Am vergangenen Freitag trafen sich in Bielefeld lebende Angehörige der kosovarischen Minderheit der Ashkali, ein Vertreter des »Vereins der Balkanägypter in Westeuropa« und Mitglieder von regionalen Flüchtlingsinitiativen zum Informationsaustausch im Bielefelder Rathaus. Sie wollen sich weiter gegen die seit Mai wieder aufgenommenen Abschiebungen von Angehörigen der Minderheiten in den Kosovo und für ein Bleiberecht der seit Jahren hier lebenden Menschen einsetzen. Ein erster Schritt dahin sollte ein Gespräch mit Vertretern der Stadt am Montag sein.Von Mario A. SarclettiHaki Rustemi lebt seit mehr als einem Jahrzehnt in Deutschland. »Meine Kinder verstehen nur fünf Prozent ihrer Muttersprache, mein Haus steht seit 15 Jahren leer und da, wo ich herkomme, wissen alle; dass ich Ägypter bin«, nennt der Mann aus Gelsenkirchen Gründe, die gegen die Abschiebung seiner Familie sprechen. Ägypter sind eine der Minderheiten im Kosovo neben Roma und Ashkali, die im Kosovo als »Madjup«, »Zigeuner«, beschimpft werden. Der Unterschied zwischen den Roma und den anderen Gruppen ist, dass erstere Romani sprechen, Ashkali und Ägypter hingegen Albanisch.
Die Familie Rustemi hat im Ruhrgebiet eine neue Heimat gefunden. Eine Heimat, die ihr die deutschen Behörden nicht zugestehen wollen, im vergangenen Jahr sollte sie ausreisen. »Mein Arbeitgeber hat darum gebeten, dass ich bleiben kann«, berichtet Rustemi. Oft fruchtet allerdings auch das nicht, in seinem Fall kamen aber die mehrtägigen Unruhen im Kosovo im März vergangenen Jahres der Abschiebung zuvor. Wie schon 1999 kam es zu Pogromen der albanischen Bevölkerungsmehrheit gegenüber den Minderheiten. »Mehr als 4000 Serbinnen, Ashkali und Roma wurden vertrieben, mindestens 19 Menschen starben bei den Auseinandersetzungen, mehr als 1000 Personen wurden verletzt, 900 Häuser niedergebrannt oder schwer beschädigt«, heißt es in einem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe.
Als Konsequenz aus den Unruhen weigerte sich die UN-Verwaltung im Kosovo, UNMIK, die selbst Ziel von Angriffen wurde, Angehörige der Minderheiten »zurückzunehmen«. Auch für sechs in Bielefeld lebende Ashkali Familien bedeutete das eine Atempause. Sie hatten im Mai 2003 ein Schreiben der hiesigen Ausländerbehörde mit dem Betreff »Rückkehr und Rückführung in den Kosovo« erhalten. Der Sachbearbeiter erklärt darin auch, was Rückführung bedeutet: »Sollten Sie ihrer Ausreiseverpflichtung nicht freiwillig nachkommen, muss ich Sie zur Abschiebung anmelden«, heißt es in dem Schreiben. Die betroffenen Familien, insgesamt 33 Personen, darunter zwölf Minderjährige, erklärten in einem gemeinsamen Schreiben, dass sie nicht freiwillig ausreisen werden.
Nach Meinung der Schweizerischen Flüchtlingshilfe hat die damalige Forcierung der Abschiebungen einen Grund in den Verhandlungen um den künftigen Status des Kosovo. Denn die Rückkehr der Flüchtlinge und Vertriebenen ist einer der »Standards« für die Statusverhandlungen, von denen Belgrad keinen als erfüllt ansieht. »UNMIK und Kosovo-Regierung sind derzeit vor allem daran interessiert, erreichte Fortschritte in ein positives Licht zu rücken«, lautet die Einschätzung der Flüchtlingshilfe in einem Bericht vom 25. Juli 2005. Die Abschiebungen sollten suggerieren, dass der Rückkehrprozess angelaufen sei und die ethnischen Minderheiten wieder im Kosovo leben könnten.