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Aggro-Gentechnik (Teil 2)



Wie im Bürgerlichen Gesetzbuch müsse es darum gehen, nicht Schuld zu definieren, sondern die Haftung für einen Schaden, den man anderen zufügt, zu regeln. »Es geht um eine große Mehrheit, die vor einer Minderheit geschützt werden muss«, beschrieb Remmel den Ansatz der Verschuldensunabhängigen Haftung. Die führe letztendlich auch dazu, dass es in der Bundesrepublik keine großen Anbaugebiete gebe.


In anderen Ländern sieht es da ganz anders aus. Auf 81 Millionen Hektar werden weltweit nach Angaben Remmels gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut, das sind fünf Prozent der weltweit bewirtschafteten Fläche, 85 Prozent der Gen-Äcker befinden sich in den USA. Fast alle Flächen werden mit Soja, Mais, Baumwolle und Raps bebaut, das Argument vom Kampf gegen den Hunger in der Welt von Seiten der Gentechnik-Befürworter relativiert sich damit.

Auch ein anderes ihrer Argumente hält nach Meinung Remmels der Überprüfung nicht stand, nämlich das, dass Gentechnik die Erträge steigere und den Herbizideinsatz senke. »In Wirklichkeit ist Gen-Mais um 25 – 35 Euro pro Hektar teurer, die Erträge sind nicht höher, der Pestizideinsatz aber nicht niedriger«, erklärte Johannes Remmel. Gestiegen sei dafür die Abhängigkeit von Bauern in Ländern wie Indien und Pakistan von Konzernen wie dem Marktführer Monsanto. Denn die müssen für das Gensaatgut bei jedem Anbau bezahlen. »Die Selbstmordrate ist bei Bauern, die sich darauf eingelassen haben, stark gestiegen«, beschrieb Remmel die Folgen der »Agro-Gentechnik«, die angesichts dieser Fakten eher zur »Aggro-Gentechnik« wird.

Ein anderes großes Anwendungsland der Technik ist Argentinien. Dort stieg seit den 70er Jahren das Anbaugebiet von Soja von 0,01 Millionen Hektar auf heute 14 Millionen Hektar, auf 90 Prozent davon stehen genveränderte Pflanzen. »Die Folgen sind der Anstieg von Totalherbiziden und Stickstoffdüngung auf der einen und eine Reduktion des Anbaus für Selbstversorgung auf der anderen Seite«, erläuterte Remmel. Zudem wurden für den Sojaanbau große Waldgebiete gerodet.

Ein Argument der Befürworter der Agro-Gentechnik will Johannes Remmel nicht gelten lassen, nämlich das beliebte Argument, dass eine Technik Arbeitsplätze schafft. »In der Bundesrepublik könnten durch einen vermehrten Einsatz der Aggro-Gentechnik 2000 Arbeitsplätze geschaffen werden. In der ökologischen Landwirtschaft verdoppelte sich aber die Zahl der Beschäftigten in den vergangenen Jahren von 75.000 auf 150.000«, rechnet er vor.

»Das ist letztlich die gleiche Diskussion, die wir im Rahmen der Globalisierung auch auf anderen Feldern erleben«, ordnete Remmel das Thema in einen größeren Kontext ein. »Globaliserung versus regionaler Markt« laute die Frage. »Gerade, wenn man den Fleischskandal in das Gemälde hinzunimmt, muss man sich einfach fragen, ob Geiz wirklich geil ist«, appellierte er an die Konsumenten, ihre Macht einzusetzen und sich für ökologisch produzierte aus der Region zu entscheiden. In Deutschland ist da aber noch einiges zu tun: »In anderen Ländern wie Frankreich oder Italien ist das Bewusstsein für hochwertige Nahrungsmittel größer«, stellte Remmel fest.


Am Mittwoch, den 7. Dezember findet um14 Uhr in der Uni-Halle eine Podiumsdiskussion zum Thema statt. Teilnehmen werden unter anderem Bernd Weisshaar, Vorstandsmitglied des Centrums für Biotechnologie an der Universität und Lehrstuhlinhaber für Genomforschung und Thomas Steinlein vom Fachbereich Ökologie der Fakultät für Biologie.