Webwecker Bielefeld: awards200201

Negative Datenschutzpreise 2002 verliehen



Insgesamt acht Unternehmen und Personen dürfen sich gar nicht freuen: Sie sind der Jury des Big-Brother Awards 2002 durch Datenschutzmissachtung aufgefallen. Mit dabei: der Softwareriese Microsoft und der NRW-Innenminister Fritz Behrens.

Von Manfred Horn

Am vergangen Freitag wurden in der Ravensberger Spinnerei die Big-Brother-Awards 2002 verliehen. Die Negativ-Datenpreise einer Jury, der unter anderem der Bielefelder FoeBuD (»Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs«), die Humanistische Union und der Chaos-Computer-Club angehören, wurde bereits im dritten Jahr vergeben und findet bundesweit Beachtung. Thilo Weichert, stellvertretender Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz in Schleswig-Holstein, betonte anlässlich der Preisvergabe die Notwendigkeit der Awards. Vor vier Jahren sei er noch davon ausgegangen, in Deutschland gebe es keine »Datenkraken«. Inzwischen habe sich die Situation aber verändert.

Besonders in Folge des 11. Septembers 2001 forcieren Politiker den Abbau von Datenschutz. Der Ausspruch von Bundesinnenminister Otto Schily, Datenschutz dürfe nicht zum Täterschutz werden und die Würde des Menschen hänge nicht von seinem Fingerabdruck ab, wiesen in den vergangenen 13 Monaten die Richtung. Folgerichtig sind einige der diesjährigen Awards an Politiker beziehungsweise politische Institutionen verliehen worden.

Preisbringend war der Beschluss des Deutschen Bundesrates, die Anbieter von Telekommunikations-Dienstleistungen zur Speicherung der Verbindungsdaten für eine nicht festgelegte Dauer zu polizeilichen und geheimdienstlichen Zwecken zu verpflichten. Was vorgeblich der Gesetzesinitiative der Länder Bayern und Thüringen zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern dienen soll, wird zum globalen Datenangriff auf die gesamte Bevölkerung. Im Mehrheits-Beschluss des Bundesrats vom 31. Mai 2002 ist nicht zu erkennen, was die Vorratsdatenspeicherung mit der Bekämpfung des Kindesmissbrauchs zu tun haben könnte. Sollte der Beschluss auch den Bundestag passieren, so wird zukünftig jeder, der E-Mails verschickt, telefoniert, Seiten im Internet aufruft oder auch nur eine SMS versendet, erfasst.

Wer sich im öffentlichen Raum erfolgreich an der wachsenden Zahl von Videokameras vorbeidrückt, kann im realen Leben immerhin noch unerkannt Brötchen kaufen. Die virtuelle Existenz ähnelt aber immer mehr einem Wackelpudding: die totale telekommunikative Überwachung mit einer euphemistischen Tarnfarbe der Bekämpfung alles Bösen auf der Welt. Übertragen ins reale Leben hieße das, alle Brötchenkäufer der Bundesrepublik würden bei jedem Kauf ihren Personalausweis vorzeigen, der dann von der netten Bäckereisverkäuferin in kopierter Form an eine zentrale Erfassungsstelle geschickt wird.

Den Preis in der Kategorie »Behörden und Verwaltung« erhielt das Bundeskriminalamt (BKA) wegen der Einführung von Präventivdateien mit den schönen Namen LIMO (Gewalttäter Links), REMO (Gewalttäter Rechts) und AUMO (politisch motivierte Ausländerkriminalität). Jeder, der bei einer Demonstration mit der Polizei in Berührung kommt, kann so, auch ohne jemals eine Straftat begangen zu haben, in einer dieser drei Dateien landen. Die Konsequenzen erfuhren diejenigen Demonstranten, die 2001 zum G-8 Gipfel nach Genua reisen wollten, denen aber an der deutschen Grenze die Ausreise verweigert wurde. Sie wurden an Hand der LIMO-Daten also potentielle Gewalttäter eingestuft und mussten in Deutschland bleiben. Erwachsene können drei bis fünf Jahre, Kinder zwei Jahre lang gespeichert werden.