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Pillen, die schaden statt heilen (15.12.2004)






Deutsche Pharmafirmen gehören zu den größten Anbietern von Arzneimitteln in der Dritten Welt. Die neue Arzneimittelstudie der Bielefelder BUKO-Pharmakampagne kratzt am positiven Image der Branche,


Bereits vierten Mal ließ die BUKO Pharma-Kampagne das Arzneimittelangebot deutscher Hersteller in den Ländern des Südens durch ExpertInnen bewerten. Zum wissenschaftlichen Team gehörten dabei unter anderen der renommierte Pharmakologe Professor Peter Schönhöfer sowie Günter Hopf, Arzt für Pharmakologie und Toxikologie und Apotheker. Das Fazit der Studie: Von über 2.500 bewerteten Arzneimitteln gelten über ein Drittel, nämlich 1.000, nach klinisch-pharmakologischen Kriterien als irrational.

Nicht wenige dieser Mittel seien sogar gefährlich und einige in Deutschland verboten. Bei vielen sei der therapeutische Nutzen nicht ausreichend belegt. Spitzenreiter ist Brasilien: Dort gebe es mit 333 irrationalen Produkten besonders viele fragwürdige Medikamente deutscher Pharmakonzerne.

Zwischen den 33 deutschen Herstellern gibt es gravierende Unterschiede in der Qualität des Angebots. Während jedes zweite Mittel von Byk Gulden/Altana, Boehringer Ingelheim oder E. Merck als irrational eingestuft wurde, sei es bei Fresenius nur jedes achte. Spitzenreiter ist E.Merck mit fast 200 irrationalen Arzneimitteln, dicht gefolgt von Hoechst/ Aventis und Boehringer Ingelheim. Jedes vierte fragwürdige Mittel bieten dieselben Firmen nicht nur in der Dritten Welt, sondern auch in Deutschland an.

Irrationale Arzneimittel schaden PatientInnen und verursachen unnötige Kosten. Vor allem in den fünfzig ärmsten Ländern, in denen weniger als fünf US-Dollar pro Kopf und Jahr für Medikamente zur Verfügung stehen, hat dies gravierende Folgen. Kombinationspräparate mit mehreren Wirkstoffen machen fast die Hälfte aller negativ bewerteten Arzneimittel aus. So wurden 70 von 80 Vitaminpräparaten negativ bewertet, meist unsinnige Kombinationen.

Aber die Untersuchung hat auch weitaus Gefährlicheres ausgemacht: Mehrere Firmen bieten metamizolhaltige Schmerzmittel-Kombinationen an, die laut Gutachtern eine lebensbedrohliche Blutbildungsstörung und einen Schock auslösen können. Solche Mittel sind in Deutschland seit 1986 verboten.

Besonders bedauerlich sei das äußerst dürftige Angebot der deutschen Pharmaindustrie für wichtige Erkrankungen in den untersuchten Ländern, erklärt die BUKO-Pharma-Kampagne. So gab es lediglich elf Malariamittel und elf Mittel gegen Wurmerkrankungen. Medikamente gegen AIDS fanden sich sogar nur zwei.


Die BUKO-Pharmakampagne hat zum Thema eine Broschüre mit dem Titel
›Sprudelnde Geschäfte: Deutsche Medikamente in der Dritten Welt‹ veröffentlicht.
Die Fachpublikation ›Daten und Fakten 2004‹ bietet detaillierte Hintergrundinformationen und präsentiert sämtliche Daten und Auswertungen der aktuellen Untersuchung. Die Broschüre gibt einen Einblick in die Qualität des Arzneimittelsortiments deutscher Firmen in 46 Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas.

Beide Neuerscheinungen sind bei der Pharma-Kampagne im Welthaus, August-Bebelstr. 62, oder über den Buchhandel erhältlich.