Die neue europäische Verfassung sieht ein EU-Militärbündnis vor. Peter Becker, Vorsitzender der deutschen Sektion von ialana (Internationale Juristen gegen atomare, biologische und chemische Waffen - International Association of Lawyers against Nuclear Arms), schaute sich die militärpolitischen Aussagen der neuen Verfassung genauer an..
Von Manfred HornAm Sonntag ist Europawahl. Die Werbeaussagen der großen Parteien sind dürftig: Entweder sie reduzieren sich auf ein schlichtes »Wählt uns« oder aber sie schöpfen aus dem Fundus nationaler Themen. Dabei gab es gerade im Mai eine erhebliche Erweiterung der Europäischen Union. Und in den nächsten Wochen dürfte der Europäische-Verfassungs-Vertrag verabschiedet werden. Die Parteien ignorieren in ihrer Wahlwerbung die neue EU-Verfassung, eine gesellschaftliche Debatte hat überhaupt nicht stattgefunden.
Das Bielefelder Forum soziale Zukunft hat am Dienstag Abend versucht, Licht in den unbekannten Raum EU-Verfassung zu bringen. Arno Klönne ging auf die sozialpolitischen Implikationen ein (siehe WebWecker der kommenden Woche), während Peter Becker von die militärpolitischen Aussagen der neuen Verfassung in den Mittelpunkt nahm.
Becker, Rechtsanwalt aus Marburg und Vorsitzender der deutschen Sektion von ialana (Internationale Juristen gegen atomare, biologische und chemische Waffen - International Association of Lawyers against Nuclear Arms), berichtete ausführlich über den geplanten Artikel 40 der neuen EU-Verfassung. Becker betrieb intensiv Lobby-Arbeit in Brüssel, um friedenspolitische Aspekte in den Artikel zu kriegen. Stärkeren Einfluss hat aber das Militär und die Rüstungsindustrie auf den Artikel 40 genommen.
Die Arbeit des Konvents das EU-Gremium, welches die Verfassung ausgearbeitet hat begann im März 2002. Die Arbeitsgruppe Verteidigung des Konvents lud zunächst Javier Solana, Generalsekretär der NATO von 1995 bis 1999 ein. Er stellte sein Konzept einer europäischen Sicherheitspolitik vor. Er plädierte für ein verstärktes globales Krisenmanagement, die Erhöhung der Verteidigungskosten der EU-Staaten und die Einrichtung einer EU-Agentur für Rüstungszusammenarbeit. Im Oktober 2002 dann, so berichtet Becker, fand sich dann die Rüstungslobby bei der AG Verteidigung ein: beispielsweise die European Aeronautic Defence und Space Company (EAGS), die neben Militärprodukten auch den Airbus herstellt. Diskutiert wurde dann über die mögliche Anpassung des Militärs an neue Aufgaben. Und: Die AG Verteidigung fragte die Rüstungslobby, was sie von einer Agentur für Rüstungszusammenarbeit halte.
Herausgekommen ist ein Artikel, der eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU-Staaten vorsieht. Sie soll der Union »die auf zivile und militärische Mittel gestützte Fähigkeit zu Operationen« sichern. Auf diese »kann die Union bei Missionen außerhalb der Union zur Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Stärkung der internationalen Sicherheit gemäß den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen zurückgreifen«, heißt es im ersten Absatz.
Damit erweitert sich die EU von einer Handelsgemeinschaft zu einer Militärgemeinschaft, die sich zukünftig militärische Operationen auch außerhalb der EU vorbehält. »Dies ist eine deutliche Ansage an die USA«, erklärt Becker, »ihr seid nicht alleine, wir greifen demnächst auch ein«. Die EU habe den Hut in den Ring geworfen für eine weltweite Interventionspolitik. Für Becker eine historische Entwicklung, die bereits 1948 mit einem Abkommen einiger EU-Staaten zur gemeinsamen Verteidigung gegen die damalige Sowjetunion begann.