Webwecker Bielefeld: salon01

Jour Fix im Salon (25.05.2005)



Fast 100 Jahre nach dem Verschwinden der Salon-Kultur in Deutschland erlebt diese Form der freien Konversation eine kleine Renaissance. In Berlin blühen sie wieder, die von Frauen veranstalteten Redestunden, die nur einen Zweck kennen: Reden um des Redens willen. Auch in Bielefeld baut der Verein KultUrwald gerade einen Salon auf.






Salon im Grünen Walde über den Salon: Andrea Dornseif (links)
und Giela Reinke-Dieker (rechts) erzählen über ihren Salon in Berlin




Von Manfred Horn

Salon ist irgendwie etwas vornehmes, oder auch profan-räumlich: Der Hunde- oder Frisiersalon. Doch hinter dem Begriff verbirgt sich eine ganze Kulturgeschichte, die nun – da Salons rundumerneuert wieder in der Kulturlandschaft auftauchen – neu entdeckt wird.

Der Verein ›Kulturwald‹ denkt sich: Machen wir doch mal einen Salon in Bielefeld. Der Verein betreibt seit Anfang Mai das Lokal ›Zum Grünen Walde‹ zwischen Gadderbaum und Brackwede (WebWecker berichtete) und hatte am vergangenen Montag ganz offiziell zum ersten KultUrwald-Salon geladen. Damit der neue Salon auch in den richtigen Redeschwung kommt, wurden zwei Expertinnen aus Berlin hinzugezogen: Giela Reinke-Dieker und Andrea Dornseif. Die beiden führen schon einen richtigen Salon, und das nicht irgendwo, sondern im Sitzungssaal des Rathauses in Berlin-Schöneberg.

Dazu kam es, weil die beiden Frauen in Kontakt mit der Volkshochschule gerieten. Die fand die Idee eines interkulturellen Salons gut. Inzwischen kommen rund 15 Redelustige einmal im Monat zusammen, um über ein Thema ihrer Wahl zu sprechen. »Da braucht man aber einen langen Atem«, schiebt Giela Reinke-Dieker vorneweg. Es dauerte eben eine Weile, bis auch Migranten zum Salon kamen, was beim Titel ›Interkultureller Salon‹ nicht zwingend, aber doch hilfreich ist. Denn auch wenn ein gewisser Flair den Salon umgibt, die dazugehörige Praxis ist doch arg verschüttet.


Reden ist Gold

Die Salonbesucher finden Reden gut. Nicht nur – wie es eigentlich in Salons sein sollte, als Selbstzweck und netter Zeitvertreib – sondern auch ganz handfest, um Sprachkenntnisse zu verbessern. Inzwischen wird der Salon sogar in den VHS-Sprachkursen beworben. Die Idee dieses Salons ist einfach: Jeder vermittelt sein Fachwissen, und wenn es für ein Thema nicht reicht, wird Wissen von außen dazugeholt. Die Berliner Salonierenden erfuhren so im vergangenen Jahr allerhand über das Leben von zwei jungen Frauen in Kurdistan, über Ärzte ohne Grenzen oder über den Flamenco-Tanz. Eine Einlage auf dem Parkett ist da auch schon mal drin, schließlich soll es ja auch anschaulich sein. Zum Thema Buddishmus lud der VHS-Salon gleich zwei Experten: Einmal einen Vertreter der reinen Philosophie und einen Anhänger des buddistischen Kommerzes, der die Weltanschauung über den Sport verkauft.

Aber auch ein Thema wie »Kulturleben in Berlin« kam schon vor – auf Wunsch der Migranten im Salon, die nicht so recht wussten, wo in Berlin die Post abgeht. »Da entwickelt man eine Toleranz gegenüber den Themen, die einen eigentlich nicht so interessieren«, sagt Andrea Dornseif.

Der Salon im Schöneberger Rathaus ist öffentlich und findet einmal im Monat statt. Damit ist er kein klassischer Salon mehr, die halböffentlich stattfanden: Man wurde eingeladen oder von jemand mitgebracht. Doch das Prinzip ist das Gleiche: Es wird geredet, und das in einem gemütlichen und geschützten Raum. »Das läuft nicht gegeneinander sondern miteinander. Es geht darum, voneinander zu lernen«, erklärt Reinke-Dieker. Entsprechend knallt es nicht, ein drohender Streit wird gekappt. Wird es einmal eng, auch weil andersherum das Gespräch ins Stocken gerät, sind die beiden Einladerinnen gefragt: Sie halten die Gesprächsfäden in der Hand und müssen für den Fortgang der angenehmen Konversation sorgen.