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Dramatische Abschiebung nach Georgien (25.01.2006)





Protest gegen Abschiebung nach Georgien. In NRW leben rund 200 Yeziden aus Georgien


Von Manfred Horn


Vor eineinhalb Wochen wurde in Rietberg (Kreis Gütersloh) die fünfköpfige Familie D. nach Georgien abgeschoben – gegen ihren Willen. Am Samstag, 14. Januar, stand am frühen Morgen ein Sondereinsatzkommando der Bielefelder Polizei vor der Tür der Familie im Blütenweg in Rietberg-Neuenkirchen. Die Beamten drangen mit Sturmhauben vermummt in die Wohnung ein und verfrachteten die Familie in die Bielefelder ZAB (Zentrale Ausländer-Behörde). In einem Gefangenentransporter fuhr die Polizei die Familie am Vormittag nach Frankfurt. Von dort aus wurde sie noch am selben Tag nach Tiflis, der Hauptstadt Georgiens, abgeschoben.

Von dort aus meldete sich die Familie inzwischen. Nach Angaben von Frau. D. sei man »fix und fertig«. Die Kinder haben Husten und Fieber, der Mann liege apathisch auf dem Bett des kleinen Zimmers und rühre sich kaum. Die Frau hat Angst, dass sich ihr Mann umbringt. Eine ärztliche Behandlung gebe es in Tiflis nicht. Den genauen Aufenthaltsort will die Familie aus Angst vor Repression nicht mitteilen. Man traue sich nicht auf die Straße, erklärt Frau D.

Die Ausländerbehörde begründete den Zugriff ohne Vorwarnung mit einem Sondereinsatzkommando mit der von Herrn D. geäußerten Suizidabsicht. Die Polizei habe der überraschten und verzweifelten Familie aber mitgeteilt, Freunde und Helfer seien vorab informiert gewesen. So jedenfalls berichten Angehörige der Familie D. »Da hatten sie das Gefühl, von Freunden und Helfern verraten worden zu sein«, empört sich Wolf Müller, Chefarzt der Psychiatrischen Tagesklinik in Herford. Man habe von der bevorstehenden Abschiebung nichts gewusst. Bei ihm war Herr D. sieben Jahre lang in psychiatrischer Behandlung.


»Ethisch nicht vertretbar«

Bei der Abschiebung waren sowohl zwei deutsche wie auch zwei extra eingeflogene georgische Ärzte anwesend. Die beiden deutschen Ärzte erklärten die Familie für reisefähig – trotz zahlreicher anderslautender Gutachten. »Es ist ethisch nicht vertretbar, wenn Ärzte an Abschiebungen mitwirken«, erklärt Müller. Zumal es nach Darstellung der Familie bei der Festnahme zu heftigen Szenen gekommen ist. Insbesondere Frau D. wehrte sich, möglicherweise erhielt sie sogar gegen ihren Willen Medikamente, die sie ruhigstellen sollten.

Müller wurde am Samstag Vormittag alarmiert und fuhr in die ZAB in Bielefeld. Dort hatte er jedoch nur Zugang zu den verängstigten Kindern. »Das 16-jährige Mädchen kam auf mich zugerannt. Ihr sackten die Beine weg, sie war bitterlich am Weinen«. Zu Frau und Herr D. – Mann, Frau und Kinder wurden getrennt untergebracht – wurde Müller der Zutritt verweigert. Er hörte auf dem Flur allerdings eine verzweifelt schreiende Frau und vermutet, dass dies Frau D. gewesen sein könnte.

Dies ist nicht der erste dramatische Fall im Kreis Gütersloh: Vor zwei Jahren zündete sich ein Asylbewerber aus Rietberg vor dem Ausländeramt in Rheda-Wiedenbrück aus Protest gegen seine bevorstehende Abschiebung selbst an. In Flüchtlingsberatungskreisen gilt die Abschiebepraxis des Kreises Gütersloh als besonders rigoros.

Die Ausländerbehörde des Kreises Gütersloh behauptete vor der Abschiebung vor eineinhalb Wochen, Frau D. habe in Tiflis eine Schwester. Nach der Abschiebung wurde mitgeteilt, die Familie befinde sich nun bei Angehörigen der Frau. Dies ist allerdings nach Darstellung der Familie D., die sich inzwischen telefonisch bei Freunden in Deutschland meldete, nicht zutreffend. Vielmehr habe die Familie keine Verwandten dort. Die meisten Verwandten seien wie sie in den Westen geflohen und lebten verteilt in der Schweiz, in Holland und Deutschland.