Von Manfred HornDie neue schwarz-gelbe Landesregierung in NRW nimmt die Fußballweltmeisterschaft 2006 zum Anlass, die Öffnungszeiten für die Außengastronomie »im Grundsatz« bis 24 Uhr um zwei Stunden zu verlängern. Eine Änderung der Nachtruheregelung im Landesimmissionsschutzgesetz werde schnellstmöglich auf den Weg gebracht, teilte die NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) in der vergangenen Woche mit. Thoben plant offenbar, die bisher gültige Nachtruhezeit von 22 bis 6 Uhr auf 23 bis 6 Uhr zu ändern, Außengastronomie soll weiter unter eine Sonderregelung fallen, die eine Öffnung bis Mitternacht ermöglicht.
Des einen Freud ist des anderen Leid. Wenn Thoben ankündigt, bei der WM sollten die Fans auch noch nach dem Spiel über vergebene Chancen fachsimpeln können, so hat sie sich zweifelsohne einen populären Zeitpunkt für die die Gesetzesänderung ausgesucht. Niemand will sich mit den Fußballfans anlegen, und schon gar nicht zur Weltmeisterschaft, wo viele Spiele erst um 21 Uhr beginnen und die bedauernswert permanent trinkfreudigen Fans anschließend verdursten oder in öffentlichen Parks mit Bierpullen rumhängen müssten. Anderseits ist unabhängig vom Großereignis Fußball-WM bekannt, wie nervig ein Biergartenbetrieb für die Anwohner sein kann.
Die eigentlich spannende Frage aber ist, was sich überhaupt ändern wird: Denn schon bisher konnten Biergärten in Bielefeld bis 24 Uhr öffnen. Das zuständige Ordnungsamt es erteilt den Gäststättenbetreibern die Erlaubnis hat nachgezählt: 175 Außengeschäfte in Sachen Getränke, Eis und Essen haben bis 22 Uhr geöffnet, 126 darüber hinaus. Unter den 126 machen einige schon um 23 Uhr dicht, sie dürften aber durchaus bis 24 Uhr offen halten, wollen es aber gar nicht, weil es sich nicht lohnt. Gleiches gilt für die Außenbetriebe, die im 22 Uhr schließen: unter ihnen sind auch etliche, die länger aufhalten dürften, aber dankend verzichten.
Die Öffnungszeiten bis Mitternacht sind möglich, weil der Hauptausschuss der Stadt dies so beschlossen hat. Beantragt ein Gastronom eine Öffnungszeit über 22 Uhr hinaus, lässt das Ordnungsamt ein Schallschutzgutachten erstellen. Gemessen wird der Lärm, der einen halben Meter vor dem Fenster des nächsten Anwohners anfällt. Dabei gelten die Immissionsrichtwerte der TA (Technische Anleitung) Lärm. Im Gewerbegebiet ist mehr Lautstärke zugelassen als in Wohngebieten. Die Regelung beiinhaltet einen Lärmpegel im »Kerngebiet« von 45 Dezibel. Das Kerngebiet ist weitestgehend deckungsgleich mit der Innenstadt. In »allgemeinen Wohngebieten« sind 40 Dezibel zulässig. Noch strenger wird es in »reinen Wohngebieten«, wo gar kein lärmproduzierendes Gewerbe mehr angesiedelt ist: Dort gelten 35 Dezibel als Obergrenze.
Entscheidend an dem veränderten Landesgesetz ist für Bielefeld also nicht die Bestimmung, dass Außengastronomien ab Mitte 2006 bis 24 Uhr öffnen können, sondern ob neue Immissionswerte im entsprechenden Landesgesetz festgelegt werden. Dem Bielefelder Ordnungsamt liegt bisher weder ein neues Gesetz noch ein spezieller Erlass für die Aussengastronomie vor. Erst dann wird sich beurteilen lassen, welche Veränderungen die Ankündigungen der Wirtschaftsministerin wirklich bringen.