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Horte mit Worte (Sprachförderung, 11.02.2003)



Kita Kammerich
Sprachförderung: Deutsche Sprache beim Brötchen backen lernen


Erst seit drei Jahren gibt es in Bielefeld besondere Sprachförderungsangebote für Migrantenkinder. Die Tendenz: steigend. Es hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass ohne Förderung der deutschen Sprache die Zukunftsaussichten schlecht sind. Die Kindertagesstätte Kammerich in Brackwede war die erste, die ein Sprachförderungsangebot machte.





Von Manfred Horn


»Horte sind ein verlässliches Angebot«, sagt die Jugendhilfeplanerin der Stadt Bielefeld, Regina Prizebilla-Vogt. »Unsere Horte sind gut«, stimmt ihr Claudia Riechert, Leiterin der Kindertageseinrichtung Kammerich in der Brackweder Waldecker-Straße zu. Kammerich ist eine von insgesamt 43 Kindertageseinrichtungen (Kitas), die die Stadt Bielefeld vorhält. Und Kammerich gehört zu den 25 Kitas, die ein Sprachförderangebot machen.

Diese Angebote sind auf Migrantenkinder im Alter von drei bis sechs Jahren zugeschnitten. Die meisten Kitas arbeiten dabei nach dem »holländischen Rucksack-Prinzip«, wie Norbert Wöhrmann, Sozialplaner beim Bielefelder Amt Jugend, Soziales und Wohnen erklärt. Dieses in Holland entwickelte Prinzip geht davon aus, dass Kinder erst einmal ihre Muttersprache richtig erlernen müssen: »Dann kommt als Rucksack Deutsch oben drauf«, sagt Wöhrmann. Förderung erfolgt in zwei Stufen: Verbesserung der Muttersprache und darauf aufbauend das Erlernen der deutschen Sprache.

Kinder von Migranten aus der Türkei haben bis heute häufig Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache. Ein klarer Nachteil für ihre Schul- und Berufsbiographie. Wird die deutsche Sprache nicht richtig beherrscht, landen Migrantenkinder häufiger als deutsche Kinder in Sonderschulen. 1999 waren 9,4 Prozent der Schüler in allen Schulen zusammen nichtdeutscher Herkunft, unter den Sonderschülern waren es jedoch 15 Prozent. Einmal dort angekommen, sinken die Chancen auf Integration, die Ausgrenzung aus der Gesellschaft wird schon sehr früh zementiert. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls eine Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung.

Die Kammerich-Kita in Brackwede blickt auf eine längere Geschichte zurück: Anlässlich des 90-jährigen Jubiläums des Stahlunternehmens Kammerich-Werke, die danach in der Mannesmann AG aufgingen, wurde ein Kindergarten gebaut und 1954 eröffnet. Mit den ersten »Gastarbeitern« kamen auch die ersten Migrantenkinder aus der Türkei. Seit den 1970er Jahren sind sie aus dem Alltag der Kita nicht mehr wegzudenken. Heute machen Kinder mit türkischem Migrationshintergrund 75 Prozent der 45 Kindergarten-Kinder aus. Deutsche Kinder sind deutlich in der Minderheit.