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Und Aktion! (01.02.2006)
Marc Amann: »Protest darf Spaß machen«
Von Manfred Horn
Voll war es am Dienstag Abend in der Bürgerwache. Marc Amann war samt Dia- und Filmshow aufgelaufen, um den gut 70 ZuhörerInnen etwas über kreativen Straßenprotest zu erzählen. Das Thema ist seit Jahren ein Dauerbrenner in der linken Szene, denn die traditionellen Demonstrationen mit Schildchen und Transparent werden von der Öffentlichkeit immer weniger beachtet. Die Linke im Allgemeinen ist damit endgültig in der Mediengesellschaft angekommen. Denn die Medien transportieren Töne und Bilder und Botschaften. Wenn es sich um Mainstream-Medien handelt, ist der außergewöhnliche Protest oft die einzige Möglichkeit, es überhaupt dort hinein zu schaffen. Die Medien haben aber auch Rezeptionsmuster verändert. Passanten müssen nachhaltig irritiert oder animiert werden, damit sie überhaupt zuschauen oder bestenfalls gleich mitmachen. Die Message kommt dann subtil daher oder wird per Flugblatt nachgereicht.
Neu ist das alles nicht, schon die 1968er bastelten an alternativen Darstellungsformen des Protests. Ende der 1980er gab es dann auch schon mal einen falschen DVU-Stand, hinter dem sich in Wirklichkeit verkleidete Linke tummelten. Cheerleading fand bei beispielsweise bei den Protesten gegen die Postmeister-Nazikneipe am Kesselbrink Eingang in die Bielefelder Demonstrationsgeschichte. Berühmt auch die Reclaim the street Party 1997, die bis heute die Gerichte beschäftigt (WebWecker berichtete).
Neu aber ist die enorme Ausdifferenzierung. Ständig entstehen neue Formen kreativen Protests. Selbst nach Veröffentlichung des Buches, das Marc Amann im vergangenen Jahr im Trotzdem-Verlag veröffentlichte und das wegen des großen Erfolgs kurz vor der zweiten Auflage steht, sind schon wieder neue Protestformen entstanden. Pink und Silver, Flash-Mob, Radio-Ballett, Critical Mass, Street Art, Radical Clown, viele der Formen stammen offenbar aus englischsprachigen Ländern. Da wird unter Überwachungskameras in den USA Theater gespielt. Da bekommt der Präsident einer Hochschule feierlich eine Torte ins Gesicht geklatscht, weil er für Studiengebühren ist. Da versammeln sich per SMS viele zu einer bestimmten Zeit, um fünf Minuten lang vor einem Promi-Hotel zu applaudieren, obwohl gar keine Prominenten zugegen sind.
Gemein haben alle Formen bewusst angewandt dass künstlerische Elemente in öffentlichen Protest auf der Straße einbezogen werden. Kreativität und Spontaneität sind angesagt: Viele Linke waren es leid, den Asphalt herunterzulaufen und abundzu eine Parole zu grölen. Populär und medial wahrgenommen wurden die neuen Aktionsformen seit Beginn des Jahrtausends bei den zahlreichen Gipfeln, sei es G-8 oder IWF. Da tauchten dann auf einmal Großpuppen auf, die an Carnival erinnerten. Spektakulär war der Fall, als sich unter einer solchen riesigen Puppe Personen verbargen, die aus Protest gegen Umweltzerstörung gleich mal mit einem Presslufthammer die Straße aufrissen.
Lachen, bis die Muskeln schmerzen
»Wenn ich nicht tanzen kann, ist das nicht meine Revolution«, ist einer der Slogans dieser neuen Linken, die sich vom Schwarzstil der Autonomen und der Jeans-Lederjacken-Kombination von Altlinken abgrenzen wollen. Die Anarchistin Emma Goldman äußerte diesen Satz, der zu einem Leitbild wurde. Der Bezug zum eigenen Leben sollte wieder hergestellt werden, auch auf der Straße. Politik sollte wieder Spaß machen. Amann berichtet über die Gipfelproteste 1999, als eine Zahl AktivistInnen bereits bei einer S-Bahn-Station gestoppt wurde. Unter ihnen auch ProtestlerInnen aus Indien: Sie begannen plötzlich und andauernd zu lachen. Obwohl eingekesselt, lachten sie die Polizisten aus lachten aber auch für sich selber. »So kann man selbst auch positiver mit der Situation umgehen«, sagt Amann. Das Lachen war hochgradig ansteckend. Schließlich lachten nicht mehr nur die Inder, sondern alle, die im Kessel festsaßen.
Und Aktion! (Teil 2)
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