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Faber Castell (15.03.2006)





Homo Faber ist berührt: Von einer attraktiven jungen Frau, die sich als seine eigene Tochter herausstellt. Alle Fotos: Philipp Ottendörfer


Von Manfred Horn

Faber kennt sich mit Menschen nicht aus. Maschinen und Motoren sind seine Welt. Und die vernutzen sich, damit schließlich Faber doch ein bisschen näher an sich selbst heranzukommen kann. ›Homo Faber‹ von Max Frisch ist eines der meistgelesenen Bücher im deutschsprachigen Raum. Frisch verfasste es 1957, und das merkt man: Der Schweizer ist nicht gut zu sprechen auf die Deutschen und eine der Protagonistinnen ist Hanna, eine Halbjüdin.

Homo Faber, der »schaffende Mensch«, ist ganz überzeugt vom technischen Fortschritt, jegliches Mystische lehnt er ab. Überraschendes verbannt er in die Kategorie der statistischen Ausnahme. Und doch – wie sollte es anders sein – gerät er in der Geschichte von einer Ausnahmesituation in die nächste. Zunächst muss Faber während einer Reise nach Mexiko in der Wüste notlanden. Er lernt den Deutschen Herbert kennen. Dessen Bruder aber ist ein alter Freund – Faber behauptet: sein einziger Freund – der bezeichnenderweise in der Wüste auf einer Plantage lebt. Als Faber und Herbert dort ankommen, finden sie den Mann erhängt.

Zurück in seiner Heimat New York entschließt sich Faber, statt mit dem Flugzeug mit dem Schiff nach Europa zu reisen. Denn dann kann er einige Tage früher los, eine Schifffahrt dauert einfach länger. Er kann Yvi, seine Geliebte, nicht länger ertragen. Auf der Schiffspassage lernt Faber eine junge Frau namens Sabeth kennen – und lieben. Sabeth, die fast 30 Jahre jünger ist als Faber, gibt ihm keine klaren Antworten, lässt sich aber auf ein Abenteuer mit Faber ein. Die beiden reisen durch Europa, bis sie in Athen landen. Faber wird nun klar, dass Sabeth die Tochter der Frau ist, die er vor 30 Jahren geliebt hat: Hanna Faber glaubt, dass Sabeth nicht seine Tochter ist, obwohl er weiß, dass Hanna genau vor 20 Jahren – so alt ist auch Sabeth – ein Kind von ihm erwartete.

Als Sabeth bei einem Ausflug ans Meer gebissen wird und ins Krankenhaus muss, erfährt Faber die Wahrheit: Sabeth ist seine Tochter. Er reagiert ohne Emotion. Sabeth stirbt. Jahre später ist auch Faber vom Tod bedroht: Er liegt in einem Athener Krankenhaus, blickt zurück und notiert:»8.05 Uhr Sie kommen«. Damit meint Faber die Ärzte, die seinen Magen operieren wollen. Faber ahnt: Er hat Krebs.


Von der Mystik der Zufälle

Die Geschichte wimmelt so sehr von Zufällen, dass jegliche Wahrscheinlichkeitsrechnung versagt. Auch Faber gerät ins Wanken: Ihm hätte eigentlich klar sein müssen, dass Sabeth seine Tochter ist, als die ihm erzählte, ihre Mutter heiße Hannah. Doch Faber entwickelt am Menschen keinen Forscherdrang. Er lässt die Aussage so stehen – zu seinem eigenen Vorteil. So forsch der Techniker Faber sein mag, so bequem und unfähig ist er, wenn es um Menschen geht.

Christian Schlüter nun hat Homo Faber für das Theater Bielefeld inszeniert. Es ist immerhin die Uraufführung an einem Theater in Deutschland. Dem äußerst detaillierten Bericht, den Max Frisch vorlegte, nähert er sich mit einem ungewöhnlichen Stilmittel: Er doppelt die Person Fabers. Da ist der alte Faber, gespielt von Stefan Gohlke, der Rückschau hält, und da ist der Gegenwärtige, dargestellt von Stefan Imholz, verstrickt in Abenteuer mit Abgrundtendenz. Beide sind gleichzeitig auf der Bühne, beide sprechen miteinander.