Das fiskalische Argument der Befürworter der Gebühren, das bei dem Beschluss der Hochschulrektorenkonferenz eine wichtige Rolle spielte, lautet: Der chronischen Unterfinanzierung der Hochschulen kann nur durch Studiengebühren begegnet werden, da vom Staat absehbar nicht mehr Mittel zu erwarten sind. Dieser Argumentation nimmt die Stellungnahme des Senats den möglichen Reiz, indem sie Fragen stellt. »Was würde geschehen, wenn der Staat die Gebühreneinnahmen ganz oder teilweise einbehält, um seinen Haushalt zu sanieren«, lautet eine solche Frage. Genau das passierte nämlich in Nordrhein-Westfalen: Die Gebühren, die für Langzeitstudierende und ein Zweitstudium fällig wurden, verschwanden im Haushaltsloch. Auch eine weitere Erfahrung aus NRW nährt die Skepsis gegenüber den Hoffnungen der Gebührenbefürworter: Die Erhebung der Gebühren war mit einem enormen Verwaltungsaufwand und damit einhergehenden Kosten für die Hochschulen verbunden.
Staat könnte sich aus Hochschulfinanzierung zurückziehenDie Erfahrungen in Ländern mit Studiengebühren zeige zudem, dass sich der Staat nach deren Einführung immer mehr aus der Hochschulfinanzierung zurückgezogen habe, nennt das Senatspapier eine weitere Gefahr der Studiengebühren. Deshalb sei es unwahrscheinlich, dass die Studierenden von ihren Zahlungen profitieren würden.
Dass die »Kunden des Hochschulsystems« dieses nach der Einführung der Gebühren effizienter nutzen wollen, hält auch der Senat für wahrscheinlich. Allerdings fehlten dafür die Voraussetzungen von Seiten der Hochschullandschaft, nach Einschätzung der Universität muss das Beratungs- und Informationssystem verbessert werden. Zudem müsse das Stipendien- und Darlehenssystem vor der Einführung der Gebühren ausgebaut werden, damit diese nicht »Studierende aus bildungsfernen und einkommensschwachen Milieus abschrecken.«
Trotz all dieser Vorbehalte kann der Senat Studiengebühren doch auch etwas Positives abgewinnen. In der Stellungnahme erkennt er an, »dass sich die bisherige staatliche Hochschulfinanzierung durch unerwünschte und unerwartete Umverteilungseffekte (»von unten nach oben«) auszeichnet, welche durch die sozial und einkommensmäßig verzerrte Nutzer- und Nutznießerstruktur einerseits und die ebenfalls zugunsten gerade dieser Nutzer und Nutznießer verzerrte Steuerlast zustande kommen«. So würden Hochschulabsolventen gerade einmal 20 Prozent ihrer direkten Studienkosten über Steuern zurückzahlen. Eine Akademikersteuer enthielte nach Meinung des Senats kein Steuerungselement, das Studierende und Hochschulen zu einem effizienteren Umgang mit den Ressourcen anhält. »Daher spricht alles für ein Finanzierungssystem der Hochschulen, das ein Gebührenelement enthält, welches die gewünschten Steuerungswirkungen erzeugt und das zugleich die sozialen Verzerrungen und Einkommensumverteilungen vermeidet«, so die Schlussfolgerung des Senats.
Ist der Senat also doch für Studiengebühren? Bedingt ja, allerdings stellt er Vorbedingungen, die in absehbarer Zeit kaum erfüllt werden können: »Solange aber der Auf- und Ausbau eines angemessenen Stipendien- und Darlehenssystems, welches das befürchtete Mittelstandsloch vermeidet und die erwartbaren Abschreckungseffekte von Studiengebühren kompensiert, nicht in Sicht ist und solange das Misstrauen in staatliche Verlässlichkeit größer ist als das Vertrauen. spricht sich der Senat der Universität zum jetzigen Zeitpunkt gegen die Einführung von allgemeinen Studiengebühren aus«, heißt es in Akademikerdeutsch im letzten Satz der vierseitigen Stellungnahme. Vor allem der Passus mit dem »Vertrauen in die Verlässlichkeit der Politik« übersetzt die differenzierte Stellungnahme nach den Erfahrungen der letzten Jahre gerade im Bereich Hochschulpolitik in ein klares »Nein« des Senats zu allgemeinen Studiengebühren.