Ob Studierende tatsächlich keinen Anspruch etwa auf Arbeitslosengeld II haben, ist umstritten. Denn der Gesetzgeber sieht vor, dass alle Erwerbsfähigen ALG II beantragen können. Das sind alle die, die dem Arbeitsmarkt für drei Stunden pro Tag zur Verfügung stehen. Laut der Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks jobbte der Durchschnittsstudent im Jahr 2003 12,8 Stunden pro Woche, viele arbeiten also tatsächlich durchschnittlich drei Stunden pro Tag. »Das ist natürlich ein krasser Widerspruch«, findet Daniel Taprogge.
Auch das Deutsche Studentenwerk geht in dem
Papier mit dem Titel »Hartz IV und Studierende: Fragen und Antworten« davon aus, dass Studierende in der Regel dem Arbeitsmarkt in dem Umfang zur Verfügung stehen, der als Maßstab der Erwerbsfähigkeit gilt. »Betroffene können die Entscheidung über die Erwerbs(un)fähigkeit mit Rechtsmittel überprüfen lassen«, empfiehlt Albrecht Brühl, der Verfasser des Papiers. Er weiß aber auch, dass Studierende in der Regel keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts haben. »Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass der normale Unterhaltsbedarf von Studierenden über die Sozialleistung BAföG abzudecken ist«, stellt der Sozialrechtsexperte fest. Allerdings könnten Studierende, die die Förderungshöchstdauer bereits überschritten haben, als Härtefall in der Examensphase ein Darlehen beantragen. In Bielefeld können dies Studierende bereits seit 1999.
Auch die Bundesagentur zieht sich in ihren Durchführungshinweisen damit aus der Affäre, dass die Ausbildung im Rahmen des BAföG »dem Grunde nach förderungsfähig ist«. »Es ist dabei ohne Bedeutung , ob sich z.B. aufgrund der Einkommensverhältnisse der Eltern tatsächlich ein zahlbarer Betrag ergibt«, heißt es in den Durchführungshinweisen vom 25. Januar.
Auch Mirjam Rapior erhält kein BAföG mehr. Nachdem sie neun Semester Sozialwesen studierte, wechselte sie in den Studiengang Primarstufe. Dass sie mit ihrer Tochter von 538 Euro monatlich inklusive Kindergeld und Unterhaltsvorschuss vom Jugendamt leben soll, will sie nicht hinnehmen. Sie wandte sich an die Hotline des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit. »Da habe ich erstmal festgestellt, dass wir wirklich vergessen worden sind. Denn da haben sie mir gesagt, ich soll einen Brief schreiben, weil sie mich nicht einordnen können«, beschreibt sie das Telefonat.
Mirjam Rapior schrieb aber nicht nur einen Brief an den Ombudsrat in Berlin, sondern sammelte gleich noch gemeinsam mit andere Betroffenen knapp tausend Unterschriften. Sie beteiligte sich auch an einer Telefonaktion des Deutschlandradios Berlin. Dort hatten die Hörer die Möglichkeit mit der ehemaligen Familienministerin Christine Bergmann vom Ombudsrat über Probleme mit Hartz IV zu sprechen. »Die sagte mir, dass das Problem bereits bei ihr auf dem Tisch liege«, freut sich Mirjam Rapior. Es ist aber nicht das einzige Problem mit Hartz IV, das der Ombudsrat zu beraten hat. »Die haben da eine Prioritätenliste, die sie abarbeiten«, weiß Rapior. Die Studierenden stehen da aber ziemlich weit oben, im April oder Mai werde das Problem der vergessenen Studierenden nach Aussage Bergmanns behandelt. Wie eine Lösung aussehen kann ist aber noch unklar.
Bis dahin empfiehlt Sozialreferentin Christine Göhde speziell Studierenden mit Kind oder solchen mit Behinderung sich an den Verein »Widerspruch« zu wenden, wenn ihnen der Bescheid von Arbeitsgemeinschaft oder »Arbeit plus« verhartzt erscheint. Ansonsten hofft sie auf eine stärkere Vernetzung mit anderen Betroffenen. »Da muss man sich mit anderen solidarisieren, um zu sehen, wie man die Ausgangsposition verbessern kann«, hat Göhde nicht nur die eigene Klientel im Blick. Von der war bei den Protesten gegen Hartz IV im Herbst aber noch ziemlich wenig zu sehen.