Webwecker Bielefeld: drogenpros01

Drogenprostituierte unter Druck (28.09.2005)





Auch in Zukunft wollen sie enger zusammenarbeiten: Streetworkerinnen und Expertinnen bei der Fachtag in Bielefeld



Von Manfred Horn

In jeder größeren Stadt in Deutschland gibt es sie: Drogenabhängige, die sich prostituieren. Sie schaffen an, um ihre Sucht und ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Oft sind sie dabei von Repression bedroht, denn sie bewegen sich in auf rechtlich vermintem Gebiet. Prostitution ist – mit Ausnahme Berlins – nur auf kleinen, extra ausgewiesenen Flächen erlaubt, der große Rest ist Sperrgebiet. Wer dort Sex verkauft, handelt gesetzeswidrig.

Es sind in der Regel Frauen, die in der Drogenprostitution verfangen sind. Zu dem Thema fand vor zwei Wochen eine bundesweite Fachtagung mit dem Titel ›Leichte Beute‹ in Bielefeld statt. Eingeladen hatte der Sozial- und Kriminalpräventive Rat der Stadt Bielefeld (SKPR) und die Bielefelder Aids-Hilfe. Die Aids-Hilfe macht Drogenprostituierten in Bielefeld Angebote. So gibt es im Bereich des Hauptbahnhofs Beschaffungsprostitution, die Aids-Hilfe ist dort »aufsuchend« tätig. Ein kleiner Bus vor Ort bietet den Frauen in den Abendstunden eine Anlaufstelle.

Die Situation für die Drogenprostituierten ist in Bielefeld schwierig: Die Partnerschaft zwischen Staatsanwaltschaft, Polizei und Hilfeeinrichtungen ist seit Dezember 2000 Geschichte. Seitdem wird »beharrliche Prostitution« folgendermaßen ausgelegt: Es reicht aus, dass die Frau ist als Prostituierte bekannt ist und in einer »einschlägigen« Gegend angetroffen wird. Eine ziemlich wackelige Konstruktion, die vor Gericht nicht Bestand haben muss, wie eine Expertin zu Verstehen gibt. Denn im Zweifelsfall lässt sich damit kaum Prostitution nachweisen. Die Polizei reizt jedoch ihr Arsenal aus, die Repressionsschwelle ist deutlich gesenkt worden. Immer mehr Frauen werden mit saftigen Ordnungsstrafen überzogen – wenn sie nicht zahlen, müssen sie das Geld im Gefängnis absitzen.

Der Trend zu mehr Repression ist dabei bundesweit festzustellen: Dies berichteten die Teilnehmerinnen aus verschiedenen Städten bei der Fachtagung. Jede Stadt stellt dabei ihre eigenen Regeln auf So reicht es mancherorts bereits aus, mehr als drei Kondome in der Tasche zu haben oder an einer Hauswand zu lehnen, um als Prostituierte zu gelten. In Hannover ist der Straßenstrich vor kurzem von mehreren Straßenzügen auf 200 Meter zusammengestrichen worden. Es ist jedoch allen Beteiligten klar, dass diese Einschränkung neue Probleme schaffen wird. Deshalb ist es geplant, die aufsuchende soziale Arbeit zu verstärken. In Leipzig geht die Polizei inzwischen auch gegen die Freier vor. Vielerorts ist die Polizei dazu übergegangen, Taschen zu kontrollieren. Auch Handys sind inzwischen im Blick: Die Verbindungen, die damit zuletzt aufgebaut wurden, werden überprüft. Und in den Städten, in denen die Fußball-WM 2006 ausgetragen wird, rechnen Expertinnen sogar noch mit einer Zunahme der Repression – Drogenprostitutierte will man nicht dabei haben, wenn die ganze Fußball-Welt nach Deutschland schaut.


Schwere Lebensgeschichte

Mehr Repression verschlechtert nach Meinung vieler Expertinnen die Situation der Betroffenen: Mehr Druck führe nicht etwa dazu, dass die Frauen aussteigen. Sucht lasse sich nicht einfach durch mehr Druck beenden. Denn die Frauen sind am untersten Ende der sozialen Leiter.