Zwei Kunden des »Aktuellen Fitness-Studios« sind seit Februar Ex-Kunden. Sie hatten beim Training Türkisch miteinander gesprochen, was in der Muckibude an der Rohrteichstraße nicht erwünscht ist. Welche Seite gekündigt hat, ist umstritten. Auf jeden Fallen wollen jetzt fünf weitere Mitglieder des Studios aufgrund des Vorfalls ebenfalls ihre Verträge auflösen. Der Inhaber des Studios will dies nicht akzeptieren und droht mit Klagen.
Von Mario A. Sarcletti
Nicht nur auf einigen Schulhöfen im Land soll nur noch Deutsch gesprochen werden, auch in einem Bielefelder Fitnessstudio herrscht Deutschpflicht. Das erfuhren zwei Kunden des »Aktuellen Fitness-Studios« an der Rohrteichstraße Anfang Februar. Die beiden unterhielten sich während des Trainings auf Türkisch. Nachdem sie der Aufforderung durch den Inhaber, sich in den Räumlichkeiten ausschließlich auf Deutsch zu unterhalten, nicht nachkommen wollten, erhielten sie eine Kündigung. So stellen es zumindest fünf Mitglieder des Fitness-Studios, die ihre Verträge gekündigt haben, in einer Presseerklärung dar.
Alexander Leiteritz, der Anwalt des Studioinhabers, beschreibt den Sachverhalt im Gespräch mit dem WebWecker allerdings etwas anders. Es sei niemandem verboten worden, Türkisch zu sprechen, auch die Betroffene habe dem WDR gegenüber gesagt, dass sie »gebeten« worden seien, Deutsch zu sprechen. »Die Kündigungsinitiative ging dann von den beiden Protagonisten aus und Herr Schulz ist ihnen entgegengekommen«, sagt Leiteritz. Hätte der Inhaber des Studios gewollt, hätte er auf der Erfüllung der Verträge bestehen können, erklärt er. Von einem Verbot anderer Sprachen könne auch keine Rede sein. Da aber »unterschiedliche ethnische Gruppen«, zwischen denen es Ressentiments gebe, in dem Studio trainierten, werde darum gebeten Deutsch zu sprechen. So solle Grüppchenbildung vermieden werden. »Wenn sich eine Gruppe in einer anderen Sprache unterhält, könnten die anderen glauben, dass die über sie reden«, meint der Anwalt. Ob es diese Probleme auch mit Plattdeutsch oder österreichischem Dialekt gebe, vermag Alexander Leiteritz nicht zu sagen. »Das ist eine Frage der subjektiven Wahrnehmung«, findet er.
Für die austrittswilligen Mitglieder sieht das Ganze etwas anders aus. »Dieser Vorfall hat bei Bekanntwerden bei mehreren anderen Kunden des Fitness-Studios, die hierin eine durch nichts zu rechtfertigende rassistische Diskriminierung großer Bevölkerungsteile sehen, Unverständnis und Empörung hervorgerufen«, erklären sie in einer Pressemitteilung. Sie möchten nicht mehr in dem Studio trainieren und haben ihre Mitgliedschaft gekündigt, ihre Mitgliedskarten zurückgegeben und die Einzugsermächtigung für die Beiträge widerrufen.
Zuvor hatten sie nach eigenen Angaben in mehreren Diskussionen versucht, den Inhaber des Studios davon zu überzeugen, dass sein Deutschgebot diskriminierend sei. Nachdem diese nichts fruchteten, forderten sie schriftlich eine Klarstellung seitens des Inhabers. In dem Brief heißt es: »Per se ausgrenzend ist bereits Dein Statement, dass Leute, die die deutsche Sprache nicht beherrschen, eben nicht trainieren könnten, da so eine Kommunikation nicht gewährleistet sei«. Sollte dieses Statement tatsächlich so formuliert worden sein, ist es in dem Fall unsinnig. Denn der Gekündigte spricht und versteht problemlos Deutsch, wollte sich mit seiner Bekannten aber eben auf Türkisch unterhalten. »Hiermit wird von vornherein ein Teil der Bevölkerung wegen ihrer Herkunft und einer vermeintlichen Kommunikationsunfähigkeit ausgeschlossen«, kritisieren die fünf Fitness-Begeisterten denn auch in ihrem Schreiben.
In dem verweisen sie auch auf den gesellschaftlichen Kontext, in dem dieses Sprachverbot ausgesprochen wurde, auf die Debatte um »deutsche Leitkultur« und »vermeintliche Integrationsunwilligkeit von AusländerInnen, die damit zum Problemfall stigmatisiert werden«. »Sprechverbote oder andere Versuche bestimmte Haltungen oder Lebensweisen als Leitbild zu erheben, sind immer von einseitigen Machtstrukturen geprägt und gehen zu Lasten der sozial, politisch oder finanziell Benachteiligten«, formulieren die fünf Kündigungswilligen und beweisen damit ein Reflexionsvermögen, das man in Muckibuden nicht unbedingt erwarten würde.
Der Inhaber des Studios weigerte sich allerdings trotzdem das Deutschgebot aufzuheben, auch die Kündigungen will er nicht akzeptieren. »Man würde sich doch selber Lügen strafen«, sagt Alexander Leiteritz. »Man kann nicht aufgrund von unwahren Tatsachen einen Kündigungsgrund einräumen«, fügt er hinzu. Der Anwalt befürchtet auch, dass das Akzeptieren der Kündigungen einen Präzedenzfall schaffen würde. Die Austrittswilligen müssen jetzt mit Klagen rechnen und erhielten Post vom Anwalt. »Im Übrigen gehen wir davon aus, dass Vertragsgegenstand die Möglichkeit ist und war, sich körperlich zu ertüchtigen und nicht die Möglichkeit sich in Fremdsprachen zu unterhalten«, heißt es in einem Schreiben an eines der kündigenden Mitglieder.
Die fünf wiederum sehen in dem Verhalten des Studiobetreibers »nicht nur ein diskriminierendes Vorgehen gegen Menschen anderer Herkunft, sondern einen klaren Vertragsbruch, da von einem Deutschsprachgebot in den Verträgen oder Mitgliedschaftsbedingungen keine Rede ist«, wie sie in ihrer Pressemitteilung erklären. Gerichte müssten nun klären, »ob ein in einem Freizeitbetrieb ausgesprochenes Verbot der Kommunikation in anderen Sprachen als Deutsch ein Kündigungsrecht begründet«. Laut Alexander Leiteritz würde die Justiz in dieser Frage Neuland betreten. »Unsere Kanzlei vertritt viele Fitness-Studios und Freizeiteinrichtungen, bislang hat sich diese Problem noch nicht gestellt«, erklärt er. Er erinnert sich nur an den Fall einer Studiokette, die gezielt Menschen mit Migrationshintergrund nicht aufgenommen hat. »Da kann man sagen, das ist diskutabel«, findet der Anwalt.