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Tödlicher Verkehr (Teil 2)



»Man kann sich heute kaum vorstellen, dass die Straße einmal ein Treffpunkt war«, sagte Schaaber über die Veränderung des Sozialraums Straße. Dass man sich an viel befahrenen Straßen nicht gerne aufhält, liegt auch an dem, was aus den Auspuffen kommt. Natürlich sind die Schadstoffe aber nicht nur unangenehm, sondern auch gefährlich. Ozon, Dieselruß und andere Nebenwirkungen des motorisierten Verkehrs verursachen Atemwegs- und Herzerkrankungen, senken die Lebenserwartung und führen nachweislich zu mehr Krankenhauseinweisungen und Medikamentengebrauch.

Auch hier sind die Schwächsten besonders gefährdet. So verhindert Dieselruß die Entwicklung der Lungenfunktion von Kindern. Der Dreck, der sich ohne großen Aufwand durch Filter verhindern lässt, kostet jährlich zehn- bis neunzehntausend Bundesbürger das Leben. »Die EU hat errechnet, dass in Europa jährlich 275.000 Lebensjahre durch Dieselruß verloren gehen«, zitierte Jörg Schaaber aus einer weiteren Studie. Neben Kindern sind die Verursacher selbst am stärksten von den gesundheitsgefährdenden Schadstoffen betroffen, da sie meist nur knapp über den Auspuffen ihrer Vorderleute sitzen. »Im PKW-Innenraum ist die Konzentration am höchsten«, warnt der Fachmann.

Überhaupt leben Autofahrer ungesund, der Bewegungsmangel erhöht das Risiko von Diabetes und Herzerkrankungen. »Eine halbe Stunde gehen oder Fahrrad fahren täglich mindert diese Risiko«, weiß der Gesundheitswissenschaftler. Wer sein Auto öfter stehen lässt, tut natürlich nicht nur sich selbst Gutes, sondern auch der Umwelt. 25 Prozent der Treibhausgase in der EU kommen aus den Autos. Da auch die Ölvorräte bekanntlich begrenzt sind, lautet Jörg Schaabers Fazit: »Die Motorisierung ist eine Sackgasse«.

Schließlich stellte er Möglichkeiten des Umsteuerns dar. So könnten Tempolimits die Zahl der tödlichen Unfälle drastisch senken. Bei Tempo 100 auf Autobahnen würde die Hälfte der Verkehrstoten noch leben. Würde in den Städten, wie vom Deutschen Städtetag empfohlen, die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 30 Stundenkilometer abgesenkt, wären Unfälle für Fußgänger zu fünf Prozent tödlich, bei Tempo 50 stirbt fast die Hälfte der Fußgänger nach dem ungleichen Zusammenprall von Mensch und Maschine.

Als Mittel gegen den ungesunden MIV, den motorisierten Individualverkehr, empfiehlt Jörg Schaaber zudem eine Verlagerung des Verkehrs auf den ÖPNV und eine »Umgestaltung des Verkehrsraumes«. »Man muss nicht immer den Autofahrern den Weg frei machen«, kritisiert er die Vorfahrt, die Autos oft vor Fahrrädern und Fußgängern eingeräumt wird. Es sei deshalb notwendig, bei der Verkehrsentwicklungsplanung stärker die Bürgerinnen und Bürger einzubinden. »Das ist ja in Bielefeld eher die Ausnahme, meistens sieht es hier ja so aus, als ob die IHK die Straßenplanung macht«, findet Schaaber. Gegen eines der Lieblingsprojekte der Industrie- und Handelskammer hat er sich wie andere in der Runde erfolgreich engagiert: Die B66n, eine neue Schnellstraße durch den Bielefelder Osten, konnten die Bürger verhindern.