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»Der Sozialstaat ist die Lösung, nicht das Problem« (Teil 2)



Wie stellen Sie sich vor diesem Hintergrund die Verwirklichung von sozialer Gerechtigkeit vor?

Ob man sie zu hundert Prozent verwirklichen kann, ist die Frage. Aber wir können ernsthaft daran arbeiten, ihr ein Stück näher zu kommen. Jugendliche müssen die bestmögliche Ausbildung bekommen. Das bedeutet, dass wir mehr Förderung und weniger Auslese brauchen. Für die harte Auslese plädieren doch immer nur die Starken, die unter sich bleiben wollen. Schulabbrecher müssen also der Vergangenheit angehören, weil die in Zukunft die geringsten Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben werden.

Auch die Unternehmen sind gefordert, ihren Beitrag zu leisten. Sie sind steuerlich massiv entlastet worden und müssen sich jetzt dafür kritisieren lassen, dass sie ihre Zusage, Arbeits- und Ausbildungsplätze zu schaffen, bisher nicht eingehalten haben. Allerdings muss man hier genauer hingucken. Es gibt Unterschiede, zwischen Klein- und Mittelbetrieben, die, oft Eigentümergeführt, sich alle Mühe geben und für die soziales Denken kein Fremdwort ist und Aktiengesellschaften wie der Deutschen Bank, wo die Vorstände nur auf den Aktienkurs und ihre eigenen Bezüge schauen. Da steht schon so mancher Boss außerhalb der Gemeinwohlverpflichtung des Grundgesetzes.


Klagen hilft nicht. Wo soll es konkret hingehen?

Bei Jugendlichen darf es keine Pause zwischen Schule und Berufsausbildung geben. Der Rechtsanspruch auf Förderung bis 25 ist die dringendste Herausforderung. Darauf müssen alle Mittel konzentriert werden. Auf der anderen Seite muss Schluss sein mit dem Jugendwahn. Es darf nicht so weitergehen, dass Arbeitnehmer ab 50 keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt haben. Auf das Wissen, die Motivation und die Leistungsfähigkeit dieser Menschen kann die Wirtschaft, können wir alle nicht auf Dauer verzichten.


Mal Hand aufs Herz: Muss man nicht unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten sogar sagen, dass ältere Arbeitnehmer noch eher ein Anrecht auf Förderung hätten als Jugendliche?

Man muss, so meine ich, schon im Auge behalten, dass ältere Arbeitnehmer oft jahrzehntelang in die Sozialversicherungen eingezahlt haben. Natürlich haben die einen besonderen Anspruch auf Förderung. Wir dürfen aber auf keinen Fall der Versuchung unterliegen, von denen, die daran interessiert sind, die Jungen gegen die Alten ausspielen zu lassen. Die Jugend ist unsere Zukunft.


Wer will, Herr Garbrecht, einen 54-Jährigen einstellen, den man dann nicht mehr los wird?

Das ist ein oft gehörtes Vorurteil von manchen Unternehmern. Seit zwei Jahren ist die befristete Einstellung von älteren Arbeitnehmern möglich, diese Regelung ist gerade verlängert worden. Aber manche ziehen es vor, ihre Vorurteile zu pflegen, anstatt die Erfahrung und die hohe Leistungsbereitschaft Älterer zu nutzen.