Marhaba (Teil 2)
So macht die in der Nähe von Beirut in einem Flüchtlingslager lebende Gazal besonders auf die Frauenbewegung und auf Bewegungen zur geschlechtlichen Identität aufmerksam. Ein starkes Stück, ist doch der Libanon wie die anderen islamisch dominierten Gesellschaften patriarchal geprägt. Bis heute gilt: Wer sich im Libanon outet, darf mit einem Jahr Gefängnis rechnen. Und dies ist noch eine milde Strafe im Vergleich zu anderen arabischen Ländern.
Es gibt aber nicht nur die drohende Repression, sondern auch keinen öffentlichen Umgang seitens der Gesellschaften mit solchen Fragen. Sexuelle Freiheit ist immer noch ein Fremdwort im Libanon. Doch Gazal berichtet von ersten Bemühungen, die konservative Gesellschaft aufzubrechen. So gründete sich Helem, eine Queer-Rights-Gruppe vor gut einem Jahr. Gazal arbeitet dort mit, ist auch im Middle East Feminist Network.
Arabischer Feminismus»Dabei projiziieren wir jedoch keine europäischen Vorstellungen«, sagt sie. Man sei gesellschaftlich auf einem Stand wie Europa vor 500 Jahren, da müsse man ansetzen. Zugleich definiert Gazal Helem und das Middel East Feminist Network als Teil der arabischen Frauenbewegung. Das arabisch ist ihr wichtig, es sei wesentlicher Teil ihrer Identität: Sie sei Teil des palästinensischen Volkes, das von Israel in den Libanon vertrieben worden ist. Dies sei eine Kollektmaßnahme gewesen, foglich auch Teil ihrer Identität. »Dies zu verleugnen, würde mich in psychologische Schwierigkeiten bringen«, antwortet sie ganz persönlich.
Julia Deeg hingegen ist über ISM nach Israel und Palästina gekommen. In 2002 war sie zweimal drei Monate dort. Einmal zusammen mit ihrer Mutter. Sie geriet in die Medien, weil sie damals 33 Tage im Hauptquatier Yassir Arafats ausharren musste, als es vom israelischen Militär belagert wurde. ISM ist in Israel von George Rishmavi und Huwaida Arraf gegründet worden. Eine Organisation mit sozialistischen Wurzeln und pazifistischen Aktionsformen, die sich das Ende der israelischen Okkupation Palästinas und für einen gerechten Frieden einsetzt.
Kritiker von ISM bezweifeln dies: In Wirklichkeit unterstütze ISM den bewaffneten Kampf palästinenischer Gruppen, gar Selbstmordanschläge und strebe die Zerschlagung Israels an. Unumstritten ist, dass sich ISM 2001 gründete als Organisation von Israelis und Palästinensern. »Es gibt einen deutlichen Unterschied zwischen der ersten und zweiten Intifada«, erläutert Deeg. Die erste Intifada zu Beginn der 1990er Jahre habe mehr soziale Organisation gekannt und sei weniger von gewalttätigen Auseinandersetzungen geprägt gewesen. Die zweite Intifada, die gegenwärtig andauert, gehorcht indes einer militärischen Logik. »ISM ist die Antwort darauf«, sagt sie, »und auf die internationale Gemeinschaft, die ihren Pflichten nicht nachkommt«. Widerstandsmöglichkeiten gebe es viele.