretär im
Ministerium Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie, ihre
Probleme mit dem Entwurf des »Hochschulfreiheitsgesetzes« zu erläutern.
Dass sich nur etwa zwei Dutzend Interessierte zu der
Podiumsdiskussion einfanden, liegt zum einen sicherlich daran, dass das
Thema sperrig ist, Gesetzesentwürfe sind nun mal nicht die ideale
Abendgestaltung. Zum anderen lag das geringe Interesse der (Hochschul-)
Öffentlichkeit aber wohl auch daran, dass die FDP-nahe
Friedrich-Naumann-Stiftung nur sehr zaghaft für die Veranstaltung
geworben hatte. Angesichts der Tatsache, dass es von verschiedenen
Seiten Kritik an dem Gesetzesvorhaben des FDP-Ministers Andreas
Pinkwart hagelt, vielleicht kein Zufall.
Werbung machte die Naumann-Stiftung dafür bei der Podiumsdiskussion
für ihr Anliegen. Vor und im Hörsaal vermittelten Plakate worum es der
Stiftung und wohl auch Minister Pinkwart mit dem
Hochschulfreiheitsgesetz geht. »Bessere Bildung durch Freiheit und
Wettbewerb« lautet das (neo)liberale Credo. »Wir brauchen bessere
Chancen im Wettbewerb«, begründete Michael Stückradt denn auch die
Pläne von »Innovationsminister« Andreas Pinkwart für die Hochschulen.
Und die Chancen im Wettbewerb lägen eben in der Autonomie der
Hochschulen, die diese in den vergangenen Jahren schließlich immer
wieder gefordert hätten.
Noch weniger Mitbestimmung für Studierende
Mit dem Gesetz sollen die Hochschulen von Landeseinrichtungen zu
Körperschaften Öffentlichen Rechts werden, der von den
Hochschulangehörigen gewählte Senat soll Rechte abgeben. Ein
Hochschulrat wird nach dem Willen des Gesetzgebers stattdessen höchstes
Gremium der Universität, mindestens die Hälfte seiner Mitglieder darf
nicht Angehörige der Hochschule sein. »Der Hochschulrat soll den Blick
von außen ermöglichen«, erläuterte Michael Stückradt die Intention des
Gesetzgebers. Der studentische Senator Ingo Bowitz kritisierte, dass
durch die neue Leitungsstruktur »entscheidende Fragen durch Menschen
dominiert werden, die nicht Mitglied der Hochschule sind«. Zudem würde
die Möglichkeit der Mitbestimmung für die größte Statusgruppe, die
Studierenden, weiter eingeschränkt. Der AStA-Vorsitzende Janosch
Stratemann sieht mit dem Gesetz ein Versprechen gebrochen, mit dem die
Einführung von Studiengebühren vorangetrieben wurde. »Die versprochene
größere Partizipation von Studierenden ist da nicht drin«, kritisierte
er die geplante Leitungsstruktur.
Gewählt wird der Hochschulrat von einer Findungskommission, die aus je
zwei Mitgliedern des Senats und des amtierenden Hochschulrats
zusammengesetzt ist. Dazu kommt ein Vertreter des Ministeriums, der
nicht nur eine, sondern zwei Stimmen hat. »Das erinnert mich ans
Mittelalter, als der Papst zwei Stimmen hatte, weil er ja auch den
Heiligen Geist repräsentierte«, kommentierte der Historiker Neithard
Bulst, Vorsitzender des Senats, diese Regelung. Den Hochschulrat selbst
nannte er die »Verkörperung der Unfreiheit«.
Nicht nur wegen der starken Position des Landes in der
Hochschulrats-Findungskommission befürchten Kritiker, dass das
»Hochschulfreiheitsgesetz« trotz seines Namens nicht zu einer größeren
Freiheit der Hochschulen führen würde. Ansgar Beckermann, Dekan der
Fakultät für Geschichtswissenschaft und Philosophie sprach gar von
einem »Hochschulgängelungsgesetz«. Zwar sollen die Hochschulen Finanz-
und Personalautonomie erhalten, praktisch haben sie die aber heute
schon. »Faktisch ist es so, dass die Lage für die Hochschulen im Moment
ideal ist, wir müssen faktisch mit nichts mehr nach Düsseldorf«,
beschrieb Kanzler Simm den Status quo, der bisher jedoch noch keinen
Niederschlag im Hochschulgesetz gefunden hat. Das soll sich jetzt
ändern, die gesetzliche Verankerung des Zuwachses an Autonomie wird
jedoch durch Zielvereinbarungen mit dem Ministerium eingeschränkt.
Sogar Michael Stückradt räumte ein, dass diese »eine Gratwanderung«
seien. Auch der Staatssekretär sieht die Gefahr, »dass übereifrige
Ministeriumsmitarbeiter die zu detailliert vorgeben«.
»Durch die Zielvereinbarungen hat sich das Land einen Blankoscheck
ausgestellt«, befürchtet Ansgar Beckermann. Auch hier kritisierte er,
dass die Bezeichnung nicht die Realität wiederspiegelt. »Hier findet
keine Vereinbarung statt. Wenn es kein Einvernehmen gibt, legt das Land
die Ziele fest«, erläuterte er seinen Einwand gegen die
Zielvereinbarungen. Statt der Festlegung quantitativer Ziele wie
Absolventenzahlen oder Drittmitteleinwerbung plädiert Beckermann für
eine »Ex-Post-Evaluation«. Das bedeutet, dass im Rückblick analysiert
wird, wo Stärken und Schwächen einer Hochschule liegen.
Kritik an »Schweinsgalopp«
Heftige Kritik gab es auch an dem engen Zeitplan, nach dem das
Ministerium das Gesetz durchpeitschen will, verschiedene Redner
sprachen von »Schweinsgalopp«. Zu Beginn der Semesterferien ging den
Hochschulen der Gesetzesentwurf zu, bis April mussten die Hochschulen
dazu Stellungnahmen abgeben, die überwiegend kritisch ausfielen. Im
August soll es eine Expertenanhörung im Wissenschaftsausschuss geben,
im Oktober soll das Gesetz verabschiedet werden und im Januar in Kraft
treten. Der AStA-Vorsitzende Janosch Stratemann erinnerte daran, dass
die Hochschulen zur Zeit immer noch mit der Einführung der Bachelor-
und Masterstudiengänge kämpfen, zum Wintersemester folgt der nächste
organisatorische Brocken für die Hochschulen. »Sie müssen lernen mit
Studiengebühren umzugehen«, benannte Stratemann das Problem, das den
Hochschulen einen hohen Verwaltungsaufwand aufzwingt.
»Die Schnelligkeit scheint angesichts vieler ungeklärter Faktoren
inadäquat zu sein«, formulierte Neithard Bulst diplomatisch. So seien
viele Konsequenzen auch finanzieller Natur unklar, die sich aus der
Umwandlung in Körperschaften öffentlichen Rechts ergeben. Tatsächlich
hat das Ministerium erst jetzt eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die die
Folgen des Gesetzes prüft. Rektor Dieter Timmermann sorgt sich um die
Folgekosten der »Hochschulreform«. »Bei vielen öffentlichen Projekten
war ja das Problem, dass man die Investitionskosten berechnet, aber die
Folgekosten nicht bedacht hat«, sagte er. Michael Stückradt versprach,
dass die Mittel, die das Land durch das Hochschulfreiheitsgesetz spart
so müssen wohl die Hochschulen zum Beispiel zukünftig Löhne und
Gehälter der Mitarbeiter verwalten -, umgeschichtet werden würden.
Der Kritik am Zeitdruck hielt Staatssekretär Stückradt entgegen, dass
über die Vorstellungen der Landesregierung bereits seit einem Jahr
diskutiert werde und die Umstellung auf die konsekutiven Studiengänge
bereits seit mehreren Jahren laufen würde. Fakt ist, dass an der Uni
Bielefeld, die ein Vorreiter der neuen Studienstruktur war, erst im
vergangenen Herbst, die ersten Studierenden das dreijährige
Bachelorstudium beendet haben und die Universität immer noch mit
Kapazitäts- und anderen Problemen kämpft. Michael Stückradt ist jedoch
optimistisch, was den radikalen Umbau der Hochschullandschaft betrifft.
»Ich bin überzeugt, dass unsere Hochschulen das schaffen können«, sagte
der ehemalige Kanzler der RWTH Aachen.
Michael Stückradt gab sich alle Mühe, den Gesetzesentwurf zu
verteidigen. Eine Frage vermochte er aber bis zum Schluss nicht zu
beantworten, die Neithard Bulst wiederholt stellte: Bei der Vorstellung
des Entwurfs hatte Minister Pinkwart laut Sprechzettel gesagt, dass die
Hochschulen das Humboldtsche Ideal der Einheit von Forschung und Lehre
neu definieren müssten. Was das denn konkret heißen solle, wollte Bulst
wissen. »Was der, der diesen Sprechzettel vorgelesen hat, damit will,
kann ich Ihnen auch nicht sagen«, erklärte Staatssekretär Stückradt
erstaunlich offen.
Zum Hochschulfreiheitsgesetz findet heute ein »Akademischer Tag«
an der Universität statt. Der beginnt um 10 Uhr im Audi Max mit einem
Vortrag von Reinhard Kreckel, dem Direktor des Institut für
Hochschulforschung an der Universität Halle-Wittenberg, mit dem Titel:
»Akademische Freiheit - heute«. Nach Workshops, unter anderem zur Frage
der Auswirkungen des Gesetzes auf Bedienstete und Studierende, findet
um 13.30 eine Podiumsdiskussion zum Hochschulfreiheitsgesetz statt,
neben Kreckel werden unter anderem der Vorsitzende des
Hauptpersonalrats, Klaus Böhme, Rektor Dieter Timmermann und
FDP-Generalsekretär Christian Lindner erwartet. Um 15.30 Uhr folgt eine
Demonstration gegen Bildungsabbau ab dem Hauptbahnhof.