Webwecker Bielefeld: hartzzorn02

Zornige Hartz IV Gegnerin (Teil 2)



Gegrillte Kakerlaken für Arbeitslose

Gillen gibt zynische Tipps weiter, wie sich Hartz IV Opfer ernähren könnten: »Ein Arbeitslosenforum im Internet rät auf dem Balkon Gemüse anzubauen. Im November oder im Januar?«. Das Hartz IV Kochbuch empfehle Kräuter oder Beeren zu sammeln. »Die Tiefkühltruhen in denen die gesammelten Köstlichkeiten eingelagert werden sollen, gehören aber nicht zur Standardausrüstung eines jeden Arbeitslosenhaushalts«, weiß Gillen. »Aber vielleicht ist ja der Vorschlag, den die UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft FAO im vergangenen November zur Bekämpfung von Hunger und Armut in Afrika präsentierte, auch eine Lösung für die Hartz IV Empfänger vor Ort: Die Afrikaner sollen mehr Insekten essen«, fuhr sie fort. Gegrillte Kakerlaken als Nahrungsergänzung für Arbeitslose.

In ihrem nächsten Text beschäftigte sich Gabriele Gillen mit dem Zusammenwirken von Politik, Wirtschaft und Medien. »In trauter Harmonie wird die Notwendigkeit verbreitet und scheindokumentiert, für das schiere Überleben des Wirtschaftsstandortes Deutschland den Sozialstaat Schicht für Schicht abtragen zu müssen«, kritisiert Gillen. Nur durch diese Allianz könne in den Köpfen der Bürger etwa das Bild vom Hochsteuerland Deutschland vorherrschen, obwohl die Bundesrepublik die niedrigste Steuerquote in der westlichen Welt habe. Sprache spiele dabei eine wichtige Rolle. Im »modernen Neusprech« werde die Kürzung von Arbeitgeberbeiträgen zur Rentenversicherung zu einem Beitrag zur Generationengerechtigkeit.

Auch die Linke bekam bei Gabriele Gillen ihr Fett weg. Gleichheit werde als altbackenes Wort angesehen, Differenz, »eine scheißliberale Weltsicht«, sei alles. Die PISA Studien würden aber belegen, dass Ungleichheit – wie in Deutschland – dumm mache, Gleichheit – wie in Skandinavien - hingegen klug. »Und Gleichheit heißt ja nicht, dass alle im gleichen Anzug rumlaufen«, forderte sie Linke auf, sich den Begriff neu zu erschließen.

Schließlich las Gabriele Gillen doch noch kurz aus ihrem Buch »Hartz IV – Eine Abrechnung«. Auch hier ging es im Zusammenhang mit dem Umbau der Bundesanstalt zur Agentur für Arbeit um die Allianz aus Politik, Wirtschaft und Medien. So war daran die Unternehmensberatung Roland Berger beteiligt, auch Mitglied der Hartz-Kommission. »Neu ins Team von Florian Gerster geholt wurde die Agentur WMP«, berichtet Gillen. In deren Vorstand sitzen die ehemaligen BILD-Chefs Hans-Hermann Tiedje und Hans-Erich Bilges, im Aufsichtsrat damals der Bielefelder Bundestagsabgeordnete Rainer Wend (SPD), im Vorstand war damals auch Günther Rexrodt. »Das zur so genannten Beratung in die Bundesanstalt für Arbeit entsandte Vorstandsmitglied Bernd Schiphorst, vereinbartes Honorar allein für 2003 500.000 Euro, war kurz vorher noch Topmanager beim Bertelsmann Medien- und Ideologiekonzern«, weiß Gillen. Das Engagement von Unternehmensberatungen in der Politik sei kein Zufall. »In den Unternehmensberatungen sitzen Politiker in den Vorständen«, sagt Gillen.

Als anderes Beispiel für diese Verquickung von Politik, Wirtschaft und Medien bei der Umgestaltung der Gesellschaft nennt Gabriele Gillen »Bürgerinitiativen« wie die »Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft«, die sich im Internet »das Reformportal« nennt. (http:/www.chancenfueralle.de) Finanziert werde die Initiative mit 10 Millionen Euro pro Jahr vom Arbeitgeberverband der Metallindustrie, ihre Aufgabe sei es neoliberale Reformen in die Köpfe zu hämmern. Die Initiative schicke bezahlte Botschafter auf Vortragsreise durch die Republik, wobei nie klar sei, dass die als Botschafter unterwegs seien. Einer dieser Botschafter ist Paul Kirchhof, der Wirtschaftsberater von Angela Merkel, ein anderer der Lebensgefährte von Sabine Christiansen. »Die Mehrheit der bei Christiansen eingeladenen Nichtpolitiker sind Mitglieder der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft«, weiß Gabriele Gillen.