Webwecker Bielefeld: Nächtens durch Bielefelder Theater (28.06.2006)

Nächtens durch Bielefelder Theater (28.06.2006)








Von Manfred Horn

Am Samstag, wie sollte es in diesen Tagen anders sein, war mal wieder Fußball. Deutschland gegen Schweden. Dem Hörensagen nach soll die deutsche Nationalmannschaft ganz gut gewesen sein. Das hielt aber rund 180 Theaterbegeisterte nicht davon ab, an der vierten Nachtreise der freien Bielefelder Theater teilzunehmen. Hier und da waren zum Startzeitpunkt noch kleine Lücken zu verzeichnen, einige kamen dann doch erst nach der zweiten Halbzeit dazu.

Bewährt hat sich das System, in drei Reisegruppen durch Bielefeld zu ziehen und an den Spielorten der Theater jeweils Auschnitte aus aktuellen Produktionen zu sehen. Die Transfers wurden jeweils von erfahrenen Reisebegleitern geleistet. Mit Heinz Flottmann ging die Fahrt vom Theaterhaus an der Feilenstraße zur Theaterwerkstatt zwar auch nicht schneller. Aber immerhin hatte er die passenden Kommentare zur Spezies der Hup- und Schwenkigangs bereit, die den Bus und überhaupt die ganze Innenstadt belagerten, nachdem die Schweden mit 2:0 untergegangen waren.

Zu sehen war das freie Theater in seiner ganzen Bandbreite. Das Trotz-Alledem Theater zeigte Auszüge aus »Erwin & Frosch«. Der Frosch ist natürlich ein verwunschener Prinz und natürlich trifft er auf eine Prinzessin. Das Stück für Kinder – und wie es immer so schön heißt – auch für Junggebliebene zeigte das Ensemble in gewohnter Qualität. Kontrastiert wurde es vom Mobilen Theater, das seine Stücke ebenfalls im Theaterhaus an der Feilenstraße zeigt. Statt der Dreigroschenoper Backstage trat jedoch zunächst ein ordentlich ramponierter Albrecht Stoll auf die Bühne. Der Regisseur war vier Stunden zuvor von der Leiter gefallen. Im Ergebnis lag ein Arm im Gips und ein Auge war auf eine bläuliche Hautmasse reduziert. Stoll hätte auch selber mitgespielt, seine Rolle musste eingelesen werden. Das tat dem Vergnügen des Publikums jedoch keinen entscheidenen Abbruch. Die Dreigroschenoper Backstage ist ein Ausschnitt aus dem Musical ›Moon of Alabama‹, das das Mobile Theater aktuell zeigt. Zu sehen war die reichlich chaotische und von Intrigen geprägte Probenarbeit zum Dreigroschenoper am Schiffbauerdamm im August 1928, untermalt von musikalischen Einlagen.

Die nächste Station war die Theaterwerkstatt Bethel. Die hatte vor zwei Jahren mit großem Erfolg auch die Dreigroschenoper im Programm. Nun spielt das Ensemble, das sich aus behinderten und nichtbehinderten Schauspielern zusammensetzt, ›Metamorphosen – auf den Fährten des Ovid‹. Im Rahmen der Nachreise waren einige Figuren aus der Mythenwelt der Antike zu besichtigen: Liebhaber und Selbstverliebte, Hasser und Selbsthasser, Macher und Opfer. Der theatrale Bilderbogen löst einen hohen ästhetischen Reiz aus. Dazu gehört auch, dass parallel zum eigentlichen Spiel ständig zwei Spieler mit zwei Videokameras herumbasteln und von einer wilden Landschaft Rauch aufsteigen lassen.

Die Dagmar Selje Puppenspiele und die Niekamp Theater Company zeigten ihr Puppentheater im Anker-Gebäude. ›Ein Schaf fürs Leben‹ und die bekannte ›Ronja Räubertochter‹ stehen dort auf dem Spielplan. Der Kleine Theater zeigte in der Ravensberger Spinnerei ein ›Gefährliches Wochenende‹, ein Kriminalstück. Das Alarm-Theater orientiert sich wie in den vergangenen Jahren auch weiter an der Erfahrungswelt Jugendlicher und zeigte ›Die letzte Show‹. Und das Forum für Kreativität und Kommunikation schließlich, dass seit einiger Zeit im Winfried-Haus am Kesselbrink zu finden ist, zeigte nochmals Ausschnitte aus ›Elling‹. Dort fand nach Mitternacht auch der Ausklang der Nachtreise statt.


Mehr Informationen: http://www.freie-theater-bielefeld.de

›Forum für Kreativität und Kommunikation‹: http://www.forum-info.de
›Niekamp Theater Company‹: http:/w/ww.niekamp-theater-company.de
›Mobiles Theater‹: http://mobiles-theater-bielefeld.de
›Trotz-Alledem-Theater‹: http://www-trotz-alledem-theater.de
›Alarm-Theater‹: http://www.alarmtheater.de
›Kleines Theater Bielefeld‹: http://www.kleines-theater-bielefeld.de

Reisebegleiter:
Clownin Louisa, Elaisa Schulz: http://www.elaisa-schulz.de
Krawalli, Andreas Wetzig: http://www.krawalli.de
Canaillen-Bagage: http://www.spiel-und-theater-nrw.de



Bildergalerie


Fotos: Manfred Horn





Erwin und der Frosch: Das Trotz-Alledem-Theater zeigte die deutsche Erstaufführung des Stückes von Bettina Wegenast



































Sorgte für ostwestfälischen Flair: Jürgen Rittershaus alias Heinz Flottmann, an der Trommel zeitweise begleitet von Voker Rott















Dreigroschenoper Backstage: Intrigenspiele angesichts einer Premiere. Adolf Hitler hat beim Mobilen Theater auch seinen Auftritt






















Die Theaterwerktstatt Bethel zeigte Metamorphosen und ließ die Sagenwelt in kräftigen Bildern auferstehen









































Das Tunneltheater bei seiner Reisebegleitung: Das Thema war die Karl-Peters Straße in Bielefeld. Der Namensgeber der Straße ist einer der größten deutschen Kolonisatoren. Mit den Szenen protestiert das Theater künstlerisch gegen den Straßennamen