Wie die anderen Podiumsteilnehmer sprach aber auch sie sich gegen Sanktionen aus, wenn ein Schüler trotz eines entsprechenden Beschlusses eine andere Sprache als Deutsch spricht. In Hamburg sollen Schüler, die gegen die Deutschpflicht verstoßen, den Schulhof fegen. Auch Hasselmann kritisierte die aufgeregte Diskussion: »Wir sollten eher über Chancengleichheit in der Bildung und pädagogische Konzepte über den Umgang mit Mehrsprachigkeit diskutieren«, findet sie. »Und mit Mehrsprachigkeit meine ich nicht, dass die Kinder mit fünf Jahren Englisch lernen müssen, sondern ihre Herkunftssprache gefördert wird«, erläuterte Hasselmann, die aber auch nichts gegen Englisch in der Grundschule hat.
Auch Eleonore Chowdry und Tayfun Keltek kritisierten, dass die Mehrsprachigkeit von Kindern mit Migrationshintergrund nicht stärker gefördert werde, etwa durch Unterricht in der Muttersprache. So würden sie es begrüßen, wenn die Herkunftssprache als zweite Fremdsprache gewählt werden könnte. Dass dieses Potenzial bisher nicht genutzt wurde, wundert Tayfun Keltek aber nicht: »Man hat doch grade erst erkannt, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist«, sagte er.
Britta Hasselmann stimmte ihm zu: »Wir diskutieren jetzt etwas, das dreißig Jahre lang versäumt wurde«, betonte sie. So habe es lange Zeit nur Sprachkurse für Aussiedler gegeben, für andere Migranten jedoch nicht. Eine Zuhörerin wies darauf hin, dass auch heute noch zu wenig Sprachkurse angeboten würden. Britta Hasselmann nahm den Hinweis auf und kritisierte, dass die Bundesregierung erwäge, 60 Millionen Euro für Sprachkurse aus dem Haushalt 2007 zu streichen. Die bei der Ausarbeitung des Zuwanderungsgesetzes geplanten Integrationsmaßnahmen würden zudem gerade von den CDU-regierten Ländern blockiert. Auch Tayfun Keltek forderte mehr Unterstützung von Migranten beim Spracherwerb. Vor allem müssten genügend wohnortnahe Kindergartenplätze für Migrantenkinder angeboten werden. »Wenn ein Kind drei Jahre im Kindergarten war, hat es keine Deutschprobleme«, beschreibt er seine Erfahrung. Die meisten Migrantenkinder gingen aber eben nur ein Jahr in den Kindergarten.
Richtig spannend wurde es noch einmal gegen Ende der Podiumsdiskussion: Ein junger Mann berichtete von seinen Erfahrungen mit der Deutschpflicht in einem Bielefelder Fitnessstudio. Er trainierte dort mit einer türkischen Freundin, unterhielt sich währenddessen in der gemeinsamen Muttersprache. »Am vierten Tag kam dann eine Trainerin und hat uns gebeten Deutsch zu sprechen«, erzählte er. Die beiden fühlten sich diskriminiert. »Der Chef hat uns schließlich erklärt, dass er entscheide, welche Sprache gesprochen werde«, erinnerte sich der gebürtige Türke. Schließlich flogen die beiden raus.
Inzwischen haben sie Anzeige gegen den Betreiber des »Aktuellen Fitnessstudios« erstattet. Der hat demnächst womöglich einen weiteren Rechtsstreit am Hals. Ein Mitglied des Studios kündigte seinen Vertrag aufgrund des Vorfalls, den alle Teilnehmer der Podiumsdiskussion als Skandal bezeichneten. Der Studiobetreiber weigerte sich aber die Kündigung zu akzeptieren. »Er hat mir mitgeteilt, dass mein Vertrag noch bis Ende des Jahres läuft«, berichtete der Sportler, der die Einzugsermächtigung für sein Konto aufkündigte. »Er soll mich jetzt mal verklagen«, zeigt er sich kampfeslustig. Ein halbes Dutzend weiterer Kunden des Aktuellen Fitnessstudios verlangen zudem eine Erklärung des Studiobetreibers.
Wie absurd die Diskussion um Deutschpflicht auf Schulhöfen und in Fitnessstudios ist, war am Beispiel des des Fitnessstudios Verwiesenen klar zu sehen: Er lebt seit zehn Jahren in Deutschland und ist deutscher Staatsbürger. Zur Zeit macht er seinen Zivildienst. Das dürfte doch als Zeichen der Integration wohl ausreichen.