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Mit Sicherheit was los (29.06.2005)





Suade, die jüngste Rednerin auf der Kundgebung, trägt ihr Anliegen engagiert vor


Anlässlich der Konferenz der Innenminister in Stuttgart forderten am Donnerstag etwa siebzig Menschen vor dem Bielefelder Rathaus ein Bleiberecht für Flüchtlinge, die seit Jahren hier leben. Etwa die Hälfte der Demonstranten waren Angehörige von Minderheiten aus dem Kosovo. Seit Mai werden wieder Roma und Ashkali in die Provinz abgeschoben.


Von Mario A. Sarcletti

Es ist wohl die erste Rede, die die 13-jährige Suade hält. Ihre Worte gehen den etwa siebzig Demonstranten aber offensichtlich zu Herzen, die sich am vergangenen Donnerstag vor dem Bielefelder Rathaus für ein Bleiberecht für die Gesamtschülerin und ihre Familie einsetzen. »Lieber Herr Oberbürgermeister, lassen sie uns hier bleiben und schicken sie uns nicht weg«, bittet sie in akzentfreiem Deutsch. Dass Suade perfekt Deutsch spricht ist kein Wunder, sie ist gebürtige Bielefelderin. Aber Suade und ihre Angehörigen sind Ashkali aus dem Kosovo und seit mehr als einem Jahrzehnt hierzulande nur vorübergehend geduldet. Seit Mai droht ihnen wieder die Abschiebung. Neben Roma und Ägyptern sind Ashkali eine der Minderheiten im Kosovo, für die das Leben in der Provinz, die etwas größer als Ostwestfalen-Lippe ist, gefährlich ist.

Das sagt auch ein Bericht des Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) vom März 2005. Zwar sei die Zahl der Angriffe auf Angehörige von Minderheiten seit März 2004 zurückgegangen, als unter den Augen der KFOR-Truppen 19 Menschen im Kosovo ums Leben kamen. Die Ruhe in der Provinz ist nach Angaben des UNHCR eine Friedhofsruhe: »Zu berücksichtigen ist aber, dass der registrierte Rückgang schwerwiegender Straftaten mit interethnischem Hintergrund zumindest auch auf die gravierenden Einschränkungen der Freizügigkeit zurückzuführen ist, denen Angehörige ethnischer Minderheitengemeinschaften ausgesetzt sind«, heißt es in der »UN-Position zur fortdauernden Schutzbedürftigkeit von Personen aus dem Kosovo«.

Diese »gravierende Einschränkung der Freizügigkeit« macht auch Suade Sorgen. »Wo soll ich denn zur Schule gehen«, fragt die Teenagerin, die mit einigen Schulkollegen zu der Kundgebung vor dem Rathaus gekommen ist. Dass ihre Sorgen nicht unberechtigt sind, bestätigt ihr auch der Bericht des UNHCR: »Angehörige ethnischer Minderheiten sind noch immer gravierenden Hindernissen beim Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen im Bereich des Gesundheitswesens, des Schulwesens, der Justiz und der öffentlichen Verwaltung ausgesetzt«, hat der Hohe Kommissar festgestellt.

Selbst wenn sie zur Schule könnte, hätte Suade ein Problem: Im Kosovo war sie noch nie. »Wir sind vor fünfzehn Jahren hierhin gekommen«, erzählt sie. Damals war Suade noch nicht geboren, mit »wir« meint sie ihre Eltern, Geschwister und die Großeltern, die inzwischen in Bielefeld begraben sind.

»Diese Menschen sind so lange hier, dass sie verdammt noch mal ein Recht auf ein Zuhause hier haben«, fordert deshalb Kathrin Dallwitz vom Bielefelder Flüchtlingsrat, der die Kundgebung mit organisiert hat. Suade sieht offensichtlich Bielefeld als ihr Zuhause an: »Herr Oberbürgermeister, stellen sie sich vor, sie müssten in der Türkei oder Polen leben«, appelliert sie an Phantasie und Empathie des nicht anwesenden Stadtoberhauptes.

Nach Meinung der deutschen Politik und der Beamten, die sie umsetzen, muss Suade aber in ihr Herkunftsland zurück, in dem sie noch nie war. Denn ihre Familie und sie können nach deren Meinung freiwillig ausreisen, haben damit kein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik. Sie sind Opfer der Kettenduldung. »Die ist ein Aufenthalt, der leider keiner ist«, beschreibt Beate Niemeyer, Ratsfrau der PDS und Mitglied des Flüchtlingsrates, den Status. »Die Leute leben seit fünfzehn Jahren mit der Angst vor ihrer Abschiebung«, macht sie den Teilnehmern der Kundgebung klar.