Damals hießen sie noch Gastarbeiter, heute werden sie meist Migranten genannt. Viele von ihnen sind bereits seit Jahrzehnten in Deutschland und kommen langsam in die Jahre. Und viele von ihnen entscheiden sich, ihren Lebensabend hier zu verbringen weil es hier besser finden oder aber sich der Traum vom eigenen Haus im Herkunftsland zerschlug.
Dies trifft auch auf Bielefeld zu. Hier leben rund 41.000 Menschen, die nicht in Deutschland geboren wurden. Die Zahl derjenigen, die über 60 Jahre sind, ist allerdings unbekannt. Sie wird statistisch nicht gesondert erfasst. Doch wie können Migranten im Alter überhaupt erreicht werden und welche Angebote brauchen sie? Damit beschäftigte sich eine Diskussionsveranstaltung des evangelischen Gemeindedienstes des Johanneswerks.
Migranten der ersten und zweiten Generation waren oft größeren seelischen und körperlichen Belastungen ausgesetzt, die sich in einem allgemeinen schlechteren Gesundheitszustand als bei ihren deutschstämmigen Altersgenossen niederschlagen. Hand in Hand geht dies mit einem größeren Verarmungsrisiko aufgrund durchschnittlich sehr niedriger Renten.
Gut 50 ExpertInnen beteiligten sich an der Diskussion des Gemeindenstes, unter ihnen Annegret Grewe, Ausländerbeauftragte der Stadt Bielefeld Annegret Grewe, Professor Oliver Razum von der Universität Bielefeld, Eckehard Herwig-Stenzel, Geschäftsführer Soziale Arbeit des Johanneswerks und Ismail Tas vom Migrationsrat der Stadt Bielefeld.
Sie stellten fest, dass die traditionelle Versorgung durch die nachfolgenden Generationen, auf die viele der Einwanderer zählen, oftmals wegfalle, da Familienverbände sich zunehmend lösen. Die Jüngeren absolvieren eine Ausbildung oder Studium und stehen im Berufsleben, so dass wenig Zeit bleibt sich um die Älteren zu kümmern. Gleichzeitig würden vorhandene Angebote für Senioren von den älteren Migranten aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse, Informationsdefizite und Misstrauen gegenüber den deutschen Behörden selten genutzt. Je kleiner die Migrantengruppe sei, umso größer sei die Isolation und umso kleiner auch das Netzwerk, auf das sie zurückgreifen könnten. In Bielefeld treffe dies vor allem Aussiedler, Allewiten und Tamilen zu.
Alle Institutionen für Altenhilfe und pflege, ob in staatlicher, privater oder kirchlicher Hand, haben dieses Problem lange übersehen. Umso wichtiger, dass nun auch langfristig Konzepte entstehen. »Aufklärung der älteren Migranten ist gefragt«, lautet der Zukunftsentwurf von Eckehard Herwig-Stenzel. »Wir müssen Netzwerke schaffen, die Personen sozial auffangen und mit denen eine stationäre Behandlung pflegebedürftiger Menschen oft vermieden werden kann«. Baugenossenschaften mit einem hohen Anteil ausländischer Mieter seien dafür besonders geeignet. Bereits bestehende erfolgreiche Kooperationen des Ev. Johanneswerks zum Beispiel mit der Freien Scholle könnten dafür ein Vorbild sein.