Webwecker Bielefeld: stalker02

Vom Leben mit Quälgeistern (Teil 2)



Wozu der Stalker fähig ist, können die Opfer nur vermuten. Folglich reagieren sie mit Angstgefühlen, die sich in Schlafstörungen, Depressionen, Panikattacken, Reizbarkeit und fast immer in Misstrauen gegenüber anderen Menschen äußern. In mehr als zwei Dritteln der Fälle sehen sich die Opfer gezwungen, ihr privates Umfeld und ihr Freizeitverhalten zu ändern. In jedem fünften Fall führt die Belastung zu beruflichen Umbrüchen. Etwa die Hälfte der Opfer braucht aufgrund des hohen psychischen Drucks selbst Jahre nach dem Ende des Stalkings noch medizinisch-psychologische Betreuung. Anders sieht es bei der Behandlung der Stalker aus – hier fehlt es an rechtlichen Regelungen, beispielsweise für die vorbeugende Unterbringung der psychisch kranken Täter. Die wird nach der bisherigen Rechtslage erst nach einer schweren Körperverletzung veranlasst.


Forschung hinkt nach

In den USA, England, Kanada, Australien und Belgien wird Stalking seit zehn Jahren wissenschaftlich erforscht und rechtlich geahndet wird. In Deutschland unterhält einzig die Technische Universität Darmstadt seit vier Jahren ein psychologisch ausgerichtetes Stalking-Forschungsprojekt, das der Opferschutzverband Weißer Ring mitfinanziert. Unter www.stalkingforschung.de finden Betroffene neben Informationen, Buch-Tipps und Links auch den Online-Fragebogen, mit dem die Forscher verlässliche Angaben zum Thema ermitteln. Eine umfassende Theorie des Stalking steht noch aus. Sicher ist, dass auch in Deutschland Stalker in allen Gesellschaftsschichten, Altersgruppen und Gehaltsklassen zu finden sind und von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist.

Die bisherige Rechtslage ist schwammig. Wer sich zur Anzeige entschließt, erlebt häufig Zurückweisung, manchmal auch Sprüche, die den Sachverhalt bagatellisieren. »Seien Sie doch froh, dass sie einen Verehrer haben«, habe ihr der Polizeibeamte gesagt, schildert eine Betroffene im Internet. Die Schutzmaßnahmen nach erfolgter Anzeige sind dürftig. Strafverfahren stellen die Staatsanwaltschaften häufig wegen »Geringfügigkeit« ein. Nach dem derzeit geltenden Gewaltschutzgesetz, das im Wesentlichen gegen häusliche Gewalt entwickelt wurde, können Opfer vor dem Zivilgericht ein Kontakt- und Annäherungsverbot erwirken, das die Täter aber in der Regel nicht abschreckt. Die Kosten des Zivilverfahrens tragen die Betroffenen selbst.


»Stalking-Bekämpfungsgesetz« auf dem Weg

Während Polizei und soziale Institutionen bundesweit ihre Wissenslücken schließen und Fortbildungen für den Umgang mit Opfern und Tätern anbieten, werten Anwälte die verbreitete Unkenntnis auf deutschen Richterbänken als »erschreckend«. Zudem können Fälle mangels bundesweit einheitlicher Rechtssprechung von unterschiedlichen Gerichten völlig unterschiedlich eingeschätzt werden. Diese Unwägbarkeiten schrecken die Opfer vom Rechtsweg ab und wiegen die Täter in Sicherheit.

Ein »Stalking-Bekämpfungsgesetz« soll die Opfer bald besser schützen und die Täter abschrecken. Der Rechtsausschuss des Bundestages hat kürzlich auf der Grundlage eines von Hessen eingebrachten Entwurfs einen entsprechenden Gesetzesvorschlag vorgelegt. Demnach soll Stalking künftig mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden. Zum Vergleich: Ein einfacher Diebstahl kann fünf Jahre Haft nach sich ziehen. Immerhin würde das neue Gesetz der Polizei ermöglichen, Tatverdächtige wegen Wiederholungsgefahr in Untersuchungshaft zu nehmen und einen Stalker wenigstens für kurze Zeit zu bremsen. Die Vorlage stellt, grob gesagt, unter Strafe, einen Menschen unbefugt »nachhaltig und derart« zu belästigen, dass er »in seiner Lebensgestaltung erheblich beeinträchtigt« wird.