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Tödlicher Verkehr (9.11.2005)



Deutschland ist ja ein Paradies für Autofahrer: »Freie Fahrt für freie Bürger« scheint immer noch die Maxime der Verkehrsplanung hierzulande zu sein. Die Schattenseite dieser »Freiheit«, sind tödliche Unfälle, aber auch der Normalbetrieb von PKW und LKW kostet Leben. Über die Gesundheitsgefahren der motorisierten Mobilität klärte am Montag der Soziologe und Gesundheitswissenschaftler Jörg Schaaber bei einer Informationsveranstaltung des Initiativenverbundes »Bürgerinitiativen für ein lebenswertes Bielefeld« (ILBI) auf.


Von Mario A. Sarcletti

Bielefeld ist Spitze, was die Verkehrstoten betrifft, leider im negativen Sinn. 2003 kamen auf hiesigen Straßen statistisch 9,1 Menschen pro 100.000 angemeldeter Kraftfahrzeuge ums Leben. Nur Gelsenkirchen ist gefährlicher, 9,2 lautet der Wert den das Bundesumweltamt für 2003 für die Ruhrgebietsstadt errechnete. Am sichersten sind die Straßen in Stuttgart, 2,3 Verkehrstote kamen 2003 auf 100.000 KFZ. Bundesweit wurden in dem Jahr 6.618 Menschen im Straßenverkehr getötet, weltweit sind es 1,2 Millionen pro Jahr. »Damit ist der Straßenverkehr die neunthäufigste Todesursache«, erklärte Jörg Schaaber am Montag den Interessierten. Die Weltgesundheitsorganisation befürchte, dass Verkehr auf Rang 3 dieser traurigen Statistik aufsteigt. Die Kosten von Verkehrsunfällen schätzt sie auf mehr als 500 Milliarden Dollar pro Jahr.

Der motorisierte Straßenverkehr schadet zudem der Gesundheit der Bevölkerung. »Gesundheit ist mehr als die Abwesenheit von Krankheit, vielmehr ist es körperliches, psychisches und soziales Wohlbefinden«, zitierte Jörg Schaaber am Montag die Definition der Weltgesundheitsorganisation. Das körperliche Wohlbefinden wird natürlich auch durch Unfälle eingeschränkt, die Opfer leiden zudem oft ein Leben lang unter den seelischen Folgen der Unfälle. 273 Schwerverletzte waren im Jahr 2003 in Bielefeld zu beklagen, bundesweit gibt es jährlich eine halbe Million Verletzte auf den Straßen. Besonders betroffen sind Senioren und Jugendliche mit einem Anteil von zwanzig Prozent, Kinder machen zwölf Prozent der Unfallopfer aus. Über ein Viertel der Opfer sind Zweiradfahrer.


Lärm macht krank

Aber nicht nur der »worst case«, der Unfall, führt zu Gesundheitsschäden, schon der Normalbetrieb von PKW und LKW beeinträchtigt das »körperliche, psychische und soziale Wohlbefinden«. Einer der Krankmacher ist Lärm. Und der ist überall, wie Jörg Schaaber erläuterte. Als Beleg zeigte er den Lärmkataster der Stadt Bielefeld. Der beweist, dass viele Bereiche der Stadt tagsüber einen Lärmpegel von mehr als 50 Dezibel aufweist, den die Immissionsschutzverordnung als Grenzwert festlegt. Entlang mancher Straßenzüge liegt der Wert sogar über 65 Dezibel. »Solche Werte können zu Herzerkrankungen führen«, weiß der Gesundheitswissenschaftler Schaaber. Über ein Viertel der Bevölkerung ist dem krankmachenden Lärm ausgesetzt, Mitte der 80er-Jahre waren es nur fünfzehn Prozent. Die Folgen sind Konzentrations- und Schlafstörungen und Stress. Der Lärm hat aber auch soziale Folgen, da er die Kommunikation stört. »In Straßen mit viel Verkehr gibt es weniger Nachbarschaftshilfe«, zitierte Jörg Schaaber eine Studie.