Webwecker Bielefeld: verfassungsgericht01

Bielefeld kritisiert Bundesverfassungsgericht (02.02.2005)



Am vergangenen Mittwoch entschied das Bundesverfassungsgericht, dass das Studiengebührenverbot im Hochschulrahmengesetz unzulässig sei. Die Entscheidung über die Einführung von Gebühren sei allein Ländersache, meinten die Richter. Dieter Timmermann, Rektor der Universität Bielefeld, und der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) kritisierten das Urteil einmütig.


Von Mario A. Sarcletti

»Das Urteil ist eine Katastrophe«, schimpft die AStA-Vorsitzende Emine Ergin. »Weniger für diejenigen, die jetzt studieren, sondern vor allem für die, die zukünftig nicht mehr studieren können«, fügt sie hinzu. Ihr Kollege Ingo Bowitz sieht in dem Karlsruher Urteil auch eine Katastrophe für das Bildungswesen. »Das Urteil wird zur Folge haben, dass die Studierendenzahlen sinken«, vermutet er. Dabei sei Bildung die wichtigste Ressource des Landes. »Alle internationalen Studien zeigen, dass wir mehr Studierende brauchen, angestrebt wird eine Akademikerquote von 40 Prozent«, erklärt Bowitz. Davon ist Deutschland tatsächlich meilenweit entfernt, zur Zeit studieren wenig als zwanzig Prozent eines Jahrgangs.

»Wer ein Interesse an Bildung hat, ist gegen Studiengebühren«, glaubt Bowitz deshalb. »Die Befürworter der Gebühren haben eben nur ein Interesse an Elitenbildung und Finanzpolitik«, wirft er den CDU-regierten Ländern vor, die gegen das Gebührenverbot geklagt hatten.

Auch der Rektor der Universität, Dieter Timmermann, kritisiert die Karlsruher Entscheidung. Er sei enttäuscht, sagte er gegenüber dem Campusradio Hertz 87,9. »Ich hätte nicht mit so einem harten Urteil gerechnet«, erklärte Timmermann. Er hätte zumindest damit gerechnet, dass die Verfassungsrichter den Ländern Auflagen gemacht hätten. Die müssten sich jetzt trotzdem zusammensetzen und sich über Bedingungen und Obergrenzen für die Gebühren einigen. »Ich bin aber skeptisch, dass es zu einer Verständigung kommt«, so Timmermann.
Sollte es die nicht geben, könnten auf gebührenfreie Länder Studierendenwanderungen zukommen. Vor allem Hochschulen in Grenznähe könnten davon betroffen sein, wie etwa Bielefeld. Timmermann glaubt aber eher nicht, dass das ein Vorteil für die Hochschule sein könnte. »Ich bin nicht so optimistisch zu sagen, dass die Besten kommen werden«, gibt Timmermann zu. »Man könnte vermuten, dass die Eltern von sehr guten Abiturienten, die es sich leisten können, die Gebühren zahlen«, fügte er hinzu.

Um den Zustrom zu beschränken könnte Timmermann sich vorstellen, dass Studierende aus »Gebührenländern« auch in NRW zur Kasse gebeten werden. Eine weitere Möglichkeit seien verschärfte Zulassungsbedingungen für Studienanfänger aus anderen Bundesländern. Die schloss Wissenschaftsministerin Hannelore Kraft gegenüber Hertz 87,9 jedoch aus.

Sie kündigte zudem an, dass Nordrhein-Westfalen keine Gebühren - über die für so genannte Langzeitstudierende hinaus - einführen wird. Allerdings bleibt abzuwarten, ob sie das nach den Landtagswahlen im Mai noch zu entscheiden hat. Rektor Timmermann würde aber auch nach einem Machtwechsel im Land Gebühren an seiner Hochschule eher nicht einführen, da er sich die kaum sozialverträglich vorstellen kann. Er verweist auf eine Resolution des Uni-Senats vom Dezember vergangenen Jahres (WebWecker berichtete).
Das Gremium Senat hatte damals einstimmig beschlossen, dass vor einer eventuellen Einführung von Gebühren für ein Erststudium ein Stipenden- oder Darlehenssystem aufgebaut werden müsste. »Das sieht der Senat nicht und ich seh’ das auch nicht«, sagte Timmermann.