Webwecker Bielefeld: eckengaknast

Die Erscheinung Eckengas (15.03.2006)





Der Beginn einer Freundschaft? Eckenga spricht mit Angie über Politik und Religion




Von Manfred Horn

»Ich hatte heute das erste Mal seit langem wieder Bedenken mit meinem Programm, weil die Leute hier in einer anderen Wirklichkeit leben«, erzählt Fritz Eckenga nach der Vorstellung. Fritz Eckenga wurde einem breiteren Publikum Ende der 1990er als Hans-Peter Kaltenbacher, Leiter einer führenden Baumarktkette im westlichen Westfalen, also östliches Ruhrgebiet, bekannt. Das noch breitere Publikum dürfte ihn schon in der N8chtschicht wahrgenommen haben. Im Normalfall eröffnet er seine Abende mit den Worten: »Schön das sie gekommen sind«.

Diese freundliche Anrede lässt er am Montag Abend weg. Nicht, dass sich der Dortmunder an Pommes gelb-schwarz verschluckt hat. Nein, der Ort des Geschehens ist ein besonderer: die Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede I. Die Häftlinge kommen und gehen nicht wann sie wollen – und schon mal gar nicht wann sie wollen. Sie kennen die Parteienwerbung bei der Bundestagswahl 2005 im besten Fall aus dem Fernseher und haben auch noch keine Ich-AG gegründet. 690 Männer und Frauen, davon 600 Männer, sitzen in der Betonfestung ein, viele von ihnen schon seit Jahren. In der vor 30 Jahren erbauten Vollzugsanstalt herrscht Überbelegung – wie immer. Da soll der Eckenga etwas Besonderes sein.

Organisiert hat die Lesung der Kreis 74. »Eckenga ist einer unser Ehrenamtlichen«, erklärt Mitarbeiter Norbert Schaldach. Der Kreis 74 gründete sich nicht aus einem so profanen Anlass wie dem WM-Sieg einer deutschen Fußballnationalmannschaft. Obwohl dies gut zu Eckengas Programm gepasst hätte. 1974 ins Leben gerufen, kümmert sich um Straffällige und ihre Angehörigen. Dazu gehört auch Wiedereingliederungshilfe. Im Zentrum Bielefelds hat das Wohnprojekt des Kreis 74 12 stationäre Plätze für Männer mit besonderen sozialen Schwierigkeiten. Und Eckenga wird von Schaldach zum Ehrenamtlichen erklärt, weil der am Montag ohne Gage nach Bielefeld gekommen war, um im Gefängnis aufzutreten.


Lesen unterm Frost

Gut 30 Häftlinge ließen sich so am Montag Abend in den »Mehrzweckraum/Kirche« bringen. Ein Raum, in dem sich auch schon mal die Belegschaft versammelt. Wobei – Vorsicht Falle – man da in einem Knast differenzieren muss: Die Belegschaft sind nicht die, die unfreiwillig die Zellen belegen. Der Freizeitbeauftragte des Gefängnisses jedenfalls freute sich. Schließlich kommen solche Events nur drei bis vier mal im Jahr vor. Die Firma ›KGB Event‹ aus Bielefeld hatte kostenlos zwei fette Strahler aufgebaut, damit Eckenga auch im rechten Licht erscheint. In dem großen Raum schien es zunächst, als müssten alle Anwesenden Buße tun für ihre Sünden: Jemand hatte vergessen, die Heizung anzustellen. Eckenga spielte gegen den Frost an, der den Zuhörern unter ihre mehr oder weniger dicken Kleider kroch – ein Teil der Häftlinge kam im Sweatshirt, obwohl ein Schwitzen weit entfernt war.