Webwecker Bielefeld: Eliza Fraser.

Eliza Fraser. Schiffbruch vor Australiens Küsten



Titel: Eliza FraserWer war Eliza Fraser? “Maler, Schriftsteller, Musiker, Groschenromanciers, Filmemacher und – in deren Schlepptau – unterschiedliche Sparten der Forschung wetteifern um den Zugriff auf die unzuverlässige Dame.“

Eine unbekannte Pionierin der Frauenbewegung, eine mutige, eigenständige Frau, wie die Verlegerin ursprünglich vermutete? Was ist das Besondere, das Fesselnde ihrer Geschichte, dass im 20.Jahrhundert so ein erstaunliches Comeback auslöst? Susanne Knecht „entkrustet“ gut lesbar und hintergründig die Story: 1886 kentert ein Handeslsegler vor der australischen Küste, an Bord Eliza Fraser, der Kapitän (ihr Ehemann) und eine achtzehn-köpfige Besatzung. Sie können sich rettet sich auf zwei lecke Beiboote retten, treiben wochenlang auf See. Ihre Hoffnung, eine Sträflingskolonie, der Außenposten der britischen Kolonialmacht, zu erreichen. Sie stranden auf einer Insel, der größte Teil der Mannschaft meutert, versucht es alleine weiter. Zurück bleiben zwei Matrosen, der Kapitän und Eliza Fraser. Als einzige überlebt sie bei Aborigines, nach sechs Wochen „rettet“ sie ein ehemaliger Sträfling in die „Zivilisation“. Das Besondere der Eliza Fraser: Untypisch für eine Frau dieser Zeit stellt sie sich in den Mittelpunkt, macht sich zur öffentlichen Person. Gewinnbringend vermarktet sie ihr Abenteuer.

„Gut versteckt unter dem turbulenten Geschehen jedoch liegt ein Sprengsatz“, den Susanne Knecht freilegt. Eliza Frasers rassistischer und kolonialer Blick auf die Ureinwohner Australiens, ihre eigentlichen Retter, wurde und wird unhinterfragt, übernommen, Rassismen werden kolportiert und verstärkt. „Die Skepsis gegenüber den Aborigines, die Ablehnung des Fremden in seiner offenkundigen Ausprägung führten dazu, dass in allen modernen – bildlichen wie schriftstellerischen – Präsentationen des Eliza-Stoffs, die Einheimischen Australiens als unartikuliert stammelnde, übelriechende, blutrünstige Monster zur Schau gestellt sind.“ So der „überragende Maler der australischen Moderne“, Sidney Nolan, der dieAborigines grausam und Eliza in patriarchaler Manier, hilflos, nackt darstellt. Immer wieder nimmt er diesesThema auf, transportiert gängige rassistische und sexistische Klischees. Seine Bilder sind zudem pornographisch. Analog entwirft der australische Nobelpreisträger Patrick White das Bild einer Eliza, die sich ihren Buschranger-Befreier zum Liebhaber nimmt. Zur negativen Darstellung der Ureinwohner gibt er an: „Der Grund ist, dass der australische Aborigine im Kontakt mit der Zivilisation eine verkommene (squalid) Kreatur ist“. Diese Aussage, ohne überhaupt irgend etwas über die Geschichte, das reale Leben dieser Menschen zu wissen. Eliza Frasers Geschichte bedient rassistische Stereotype, die, wen wundert es, gerne aufgegriffen und ausgeschmück werden. Ein wohltuender Lichtblick ist die Auseinandersetzung der australischen Künstlerin Fiona Foley mit dem Fraser-Thema. Sie setzt sich sowohl in ihren Bildern als auch wissenschaftlich kritisch mit dem Fraser-Mythos auseinander. „Was im akademischen Leben hierzulande stattfindet, ist eine krasse Romantisierung der kolonialen Existenz, die auf Ignoranz gründet, auf der Missachtung der Komplexität des aboriginalen Lebens, der aboriginalen Kultur und ihrer Sprachen, ihrer Verwandschaftssysteme, ihrer Religion, ihrer Kunst und ihres traditionellen Wissens.“ Fiona Foley bietet Sprengstoff, der bitter nötig ist. Spannend geschrieben, unbedingt lesenswert!


Susanne Knecht, „Eliza Fraser. Schiffbruch vor Australiens Küsten“. Europäische Verlagsanstalt, 22.50 Euro

Buch per Mail bestellen