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Rosskur für die Hochschulen (22.10.2003)



Der Senat der Universität Bielefeld befasste sich heute in einer Sondersitzung mit Plänen des Landes zur Neustrukturierung der nordrhein-westfälischen Hochschullandschaft. Das »Hochschulkonzept 2010« könnte das Aus für einige Fächer an der Universität bedeuten.

Von Mario A. Sarcletti

2010 scheint für die deutsche Politik eine magische Zahl zu sein. Während Kanzler Schröder mit seiner Agenda 2010 den Sozialstaat um- bzw. abbaut, möchte NRW-Wissenschaftsministerin Hannelore Kraft mit dem »Hochschulkonzept 2010« die nordrhein-westfälische Hochschullandschaft »gesund schrumpfen«. Dieser Euphemismus tauchte auf jeden Fall immer wieder auf der heutigen Senatssondersitzung auf, in der das weitere Vorgehen bei der Umstrukturierung der Universität Bielefeld beschlossen wurde. »Es geht darum, die Universität Bielefeld neu zu denken«, gab Rektor Dieter Timmermann den Kurs vor.

Bis Ende des Jahres soll die Universität dem Ministerium über die »kurz-, mittel- und wenn möglich auch längerfristigen Struktur- und Entwicklungsziele« berichten. Grundlage der Umstrukturierungen sind zum einen der »Qualitätspakt« zwischen dem Land und den Hochschulen, zum anderen Daten zu Absolventenzahlen und Drittmitteln pro Wissenschaftlerstelle, sowie dem Bedarf auf dem Arbeitsmarkt. Mit der Reform möchte das Land Überkapazitäten an den Hochschulen abbauen.

So sollen landesweit 15 Prozent der Studienplätze für Physik und Chemie abgebaut werden. Da die Auslastung in diesen Fächern an der Universität Bielefeld nur bei 56 beziehungsweise 66 Prozent liegt, droht die Schließung der Studiengänge. Das Rektorat hofft, diese durch Schaffung von Schwerpunkten verhindern zu können.

In der Philosophie ist die Auslastung mit 92 Prozent zwar hoch, die Zahl der Absolventen pro Wissenschaftler mit 0,7 aber miserabel. Auch Drittmittel, also Mittel für Forschung, die nicht vom Land kommen, sondern von privater Seite oder etwa der Deutschen Forschungsgemeinschaft, sind für die Philosophen nur schwer einzuwerben. Das Rektorat erwägt deshalb dem Fach eine Professorenstelle zu entziehen.

Schwer treffen könnte das Hochschulkonzept 2010 die Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft, die größte der Universität. Hier soll nach den Vorstellungen des Rektorats das Fach Romanistik gestrichen werden. Im Moment studieren hier fast 600 Studierende Französisch sowie Spanien- und Lateinamerikastudien, unter anderem auch in den neu entwickelten und erst im vergangenen Wintersemester eingeführten Bachelorstudiengängen. Die beiden Professuren sollen gestrichen werden.

Insgesamt will die Universität jedoch keine Stellen abgeben. Der Personalrat befürchtet aber, dass das Land die Umstrukturierung zum Abbau von Arbeitsplätzen nutzt und steht dem Hochschulkonzept 2010 skeptisch gegenüber. Außerdem kritisiert er das »Hauruck-Verfahren« mit dem das Konzept umgesetzt werden soll.

Dass die Zeit tatsächlich sehr knapp bemessen ist, zeigt die Tatsache, dass für den 7. Dezember, den zweiten Adventsonntag, eine Senatssondersitzung anberaumt ist. Dass der Senat an einem Sonntag tagt, ist höchst ungewöhnlich. Den Universitäten des Landes bleibt jedoch keine Wahl, sollten sie bis 2006 nicht eigene Vorschläge zur »Profilbildung« umsetzen, wird das Land diese verordnen. Genauso freiwillig war auch der Qualitätspakt 1999. Der versprach den Hochschulen Planungssicherheit bis 2010, wenn sie Stellen einsparen. Das haben sie getan, die Planungssicherheit bis 2010 war allerdings ein leeres Versprechen, wie das Hochschulkonzept 2010 zeigt.