Webwecker Bielefeld: faber02

Faber Castell (Teil 2)





Der doppelte Faber auf seiner Weltreise zu seinem Ich


Überhaupt sind fast alle immer dabei, auch wenn sie eigentlich gar nicht anwesend sind. Hanna, die von Ines Buchmann gespielt wird, und Yvi, die Christina Huckle darstellt, sind nicht an Bord des Schiffes nach Europa, weil die eine in Athen, die andere in New York weilt. Und doch nimmt Schlüter sie mit an Bord. So können die beiden immer wieder Faber kommentieren, seine Sicht der Welt ergänzen und nötigenfalls geraderücken. Mit diesem Kunstgriff gelingt es Schlüter, Leben in die Angelegenheit zu bekommen. Nun entstehen Dialoge und Einwürfe, aus dem Bericht wird ein Stück Leben. Und Faber, der doppelt auf der Bühne steht, kann sich aus einer zeitlichen Differenz heraus immer wieder selbst neu ordnen und er kann zu sich selber sprechen.

Dass Frisch seine Figuren während der Erzählung um den halben Globus jagt, andererseits das Theaterlabor, in dem das Stadttheater noch bis Ende der Spielzeit zu Gast ist, keine großartigen Umbauten zulässt, nimmt Schlüter gelassen. Im Hintergrund zeigt ein Display auf einer Weltkarte, wo sich die Akteure gerade herumtreiben. Denn zugleich bleibt die Bühne immer gleich. Eine besondere Herausforderung, die die Inszenierung gelungen löst. Mehr noch, die Darsteller müssen mit Hilfe weniger Requisiten spielen, was sonst die Bühnenausgestaltung vorgeben würde. Da hatte Anke Grot, die das Bühnenbild entworfen hat, einige gute Einfälle. Fehlt das Flugzeug, tut es eben auch ein starkes Gebläse. Ruckelt die Maschine, weil die Propeller ausfallen, dann kann man das sehr gut auch auf Drehstühlen darstellen, deren Rückenlehnen von den Spielern nach hinten weggedrückt werden.

Willkommen in den Parallelwelten

Homo Fabers Ich-Bezogenheit, zugleich eine Unwissenheit über sich selbst, bringt Schlüter zum Höhepunkt, als er ihn parallel mit Ivy zum Publikum sprechen lässt. Beide sprechen, völlig beziehungslos, auf das Publikum ein, berichten ihre Sicht der Dinge. Ansonsten wird deutlich, dass das Ich, so fragmentiert und unerforscht es auch sein mag, nicht ohne den sozialen Raum existieren kann. Denn das Ich wird zum Ich, weil ein anderer Du sagt. Diese Grundfeste menschlicher Existenz, deren einsiedlerische Ausnahme die Regel eher bestätigt, setzt Schlüter so um, dass sie präsent ist. Ivy ist dafür ein redsames Beispiel.

Die gesammelten Paralleluniversen des Homo Faber, die sich alle auf einer Bühne zwischen Mexiko und Athen bündeln, werden auch durch Sabeth forciert. Katharina Uhland, die erstmals im Theater Bielefeld auf der Bühne stand, spielt die Naive. Dies ist ihr gutes Recht: Mit 20 hat man noch Träume und wenig Lebenserfahrung. Zumindest meistens, denn Faber weiß mit 50 auch nicht mehr von der Welt. Sabeth nun spielt teilweise parallel und macht einen eigenen Handlungsstrang auf. Sie speit Tischtennisbälle Richtung Publikum oder nutzt sie als Brustvergrößerung. Das ist amüsant, zeigt es doch ihre spielerische Herangehensweise ans Leben. Daraus entstehen schöne Bilder, die die Staubigkeit Fabers kontakarieren, auch wenn mancher Zuschauer hier und da ein Fokusproblem bekommen haben sollte: Zu wem soll ich nun hinschauen?

Schlüter ist es mit den exzellenten Darstellern zusammen gelungen, sich dem Thema auf erfrischende Weise zu nähern. Das ist gerade in Zeiten, in denen Technik die eigentliche Kommunikation zunehmend zu simulieren droht, hochaktuell. Die Klarheit der Person Fabers und des Ortes bröckeln von Anfang an – dank einer ausgefeilten Dialogtechnik, die die Personen mit Sichten über sich, mit Meinungen von anderen, mit Rückschauen auf Vergangenes lebendig werden lässt. So wird aus einer Chronologie Dramaturgie.