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Rechte Trittbrettfahrer (15.03.2006)



Die Agenda 2010 und Hartz IV führten im vergangenen Jahr zu massiven Protesten, eine Zeit lang waren Montagsdemos gut besucht. Aber nicht nur Gute waren dabei, auch Rechtsextreme versuchten – wohl auch in Bielefeld - auf den Zug aufzuspringen. Warum ihnen das zum Teil gelang, wieso ihre Maskerade als »Rächer der Entrechteten« zum Teil doch einfach zu durchschauen ist und was man gegen den braunen Mob auf den Montagsdemos unternehmen kann, erklärte ein Gewerkschafter am vergangenen Freitag in der Bürgerwache. Außerdem ging es in der Veranstaltung um die Pläne von »Autonomen Nationalisten« und anderen Kameraden, am 25. März durch Gütersloh zu ziehen.



Von Mario A. Sarcletti

Kassi Loeben ist Mitglied der »AG Rechtsextremismus« bei verdi Berlin-Brandenburg. Natürlich wurmt ihn die propagandistische Teilnahme von Rechtsextremen an Demos gegen Hartz IV, Globalisierung und Sozialabbau. In einer sehr informativen Broschüre, die unter www.agrexive.de bestellt werden kann, hat er deshalb mit Kolleginnen und Kollegen Fakten und Hintergründe zusammen getragen, die er am vergangenen Freitag, illustriert mit vielen Fotos, in der Bielefelder Bürgerwache präsentierte.

Kassi Loeben wurmt aber offensichtlich auch, dass Besserwessis das Problem gerne jenseits der Elbe sehen. »Es mag erst mal als ostdeutsches Problem erscheinen«, stellte er in seinen ersten Sätzen fest. »Aber es gab das Problem zum Beispiel auch in Mönchengladbach«, rückte er die Perspektive gleich richtig. Bei der gut besuchten Veranstaltung in der Bürgerwache, zu der sowohl Antifas als auch Montagsdemonstranten kamen, war seine Sorge aber unbegründet, dass sich Westdeutsche von dem Problem distanzieren könnten.

Gleich zu Beginn stellte ein Redner klar, dass es das Problem auch auf einer Bielefelder Montagsdemo gegeben hat: »Da stellten sich Neonazis ans Offene Mikrofon«, erklärte er. »Hier haben das Leute den Veranstaltern gesagt, die sich schon lange wissenschaftlich mit dem Rechtsextremismus auseinandersetzen und keinen Quatsch erzählen. Die mussten dann erst mal ewig mit denen diskutieren, ob man Nazis ausschließen darf von den Protesten«, berichtete ein anderer. Ein Dritter erzählte, dass an einer Veranstaltung der IG Bergbau Chemie Energie im Sauerland zehn »Autonome Nationalisten« teilnahmen und sich danach im Internet sehr positiv über die Diskussion geäußert hätten.

»Die Faschisten versuchen sich an soziale Bewegungen dranzuhängen«, brachte Kassi Loeben das Problem in der Bürgerwache auf den Punkt und erklärte, dass das kein neues Phänomen sei. In der Anti-AKW-Bewegung der 70 Jahre habe es das gegeben – auch in Gorleben versuchten vor einigen Jahren Rechtsextreme auf den Anti-Castor-Zug aufzuspringen -, auch bei den Demos gegen den Irak-Krieg hielten Neonazis ihre Fahnen in den Wind. Neu sei hingegen, dass die Polizei die Teilnahme von Rechtsextremen – und das dann doch vor allem in den »Neuen Bundesländern« – durchzusetzen versuchte. Auch die Zahl der Versuche von Rechtsextremen sich an den Protesten zu beteiligen sei bei Hartz IV ein Novum gewesen.

»Dabei treten die dann mit Parolen und Transparenten auf, bei denen man nicht unbedingt Rechte vermuten würde«, warnte Kassi Loeben und zeigte ein Foto von einer Hartz IV Demo: »Gleiche Löhne für gleiche Arbeit« steht auf dem ersten Transparent. Das klingt nach einem Slogan der Gewerkschaften, die Botschaft wird erst offensichtlich, wenn man das Transparent von den gleichen Kameraden nur fünf Meter dahinter sieht: »Sozialstaat nur für deutsche Volksgemeinschaft«, ist darauf zu lesen. Es geht also nicht um gleichen Lohn für alle, die die gleiche Arbeit verrichten, egal ob Mann ob Frau ob Migrant, sondern für gleiche Löhne für Deutsche in Ost und West.